Bis zum Sommer will die Landesregierung geklärt haben, wie die Zukunft der Gymnasien in Bayern aussieht. Schon jetzt aber erteilt Fraktionschef Thomas Kreuzer dem G9 eine Absage.
Zu der Frage, wie sich das bayerische Gymnasium weiterentwickeln soll, gibt es auch innerhalb der CSU zwar reichlich Gesprächsbedarf, aber keine Lösung. Klar scheint indessen, dass es keinen Schnellschuss im Sinne einer neuen und überstürzten Reform geben soll, wie sie die Einführung des G8 vor zehn Jahren war. Ministerpräsident Horst Seehofer, Minister Ludwig Spaenle und die CSU-Landtagsfraktion, so deren Chef Thomas Kreuzer gestern, haben sich darauf verständigt, erst einmal "genau zu prüfen". Dies auch in Gesprächen mit allen Beteiligten einschließlich der Schüler und der Eltern. Kreuzer: "Im nächsten Schuljahr startet nichts, gar nichts."
Thomas Kreuzer ("Wir können doch keinen Feldversuch an der Schule starten") sieht keinen Zeitdruck, will aber das neue Gymnasialkonzept bis zur Sommerpause des Landtags.
Eine komplette Kehrtwende allerdings schloss Kreuzer von vornherein aus: "Die Rückkehr zu
einem reinen G9 macht keinen Sinn." Darauf aber läuft der Vorschlag des Philologenverbands hinaus, den Seehofer noch vergangene Woche als "schlüssig" bezeichnet hatte. Dieses Modell sieht das G9 als Regelfall vor und will lediglich besonders schnellen Schülern die Möglichkeit einräumen, das Abitur in acht Jahren zu erreichen.
40 Prozent am Gymnasium Kreuzer verwies gestern darauf, dass mittlerweile im bayerischen Durchschnitt rund 40 Prozent eines Schülerjahrgangs an das Gymnasium wechseln. Damit sei dort die Schülerschaft "heterogener" geworden. Dennoch sei "ganz ohne Zweifel klar, dass die Mehrzahl der Schüler keine Schwierigkeiten hat mit dem G8". Die Wiederholerquote ist gesunken, und rund ein Drittel der Gymnasiasten legt das Abitur mit einem Notendurchschnitt von eins und zwei ab.
"Andererseits sehen wir aber," so Kreuzer, "dass ein Teil der Schüler mehr Zeit
bräuchte." Klar ist für Kreuzer, dass Schüler, Lehrer und Eltern nicht mehr auf die Möglichkeiten der Intensivierung und Förderung verzichten wollen, die das G8 mittlerweile bringt. Sie allein aber lösen das Problem nicht.
Dies gilt auch für Minister Spaenles "Flexi-Jahr", das den Schülern ein freiwilliges, zusätzliches Jahr in der gymnasialen Mittelstufe bietet. "Das Flexi-Jahr hat die Debatte nicht beendet," befand Seehofer schon letzte Woche, und auch Kreuzer sagte gestern: "Das Flexi-Jahr wird nicht angenommen."
Dennoch ist abzusehen, dass die Lösung für ein Gymnasium, "das in zwei Geschwindigkeiten zum gleichen Abschluss führt", in der Mittelstufe gesucht wird.
Auf keinen Fall soll sie aber in der Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 liegen, wie sie im Volksbegehren der Freien Wähler propagiert wird.
Mit denen ging Kreuzer gestern harsch um: "Vollkommen untauglich", nannte er die Initiative, denn "da geht es nicht um Schüler, sondern um politische Agitation". Kreuzer: "Ich kritisiere dieses Verhalten außerordentlich."
In Wahrheit, so Kreuzer, bringt das Volksbegehren keine Wahlfreiheit: "Es müsste dann im jeweiligen Schulforum eine Entscheidung zwischen G8 und G9 getroffen werden, die für alle verbindlich ist. Wer damit nicht einverstanden ist, der muss die Schule wechseln."
Dies sei besonders problematisch für kleine Gymnasien im ländlichen Raum: "Wenn dort die Entscheidung für eine Schulform gefallen ist, und die Anderen gehen weg, dann schwächt das diesen Standort zusätzlich."
Generell gelte: "Parallelstrukturen verschwenden Geld und Fördermöglichkeiten.
Dies bedeutet, dass dann im Endeffekt Intensivierungsstunden einfach wieder wegfallen."
Nicht unter Druck, sagt die CSU Die CSU lasse sich nicht unter Druck setzen vom Volksbegehren der Freien Wähler, versicherte Kreuzer. Ihr Konzept für das Gymnasium werde auf jeden Fall erarbeitet: "Wir werden das zu Ende führen. Auch, wenn das Volksbegehren scheitert. Da ändert sich für uns nichts."
Den Vorwurf der politischen Agitation wies Michael Piazolo, bildungspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag, gestern umgehend zurück: "Kreuzer versucht mit seinen unqualifizierten Angriffen auf uns nur, vom G8/G9-Streit innerhalb der eigenen Fraktion abzulenken."
Kommentar Der Ansturm auf das Abitur
In einem zumindest ist sich der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, einig mit seinem
Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Horst Seehofer: Die Flexi-Jahr genannte Wunderwaffe ihres Ministers Ludwig Spaenle hat die Probleme des G8 nicht gelöst.
Das war's dann aber auch schon. Ansonsten hoffen sie zu dritt auf ein gemeinsames Konzept. Das wird einstweilen ersetzt durch heftige Kritik am Volksbegehren der Freien Wähler, die Wahlfreiheit fordern zwischen G8 und G9.
Angeblich, denn faktisch wollen die Freien Wähler die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium.
Die immerhin lehnt Kreuzer ab - und sorgt so für Erleichterung in den eigenen Reihen: Die Fraktion befürchtete schon einen neuen Salto rückwärts, wie ihn Seehofer befahl zur Abschaffung der Studiengebühren - ebenfalls bei einem Volksbegehren der Freien Wähler.
Ansonsten ist klar, dass nichts klar ist.
Noch weiß keiner in der CSU, wie die Zukunft aussehen soll eines wie auch immer verbesserten G8.
Hierzu ein Zwischenruf: Das Kernproblem des Gymnasiums liegt nicht in der Zahl seiner Jahre, sondern in der seiner Schüler. Grob gesagt: Der Ansturm auf das Abitur ist größer als die Befähigung dazu.
Das kann keine Reform zu allseitiger Zufriedenheit lösen, auch nicht die der CSU.