Vorgelagert, nachgelagert, zwischengelagert oder endgelagert? In einer fruchtlosen Landtagsdebatte vertraut Michael Piazolo (Freie Wähler) auf sein Volksbegehren: "Die Bürger sind klüger als diese Regierungsfraktionen."
Das Theater angezettelt hat die SPD, denn sie stellte die gestrige aktuelle Stunde im Landtag unter das Motto: "Chaos mit Ansage: nachgelagerte Studiengebühren!" Von vornherein war klar, dass diese Debatte zwar zu keinem Ergebnis führen, dafür aber Gelegenheit zum polemischen Schlagabtausch bieten würde, was Natascha Kohnen gleich bewies: Sie wandte sich höhnisch an die "lieben Endzeitkoalitionäre ."
Die Endzeit der Regierungskoalition aus CSU und FDP bis zum regulären Wahltermin im Herbst nächsten Jahres verlängern sollte eigentlich die Kompromissidee des Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer. Nachgelagerte Gebühren, also Beiträge, die erst nach und nicht schon während des Studiums zu zahlen sind, könnten den Streit in der Koalition entschärfen. Dort hält die FDP an den Studiengebühren fest, und Seehofer hat seine Fraktion - vor 14 Tagen jedenfalls, auf deren Abschaffung eingeschworen.
Also doch, mit Rücksicht auf den Koalitionsfrieden, weiterhin Studiengebühren, aber eben nachgelagert? Michael Piazolo, der für seine Freien Wähler die Zulässigkeit eines Volksbegehrens gegen jedwede Studiengebühr vor der Bayerischen Verfassungserichtshof erstritten und damit erst die Koalition in die Krise gestürzt hat, hatte gestern nur Spott übrig: "Ob vorgelagert, nachgelagert, zwischengelagert oder endgelagert," er setzt auf das Volksbegehren: "Die bayerische Bevölkerung ist klüger als diese Regierungsfraktionen, und ihr vertraue ich auch mehr."
Tatsächlich sind vier der fünf Fraktionen im Landtag gegen die Studiengebühren, aber die CSU darf nicht mit der Opposition für die Abschaffung stimmen, weil dies den sofortigen Bruch der Koalition mit der FDP und das vorzeitige Scheitern der Regierung zur Folge hätte. Also warten alle trotz des gestern inszenierten Schlagabtauschs auf das Ergebnis des Volksbegehrens. Hier müssen sich vom 17. bis zum 30. Januar zehn Prozent der bayerischen Wahlbevölkerung, also knapp eine Million Bürger, in ihren Rathäusern eintragen, damit es dann sechs Wochen später zum Volksentscheid kommen kann.
Das Volk soll's jetzt richten. Darauf hofft nicht nur die Opposition aus SPD, Freien Wählern und Grünen, sondern auch die CSU, die erst damit heraus wäre aus dem Dilemma, in das sie ihre plötzliche, von Horst Seehofer angesichts des Volksbegehrens verordnete, Abkehr von den Studiengebühren gestürzt hat.
Denn eines, immerhin, wurde in der gestrigen Debatte deutlich: Die CSU-Fraktion hält nichts von einer möglichen Einigung mit der FDP auf in irgendeiner Form nachgelagerte Studiengebühren. Ihr Hochschulpolitiker Oliver Jörg, dem schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen die undankbare Aufgabe oblag, den Sinneswandel seiner Fraktion zu erklären, wollte sich aus verständlichen Gründen nicht auf die Häme der Opposition einlassen. An deren Adresse sagte er lediglich: "Sie wissen doch ganz genau, dass die CSU-Fraktion einen Beschluss gegen die Studiengebühren gefasst hat."
Die von Horst Seehofer noch vor zwei Wochen für die erste Januarhälfte angekündigten Verhandlungen mit der FDP terminierte er auf Ende Januar, nach der Eintragungsfrist für das Volksbegehren also. Vorher könne es zwischen CSU und FDP sowieso keine Einigung geben, rief ihm Piazolo hinterher, denn: "Nachgelagerte Studiengebühren sind auch Gebühren."
Einstweilen lässt das Warten auf das Volksbegehren viel Zeit für Polemik, und die wurde gestern im Landtag, aller Voraussicht nach nicht zum letzten Mal, reichlich genutzt. Piazolo nannte die CSU eine "taumelnde Regierungsfraktion", und für die SPD schob Christoph Rabenstein seine Wortschöpfung "Schlingelkurs" hinterher. Davon ließ er sich auch nicht abbringen von Zwischenrufern, die, sprachlich korrekt, "Schlingerkurs" anmahnten: "Nein, das heißt Schlingelkurs."
Für die Grünen beharrte Margarete Bause darauf, dass die CSU und FDP "einen fatalen Kompromiss" schießen wollen. Die CSU meine zwar plötzlich, dass die von ihr eingeführten Studiengebühren nicht sinnvoll seien: "Aber es soll dann sinnvoll sein, sie später zu zahlen."
Von der hitzig geführten Debatte ließ sich sogar der für die Hochschulen zuständige FDP-Minister Wolfgang Heubisch anstecken, der mit dem Vorwurf einer Schaudebatte ("Alle Argumente sind längst ausgetauscht, das ist nur alter Aufwasch.") für Tumult bei der Opposition sorgte. In seiner Replik auf Zwischenrufe des Chefs der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, schrammte er knapp an einem Fauxpas vorbei: "Jetzt halten's halt amal ... ihren Rand."
Horst Seehofer, später eingetroffen, demonstrierte am Rande der Sitzung Gelassenheit: "Das wird sich auflösen, wie jedes andere Thema auch."