Deutschland
Energiekrise

Ist die Abschaltung des Warmwassers rechtswidrig? Das sind die Vorgaben

Vermietende haben Angst, dass die Mieter*innen ihr warmes Wasser und die Heizkosten nicht mehr bezahlen können und sie deshalb auf ihren Rechnungen sitzenbleiben. Jetzt prüfen sie, wie sie aus der Klemme herauskommen.
Der Wohnungsgigant Vonovia steht in der Kritik.
Der Wohnungsgigant Vonovia steht in der Kritik. Foto: Vonovia-Presse
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  • Wohnungsunternehmen verunsichern Mieter*innen
  • Bundesnetzagentur will Heizvorgaben des Staates
  • Geringe Wassertemperatur ist ein Mangel
  • Die Wohnungstemperatur: Das sind die Vorgaben
  • Kein heißes Wasser: Mietminderung zwischen 3,5 bis 10 Prozent

Ein*e Vermieter*in rationiert Warmwasser und ein*e andere*r drosselt die Heizung in der Nacht. Der Deutsche Mieterbund spricht von einem "völlig falschen Weg", wenn Wohnungsgenossenschaften ihren Mieter*innen kurzerhand Heizung und Warmwasser abdrehen. Doch ist das überhaupt erlaubt? Was dürfen Vermieter*innen und welche Rechte haben Mieter*innen. inFranken erklärte die Hintergründe.

Wohnungsunternehmen verunsichern Mietende

Große Aufregung bei deutschen Mieter*innen: Erste Wohnungsgesellschaften (WG) rationieren Wärme und heißes Wasser. Der Wohnungskonzern Vonovia, Deutschlands größter Immobilienkonzern, will die Heizungstemperatur nachts in seinen 600.000 Wohnungen absenken.  Das Unternehmen plant so zur Verringerung des Gasverbrauchs beizutragen, das berichtet der Berliner Tagesspiegel. Die Wärme-Bereitstellung soll sinken und sich zwischen 23 und 6 Uhr auf 17 Grad Raumtemperatur reduzieren, teilte das Unternehmen in Bochum mit. Die Umstellung solle bei einer Routinewartung vor Beginn der Heizperiode erfolgen.

Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Sachsen: Die kleine Genossenschaft mit 600 Wohnungen hat entschieden, warmes Wasser nur noch zu den Hauptzeiten morgens, mittags und abends zur Verfügung zu stellen und dies mit den gestiegenen Energiepreisen begründet. Ein Aushang im Eingangsbereich eines der Genossenschaftshäuser informiert über die Heiz- und Warmwasserzeiten. Das klingt ein wenig nach Nachkriegszeit, ist in Sachsen aber nun Realität. Warmes Wasser gibt es dort nur noch zwischen 4 und 8 Uhr, zwischen 11 und 13 Uhr und zwischen 17 und 21 Uhr.

Falk Kühn-Meisegeier, Vorstand der WG Dippoldiswalde, rechnet nicht mit einer Klagewelle der Mietenden. "Die Leute sind schon viel weiter als die Politik in Berlin", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Mietenden seien vorher über den Schritt informiert worden und hätten großes Verständnis signalisiert. Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund (DMB) erklärt in der Augsburger Allgemeinen, ein Aushang mit Warmwasserzeiten sei nicht mit dem Mietrecht vereinbar. "Das wäre nur bei ausdrücklichem Einverständnis aller Parteien möglich", sagt sie der Redaktion. "Ein Aushang im Flur oder eine Information durch den Vermieter reichen dafür nicht aus."

Bundesnetzagentur will Heizvorgaben des Staates

Die Entscheidungen der Wohnung-Gesellschaften lösten eine heftige Debatte aus. Selbst Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD schaltete sich ein. "Einfach das Warmwasser zeitweise abzustellen, ist rechtswidrig", sagte Geywitz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das berichtet tagesschau.de

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, schlug sich auf die Seite der WG und spricht sich für eine Absenkung der Mindesttemperatur bei den Wohnungstemperaturen aus, um Gas zu sparen.

"Im Mietrecht gibt es Vorgaben, wonach der Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode so einstellen muss, dass eine Mindesttemperatur zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht wird. Der Staat könnte die Heizvorgaben für Vermieter zeitweise senken. Darüber diskutieren wir mit der Politik", sagte Müller der Düsseldorfer Rheinischen Post.

Geringe Wassertemperatur ist ein Mangel

Der Deutsche Mieterbund weist darauf hin, dass fehlendes warmes Wasser ein Grund für eine gekürzte Miete sei. Die Vermietenden müssen die zentrale Warmwasserversorgung des Mietshauses das ganze Jahr, 24 Stunden am Tag, mit einer Mindesttemperatur von 40 bis 50 Grad Celsius zur Verfügung zu stellen. Wassertemperaturen von weniger als 40 Grad Celsius seien ein Wohnungsmangel. Die Mieter*innen haben Anspruch auf Abhilfe.

Das bestätigt Anne Keilholz, Vorständin des Kölner Wohnungsbauunternehmens GAG Immobilien AG, im Interview mit n-tv: "Derzeit gibt es nicht den rechtlichen Rahmen, der Vorgaben oder Beschränkungen ermöglicht."

Es lohnt sich also in der hitzig geführten Debatte ein Blick in das Mietrecht: Welche Regeln gelten bei der Heizung und für Wassertemperaturen?

Die Heizperiode geht von Oktober bis April

Bei einer Zentralheizung ist man zunächst einmal darauf angewiesen, dass die Vermietenden die Heizung im Herbst pünktlich anstellen. Wann dies geschehen muss, ist gesetzlich nicht geregelt.

In der Rechtsprechung wird meist der Zeitraum von 1. Oktober bis 30. April als Heizperiode angesehen, so etwa vom Landgericht (LG) Osnabrück in einem Urteil aus dem Jahr 2018 (Urteil vom 11.7.2018, Az.: 1 S 317/17). Oftmals sind im Mietvertrag entsprechende Betriebszeiten der Heizanlage benannt. Andersherum gibt es auch keinen genau definierten Zeitraum, in dem Mietende zwingend den Heizkörper aufdrehen müssen.

Bei welchen Außentemperaturen es sich empfiehlt, die Heizung einzuschalten, hängt auch vom energetischen Zustand des Gebäudes ab: Ein gut isoliertes Gebäude muss deutlich weniger und in der Regel später beheizt werden als ein nicht isolierter Altbau.

Die Wohnungstemperatur: Das sind die Vorgaben

Vermieter*innen müssen sicherstellen, dass die Heizung funktioniert und eine bestimmte Raumtemperatur in der Mietwohnung entsteht. Gesetzlich sind diese Werte nicht vorgegeben. Es gibt aber Urteile im Mietrecht zur Heizung und zur Wohnungstemperatur, die sich mit dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache begründen. Die ist in § 535 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) festgeschrieben.

So hat beispielsweise das Landgericht (LG) Berlin bereits 1998 entschieden, dass in der Zeit zwischen 06:00 und 23:00 Uhr in der Wohnung mindestens eine Temperatur von 20 Grad Celsius angeboten sein muss (LG Berlin, 26.05.1998, Az.: 64 S 266/97). Das Urteil folgt den Festlegungen der Norm DIN 4701 (Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden).

Das Urteil und die DIN-Norm bestimmen, dass eine Heizung in einer Mietwohnung während der Heizperiode folgende Temperaturen absichern muss:

  • Die Temperatur im Wohnzimmer sollte durchschnittlich bei 20 Grad Celsius liegen.
  • Im Schlafzimmer sind 16 bis 17 Grad Celsius für einen gesunden Schlaf genug.
  • Die Temperatur im Kinderzimmer sollte durchschnittlich bei 20 Grad Celsius liegen.
  • Das Badezimmer sollte mit 22 Grad Celsius gut temperiert sein. Darunter ist die Erkältungsgefahr höher.
  • In der Küche sind 18 Grad Celsius ausreichend, da beim Kochen zusätzlich Wärme entsteht.

Nachtabsenkung der Temperatur bis 18 Grad ist erlaubt

Eine Nachtabsenkung der Heizung ist durchaus erlaubt. Dies bestätigte das Amtsgericht (AG) Köln im (Urteil vom 5.7.2016, Az.: 205 C 36/16). Eine gesetzliche Regelung zur Nachtabsenkung der Heizung gibt es aber nicht. Nachts zwischen 24:00 und 06:00 Uhr können Vermietende die Temperatur jedoch auf 18 Grad absenken. Ist es kälter, können Mieter*innen ihre Miete mindern (Landgericht (LG) Wuppertal vom 4.4.2012, Az.:  16 S 46/10). Die von Vonovia geplante Absenkung auf 17 Grad lässt sich also mit der Entscheidung des LG nicht vereinbaren.

Die Heizpflicht der Vermietenden beschränkt sich nicht nur auf die Wintermonate, vielmehr müssen sie die Wohnung stets so heizen, dass die Mieter*innen die Wohnung vertragsgemäß nutzen können. Dies soll in den Sommermonaten jedoch nur dann gelten, wenn die Innentemperatur der Wohnräume auf 17 Grad Celsius sinkt und in den kommenden ein bis zwei Tagen nicht mit dem Sollwert von 21 Grad Celsius zu rechnen ist.

Und was ist, wenn der Mietvertrag alles anders regelt? Das ist möglich, aber Klauseln, die vorschreiben, dass beispielsweise auch tagsüber 18 Grad Celsius ausreichend sind, haben keine Gültigkeit. Ebenfalls nicht zulässig ist, wenn bestimmt ist, dass die Heizung nachts komplett aus ist. Die Rechtsprechung legt hier fest, dass während der Heizperiode die Heizung nachts funktionieren muss.

Mietminderung bei zu kalter Wohnung

Kürzungen des Mietzinses stehen Mieter*innen zu, wenn die Wohnung zu kalt ist. Drei Entscheidungen dazu:

  • Ein*e Vermieter*in muss dafür sorgen, dass ein*e Mieter*in von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr die Wohnung mit einer Mindesttemperatur von 20 Grad beheizen kann. Die Mieter*innen dürfen bei unzureichender Beheizung der Wohnung die Miete um 20 Prozent mindern. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts (AG) Bad Segeberg hervor (Urteil vom 29.9.1976, Az.: 12 C 35/76).
  • Das Amtsgericht (AG) Neukölln entschied, dass eine Raumtemperatur von maximal 15 Grad eine Mietminderung um 25 Prozent rechtfertigt. Schließlich sei eine warme Wohnung ein "wertbildendes" Merkmal einer Mietwohnung (Urteil vom 17.5.1985, Az.: 10 C 557/84).
  • Wenn die Wohnung wegen unzureichender Heizung oder schlechter Isolierung sich nur bis ca. 15 Grad (und nie mehr als 18 Grad) aufheizt, können Mieter*innen die Miete um 30 Prozent der Bruttomiete oder 25 Prozent der Nettomiete kürzen. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts (LG) München I hervor (Urteil vom 25.5.1984, Az.: 20 S 3739/84).

Kein heißes Wasser: Mietminderung zwischen 3,5 bis 10 Prozent

Neben der warmen Wohnung ist heißes Wasser wichtig. Ein*e Vermieter*in muss ganzjährig Warmwasser in ausreichenden Mengen und in üblicher Temperatur zur Verfügung stellen. Übliche Temperatur? Heißt, mit einer Mindesttemperatur von 45 Grad Celsius. 

Diese Pflicht besteht sowohl zur Tages-, als auch zur Nachtzeit. Kommen die Vermieter*innen dem nicht nach, haben die Mietenden einen Anspruch auf Mietminderung. In diesem Fall dürfen die Mieter*innen einen angemessenen Teil der Monatsmiete zurückbehalten. Voraussetzung dafür ist aber, dass er oder sie die Vermieter*innen (schriftlich) dazu auffordert, ihren Pflichten nachzukommen. Aber was ist eine angemessene Mietminderung? Ist das Wasser nicht ausreichend heiß, erkennen Gerichte für diese Mängel Mietminderungen zwischen 3,5 und 10 Prozent an - es kommt für die Höhe aber immer auf den Einzelfall an.

So hat das AG Köln (Urteil vom 24.4.1995, Az.: 206 C251/94) entschieden, dass bei einem Warmwasserausfall in der Zeit von 22:00 bis 07:00 Uhr eine Minderung von 7,5 Prozent angemessen ist. Das Landgericht (LG) Berlin (Urteil vom 4.6.1993, Az.: 64 T 69/93) sagt: Der Ausfall des Warmwassers führt zu einer Miet­minderung von 10 Prozent. In diesem Fall war zusätzlich noch die Heizung ausgefallen. Das Gericht hielt dafür zusätzlich eine weitere Mietminderung in Höhe von 40 Prozent für gerechtfertigt.

Fazit

Die Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter*innen sind in Not: Sie befürchten Ausnahmeausfälle bei den Nebenkosten, genauer gesagt bei den Aufwendungen für Energie. Deshalb suchen sie nach unkonventionellen Lösungen. Den Rahmen setzt das bestehende Mietrecht, das müssen alle Beteiligten beachten.