"Unsozial" nennt Markus Söder die Praxis des Bundes. Von einer "unbefriedigenden Situation" spricht das bayerische Sozialministerium. "Von einer "Zweiklassengesellschaft" unter Hartz-IV-Empfängern Susanne K.
Die Rechtsauffassungen kann Susanne K. im Schlaf herunterbeten. Im Kern geht es um die Frage, ob das bayerische Familiengeld eine zusätzliche Form der Existenzsicherung ist. Ja, sagt das Bundsozialministerium. Nein, beharrt die Staatsregierung. So geht das seit September. Jede Seite glaubt das Recht auf ihrer Seite. Susanne K. aber versteht nicht, was das alles mit ihr und ihrer Tochter zu tun haben soll. Der Streit um die Zweckbestimmung des Familiengelds? Lebensfremd. "Das Geld würde meiner Tochter zugutekommen. Wem denn sonst?"
250 Euro mehr im Monat, das würde für Susanne K. kein neues Handy bedeuten und keinen Mutter-Kind-Urlaub. "Aber ich hätte die Gewissheit, am Ende des Monats noch etwas Vernünftiges zum Essen kaufen zu können." Zwischen 150 und 200 Euro bleiben Susanne K. und ihrer Tochter im Monat für Lebensmittel.
Das Konto in den Miesen
Für Susanne K. hat sich die Situation nicht nur nicht verbessert, das Familiengeld hat ihr Leben komplizierter gemacht. Denn ausgezahlt werden Hartz-IV-Leistungen am Ende eines jeden Monats für den Folgemonat. Das Familiengeld dagegen findet Susanne K. erst Mitte eines Monats auf ihrem Konto.
In der Konsequenz steht Susanne K. nun am Monatsanfang eine um 250 Euro gekürzte Summe zur Verfügung: "Gerade da fallen aber die meisten Rechnungen an." Ihr Anteil an der Miete. Die Unfall-, Kranken- und Haftpflichtversicherung. "Mein Konto rutscht jetzt ins Minus, bis das Familienkindergeld kommt", sagt Susanne K. Durch die Zinsen für das überzogene Girokonto stellt das Familiengeld Susanne K. sogar schlechter.
Susanne K. macht sich keine naiven Vorstellungen von Politik: "Ich weiß, dass Söder nicht alles bestimmen kann." Sie weiß, dass Politiker in der Hitze des Wahlkampfs auch mal Dinge sagen, die sie nicht halten können.
"Herr Söder kennt den Fall von Frau K. Aber was soll er machen, wenn sich Berlin querstellt?", sagt ein Sprecher der bayerischen Staatskanzelei. Die Enttäuschung von Susanne K. kann der Sprecher nachvollziehen, ihre Wut auf Söder nicht: "Er tut doch, was er kann."
Damals, als der wahlkämpfende Ministerpräsident Würstchen grillte, drückte ihr seine Büroleiterin eine Visitenkarte in die Hand. Auf die Mail, die Susanne K. daraufhin schrieb, antwortete das bayerische Sozialministerium. "Wir stellen Ihnen anheim, gegen die Anrechnung vorzugehen" - bleierne Sätze wie diesen musste sie lesen. Susanne K. hat Widerspruch eingelegt gegen die Anrechnung. Warten, bis Söder sein Versprechen einlöst, will sie nicht mehr.
Seiner Büroleiterin hat sie jetzt ein zweites Mal geschrieben: "Es ist lachhaft, dass es immer noch keine adäquate Lösung gibt." Alles, was Susanne K. dem Ministerpräsidenten noch sagen will, liegt in diesem Satz.
Konflikt Der Konflikt zwischen dem Freistaat und dem Bundessozialministerium dreht sich um die Frage, ob das Landesfamiliengeld einem anderen Zweck als der Grundsicherung dient. Die bayerische Staatsregierung ist dieser Überzeugung. In ihrem Gesetz bezieht sie sich auf die Erziehungsleistung und einen sich öffnenden "Spielraum für frühe Erziehung und Bildung". Das Bundessozialministerium verneint diese Lesart. Deshalb lässt es das Landesfamiliengeld auf Hartz-IV-Leistungen anrechnen.
Betroffene Laut dem bayerischen Sozialministerium leben acht Prozent der Kinder unter drei Jahren in Familien, die Hartz-IV-Leistungen beziehen.
Verhandlungen "Wir sind im Austausch mit dem Bundessozialministerium", sagt ein Sprecher des bayerischen Sozialministeriums. Aus dem Berliner Ministerium heißt es: "Uns ist daran gelegen, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen nicht auf dem Rücken der Familien ausgetragen werden."