Harald Lesch über Coronavirus: "Ich habe Angst, dass wir die Kontrolle verlieren" - ZDF-Professor in großer Sorge

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Harald Lesch befürchtet eine zweite Infektions-Welle. Archivfoto: Carolin Herrmann
Harald Lesch im Kongresshaus Coburg. Carolin Herrmann
Carolin Herrmann

ZDF-Professor Harald Lesch äußert Bedenken zum Umgang mit dem Coronavirus. Der Physiker zeigt sich besorgt über das teils rücksichtslose Verhalten in der Gesellschaft. Doch er thematisiert nicht nur die Coronakrise - auch zur aktuellen Klimadebatte findet er deutliche Worte.

Als das Coronavirus zu Beginn des Jahres 2020 weltweit ausbrach, gerieten viele Menschen in Panik. In unzähligen Ländern wurden drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens durchgeführt, so auch in Deutschland. Anfang Juli 2020 hat sich die Situation etwas entschärft - zumindest was das gesellschaftliche Leben angeht. Dank immer mehr Corona-Lockerungen ist mittlerweile wieder Vieles in Bayern erlaubt.

Doch obwohl Maßnahmen, wie die Maskenpflicht, bestehen bleiben, scheint das Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit der Lage zumindest in Teilen der Gesellschaft deutlich gesunken zu sein. ZDF-Professor Harald Lesch zeigt sich deshalb sehr beunruhigt bezüglich einer zweiten Infektions-Welle. Im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau äußert er seine Ansichten zur Corona-Krise und der Klimadebatte.

Harald Lesch: "Habe Angst, dass wir Kontrolle über Virus verlieren"

"Wir sind alle wieder viel mehr in unserem Alltag und versuchen, in dieser Mixtur aus Verboten und Lockerungen den Kopf über Wasser zu halten", beschreibt Professor Harald Lesch im teleschau-Interview die Schwierigkeit, das Coronavirus weiterhin als ernsthaftes Problem zu betrachten.

Einige Entwicklungen bereiten ihm tiefe Sorgen: Dazu zählt er etwa den Tönnies-Skandal, denn durch solche Eskapaden komme wieder "die Angst, dass wir die Kontrolle über dieses hochansteckende Virus verlieren." Es sei daher logisch sich zu fragen, wann es wieder so weit sei, dass viele Neuinfizierungen an der Tagesordnung stehen.

Eine Teilschuld an diesem Sinneswandel schreibt der Astrophysiker und ZDF-Experte mehrerer Wissenssendungen den Kollegen der Geisteswissenschaften zu. Es löse in ihm ein unwohles Gefühl aus, wenn in verschiedenen Publikationen gefordert werde, die Wissenschaft solle sich allein dem Zweck der Forschung verschreiben und sich ansonsten ruhig verhalten. Lesch habe den Eindruck erlangt, "dass da manche aus Sozial- und Geisteswissenschaften versuchen, endlich wieder die Deutungshoheit über die Welt zu erlangen. Schließlich mussten sie sich drei Monate dem Diktat der Fakten beugen und sich von den Naturwissenschaften anhören, wie die Welt funktioniert", so Lesch. "Angesichts der Gefahr der zweiten Welle halte ich solche Diskussionen für verfrüht", führt er weiter aus. 

Erkenntnisse der Klimaforschung sprechen eindeutige Sprache 

Ebenso kritisch sieht der Professor das Aufkommen von Verschwörungstheorien rund um Covid-19, aber auch in anderen Feldern wissenschaftlicher Forschung. Problematisch sei hierbei die Gewichtung, erklärt Lesch und verdeutlicht das an einem Beispiel zur Klimadebatte. US-Late-Night-Talker John Oliver habe in seiner Sendung einmal aufgezeigt, wie eine solche Klimawandel-Diskussion häufig ablaufe. Zumeist würden sich ein Klimawandel-Skeptiker und ein Experte gegenüber sitzen - doch im Idealfall sollten sich 97 Klimaforscher und drei Skeptiker gegenüber sitzen.

Die Erkenntnisse der Klimaforschung könne heutzutage niemand mehr ernsthaft anzweifeln, zu groß sei die Beweislage. "Das kann man sich von Bauern, Winzern oder Waldexperten vor Ort erklären lassen, sogar von der Tourismusindustrie. Die können Ihnen sagen, wie sich die Welt in den letzten 30 Jahren verändert hat", führt Lesch seine Erklärungen gegenüber der teleschau fort.

Er ergänzt, "dass bei uns in Deutschland eine übergroße Mehrheit mit den wissenschaftlichen Ergebnissen übereinstimmt." Daher gehe der Astrophysiker davon aus, dass man in Deutschland parteiübergreifend von einer nachhaltigen Energie- und Klimapolitik überzeugt sei.

Harald Lesch: Großes Potenzial im Ausbau erneuerbarer Energien 

Vor allem im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien gehe es nun darum, wissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Notwendigkeiten in Einklang zu bringen. Wie das genau aussehen könnte, beschreibt der ZDF-Professor so: "Im ländlichen Umland stehen die Windräder, Fotovoltaik- und Biogasanlagen, sie sind die Energiequellen der großen Städte und Ballungsräume. Wie wäre es, wenn wir zwischen Stadt und Land einen Energiefinanzausgleich hätten? Das wäre finanziell für die Landkreise interessant, zugleich würde es gewürdigt, dass die Landkreise das auf sich nehmen. Wer weiß, was da alles möglich wäre, wenn genügend Geld flösse?"

Möglicherweise könne so die Lücke zwischen Arm und Reich geschlossen werden - unter Berücksichtigung ökologischer Vernunft.

ml