Immer mehr Haushalte setzen auf Balkonkraftwerke. Der Bundesregierung gefällt das und räumt jetzt letzte bürokratische Hürden weg. Der Strom vom Balkon ist Teil der Photovoltaik-Strategie, obwohl ihr Beitrag zur Energiewende noch bescheiden ist.
Der prognostizierte Boom bei den Balkonkraftwerken (BKW) läuft mit voller Wucht. Und das schon vor den geplanten Vereinfachungen. Der Bestand der Mini-Solaranlagen hat sich seit Jahresbeginn 2023 verdoppelt. Das reicht der Bundesregierung aber noch nicht. Sie will mit neuen Regeln (Stichwort: Bürokratieabbau) für noch mehr Schub sorgen. Wir informieren über die geplanten Veränderungen und Vereinfachungen.
Neue Förderung in zwei Bundesländern
Schon 300.000 Balkonkraftwerke in Betrieb
Die Zahl der sogenannten Balkonkraftwerke (BKW) hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht, das Statista regelmäßig auswertet. Aktuell zeigt die Datensammlung aller PV-Betreiber rund 300.000 "steckerfertige Erzeugungsanlagen" – so der offizielle Name. Gegenüber dem Stand von Dezember 2022 ist das ein Plus von rund 200.000 Anlagen. BKW bestehen üblicherweise aus ein oder zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter, plus Kabel und Stecker. Der Wechselrichter wandelt den Solarstrom in Haushaltsstrom um, der über die Steckdose ins Stromnetz fließt. Mit dem Strom lassen sich dann verschieden Haushaltsgeräte betreiben: Toaster, Kühlschrank oder Kaffeemaschine. Sie alle bedienen sich zuerst aus der lokalen Quelle, bevor sie am regulären Netzstrom ziehen.
In Deutschland sind die im Marktstammdatenregister registrierten Anlagen regional sehr unterschiedlich verteilt. Besonders beliebt sind BKW im Norden Deutschlands. In Mecklenburg-Vorpommern kommen auf 1.000 Einwohner fünf Anlagen, in Schleswig-Holstein sind es 4,2 und in Niedersachsen 3,8. Der Süden mit Bayern und Baden-Württemberg liegt dagegen unter dem deutschen Durchschnitt von 2,7. Durch Förderung der BKW wollen Sachsen und Berlin ihre Defizite schließen. So bietet die Sächsische Aufbaubank seit Juni 2023 ein neues Förderprogramm. Es gibt einen Festbetragszuschuss von 300 Euro für die Anschaffung und Installation/Inbetriebnahme einer steckerfertigen netzgekoppelten Stecker-PV-Anlage (BKW) mit Wechselrichter mit einer Mindestleistung von 300 Wp (Leistung der PV-Module). Damit bekommst du das priBasic Duo von priwatt* für nur 99 Euro - und hast damit schon deine Grundausstattung zum Start in die eigene Solarstromproduktion.
Seit Februar 2023 können Mietende in Berlin eine Förderung von bis zu 500 Euro für den Erwerb eines BKW erhalten. Das ist durch die Erweiterung des SolarPLUS Förderprogramms der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe um das Modul für Steckersolargeräte möglich. Für die Förderung stehen insgesamt sieben Mio. Euro zur Verfügung. Es wird mit 14.000 Anträgen gerechnet. Das Programm wickelt die Investitionsbank Berlin ab.
Was ändert sich durch die neue Ampel-Strategie jetzt für Betreiber von BKW? Die Ampelkoalition hat Mitte August 2023 das"Solarpaket I"beschlossen, das unter anderem die Bedingungen für den Betrieb von BKW attraktiver machen soll. Künftig ist es noch einfacher, mit wenigen Solarmodulen Strom selbst zu erzeugen. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr den Bundestag passieren und könnte dann ab dem 1. Januar 2024 greifen. Doch was genau ändert sich beim Betrieb von BKW? Konkret sind es vier Punkte.
Geplant sind Änderungen bei der Anmeldung
Wer bislang ein BKW betreibt, musste dies beim regionalen Netzbetreiber (Stadtwerke etc.) anmelden. Diese Pflicht entfällt zukünftig. Übrig bleibt nur die Registrierung beim Marktstammdatenregister, das alle Anlagen in Deutschland zur Strom- und Gaserzeugung erfasst. Das ist online möglich. Das ist für alle BKW-Interessierten sehr praktisch.
Der Bürokratieabbau hat aber auch seine Probleme, wie Uwe Brandl, Bürgermeister von Abendsberg und Präsident des Bayerischen Gemeindetags, kürzlich nach einem Gespräch mit Energieexperten feststellte. Denn: Die Energiewende drohe in den Regionen zu scheitern, weil der Ausbau der Stromnetze nicht schnell genug vorangeht. Die Stromnetze sind seiner Ansicht nach das Nadelöhr der Energiewende. Zwar gibt es seit 2022 ein verschlanktes Genehmigungsverfahren für neue und bestätigte überregionale Projekte. In den Regionen vor Ort tobt aber der "Häuserkampf" um zusätzliche Netze weiter. Uwe Brandl meint, der Netzausbau müsse mit dem Zubau von PV-Anlagen (dazu zählen auch BKW) unbedingt Schritt halten. Dazu gehören Informationen, wie viele neue PV-Anlagen in der Region dazukommen. Mit der Abschaffung der Meldepflicht bei den regionalen Netzbetreibern wird das jetzt komplizierter. Der Präsident fasst die Lage zusammen, wenn er feststellt: "Der Verteilnetzausbau ist das Nadelöhr der Energiewende."
Leistungsgrenze steigt auf 800 Watt Peak (Wp)
Hemmnis Zählertausch
Der bislang vorgeschriebene und notwendige Zählertausch wird hinausgezögert. Weil in vielen Haushalten noch analoge Stromzähler mit Drehscheibe (Ferraris-Zähler) in Betrieb sind, waren diese bislang beim Betrieb eines BKW durch digitale Zähler zu ersetzen. Negativer Effekt für dich als Betreiber*in des BKW: Nicht selbst genutzter Strom fließt zwar ins Netz, aber ohne Vergütung. Nun dürfen die alten analogen Zähler noch bis zur digitalen Umstellung ihren Dienst tun. Vorteil: Der Ferraris-Zähler dreht bei der Stromeinspeisung rückwärts, was deine Stromrechnung reduziert. Bisher war das verboten. Netzbetreiber haben jetzt laut Gesetz vier Monate Zeit, um den Stromzähler zu wechseln. Ob sie das schaffen, bleibt abzuwarten.
Wenn du wissen willst, wie viel Strom dein BKW produziert, kannst du dir im Baumarkt für rund 20 bis 40 Euro einen Stromzähler für die Steckdose kaufen. Dieser ersetzt allerdings nicht den amtlichen Zähler. Laut Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) produziert ein einzelnes Modul mit einer Leistung von 300 Watt, das senkrecht an einem Süd-Balkon angebracht ist, im Jahr knapp 200 Kilowattstunden Strom. Ein 600-Watt-BKW schafft etwa 400 Kilowattstunden Strom jährlich. Im Vergleich: Ein Kühlschrank mit Gefrierfach verbraucht je nach Fassungsvermögen zwischen 130 und 230 Kilowattstunden jährlich. Für Betreiber von Mini-Solaranlagen ist es sinnvoll, den Strom zu verbrauchen, während die Sonneneinstrahlung stark ist. Das lässt sich über Zeitschaltungen realisieren.
Wichtigste Neuerung: die Leistungsgrenze der BKW steigt
Das ist die wohl wichtigste Änderung, auf die viele BKW-Fans schon sehnsüchtig gewartet haben. Die Leistungsgrenze von bisher 600 Watt Peak (Wp) erhöht sich auf 800 Wp. Das macht für dich den Betrieb lukrativer. Ein Solarmodul verfügt üblicherweise über eine Nennleistung von 300 oder 350 Wp. Wer zwei Module mit je 350 Wp verwendet, könnte bei idealer Sonneneinstrahlung also maximal 700 W Strom erzeugen. Wäre da nicht die Begrenzung auf 600 Wp durch den Wechselrichter, der aus dem gewonnenen Gleichstrom Wechselstrom macht. Ab Januar können die Wechselrichter dann 800 Wp durchlassen.
Der haushaltsübliche Schukostecker, über den die Anlage mit dem hauseigenen Stromnetz verbunden ist, soll zukünftig die Norm sein. Bislang hatten viele Netzbetreiber diesen "normalen" Stecker für nicht zulässig erklärt. Welcher Stecker genutzt werden darf, regelt das Gesetz im Übrigen nicht. Zu diesem Punkt soll der VDE eine Empfehlung geben. Zuletzt hatte sich dieser für Schukostecker ausgesprochen. Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW in Berlin, ist von der Sicherheit der Stecker überzeugt. Der Experte für regenerative Energien bedauerte im Handelsblatt, dass einige Versorger den Eindruck erwecken, sogenannte Wieland-Stecker seien für das BKW vorgeschrieben. Laut Quaschning ist das aber eine Fehlinformation: "Verbraucher sollten sich davon nicht abschrecken lassen." Hintergrund: Nur Elektrobetriebe dürfen Wieland-Steckdosen installieren. Die Kosten dafür können die Rentabilität des Heimprojekts BKW deutlich senken.
Die VDE-Norm für BKW schreibt bislang vor, dass die Mini-Solaranlagen grundsätzlich nur mit speziellen Energiesteckvorrichtungen (nach DIN VDE V 0628-1) an den Endstromkreis angeschlossen sein dürfen. Zwar ist der VDE bereit, seine Norm entsprechend anzupassen, geschehen ist das bislang aber noch nicht. Stattdessen fordert der VDE die Hersteller von Mini-Solaranlagen auf, die Käufer von Paneelen besser über Risiken zu informieren. Außerdem soll ein neuer Fehlerschutzkontaktschalter dafür sorgen, dass Balkonkraftwerke sicher vom Hausnetz zu trennen sind. Dieser wäre dann wohl Teil des Wechselrichters und nichts, was du als Verbraucher installieren musst.
Vermieter oder Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) sollen zukünftig BKW nicht mehr aufhalten können. Laut Referentenentwurf des Justizministeriums wird Mietern und Wohnungseigentümern die Installation erleichtert, indem sie einen gesetzlichen Anspruch auf das Anbringen der Geräte geltend machen können. Die Notwendigkeit, einen Antrag auf Installation beim Vermieter oder der Eigentümerversammlung zu begründen, könnte damit entfallen. Dass es Ärger zwischen Vermieter und Mieter geben kann, zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart (AG vom 30.3.2021, Az.: 37 C 2283/20). Die Richter haben eine Klage abgewiesen, in der eine Vermieterin die Entfernung der Balkon-Solarmodule ihres Mieters forderte. Das Gericht urteilte: Mini-Solaranlagen, die fachmännisch und baurechtlich korrekt installiert und kein Sicherheitsrisiko oder eine optische Störung darstellen, sind von Vermietern nicht zu beanstanden.
BKW-Anteil an der Energiewende noch klein
Trotz des starken Wachstums spielen die BKW aber noch keine allzu große Rolle bei der Stromerzeugung. Auch wenn circa11 % des Strombedarfs (2022)in Deutschland durch PV-Anlagen abgedeckt ist, ist der Anteil der BKW daran gering. Sie kommen laut Bundesnetzagentur auf eine Gesamtleistung von 170 Megawatt und dürften im Jahr maximal 170 Gigawattstunden erzeugen. Das wären 0,3 % des deutschen Stromverbrauchs, zitiert zdf-heute eine dpa-Meldung.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) erwartet, dass der Anteil, den Steckersolargeräte zur Deckung des Strombedarfs in Deutschland liefern, auch absehbar vergleichsweise gering bleibt.
Doch die Geräte ermöglichten vielen Menschen eine aktive Mitwirkung und Teilhabe an der Energiewende "und erhöhen so auch die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien", betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW, im Berliner Tagesspiegel. Körnig, begrüßte die Vereinfachungen, sprach zugleich aber von entsprechendem Handlungsbedarf für die größeren Dach- und andere PV-Anlagen.
Fazit: Teil der Energiewende zu sein, fühlt sich gut an
Der Markt hat die BKW in einem unerwarteten Umfang angenommen. BKW gibt es schon ab 600 Euro, die Mehrwertsteuer ist auf 0 gesetzt und viele Bundesländer fördern die Anlagen zusätzlich. Vollständig stromautark wirst du mit BKW nicht. Trotzdem lohnt es sich, um zumindest den Verbrauch der Stand-by-Geräte und beim Kühlschrank zu decken. Außerdem: Mit dem BKW bist du aktiver Teil der Energiewende und das fühlt sich richtig gut an.
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