Durch die Massen an Kleidung entsteht viel Müll. Wie wirkt sich denn die Fast-Fashion-Industrie auf die Umwelt aus?
"Die Fast-Fashion-Industrie wirkt sich in zweierlei Arten und Weisen auf die Umwelt aus. Einmal muss man das in der vorgelagerten Lieferkette sehen, denn die ganzen Färbemittel und Chemikalien oder Behandlungsmethoden für die Kleidung sind auch umweltschädigend. Das andere ist, am Ende von der Lieferkette, also wenn Kleidung weggeworfen wird. Und es ist nun mal leider so, dass im Schnitt ein T-Shirt nur elf Monate lang getragen wird. Wir haben einen unheimlich schnellen Umschlag, das hat sich leider in den letzten Jahrzehnten verschlechtert. Früher wurden Kleidungsstücke länger getragen. Durch die Dumping-Preise hat sich die Zeit verkürzt und es entstehen auch immer mehr Kleidungsstücke, die auch noch eine schlechtere Qualität haben. Aus Polyester besteht bereits über 50 Prozent all unserer Kleidung und davon ist der Grundstoff nun einmal Erdöl.
Unsere Kleidung besteht aus Polyester - der Grundstoff dessen: Erdöl
Polyester baut sich in der Umwelt nicht so gut ab. Es entstehen dann immer größere Kleidungsmüllberge, das ist die nachgelagerte Lieferkette, die auch durch die Chemikalien belastet sind. Das schadet der Umwelt. Aber auch die schiere Menge, die anfällt, beeinflusst unsere Umwelt, weil wir diese Kleidungsstücke kaum verwerten. Nicht gebrauchte Kleidung wird zum großen Teil gespendet, aber die Stücke haben so eine schlechte Qualität, dass die gar nicht so gut weiterverwendet werden können. Es gab jetzt auch schon Länder, die unsere Sachen wieder zurück verschifft haben. Am besten wäre es - auch wenn sich das drastisch anhört - jegliche Kleidungsstücke, die als Müll anfallen, in einer Müllverbrennungsanlage zu verfeuern, um daraus Energie zu gewinnen. Das ist meines Erachtens viel besser, als die Kleidungsstücke in andere Länder zu bringen, die mit der Kleidung nichts anfangen können. Es ist zum einen eine Ressourcenverschwendung und zum anderen wird die Kleidung auch dort nicht getragen, wird also nicht genutzt."
Momentan werden enorm viele Kleiderspenden wegen des Krieges für die Ukraine abgegeben, ist das demnach Ihrer Meinung nach sinnvoll?
Das ist ja eine andere Situation, Kleiderspenden in Kriegsregionen zu entsenden. Bei einer Kleiderspende in eine Kriegsregion spricht nichts dagegen, zielgerichtete Kleiderspenden, die vor Ort benötigt werden, zu tätigen. Dort ist ja die eigene Kleiderproduktion zum Erliegen gekommen. Wenn es darum geht, gut erhaltene qualitativ hochwertige Kleidung zielgerichtet zu spenden, dann ist das sinnvoll. Diese Kleidung wird mit Sicherheit auch benötigt und getragen. Klimatisch liegt die Ukraine gleichauf mit Deutschland, d.h. auch unsere Winterkleidung wird benötigt und weitergetragen.
Was kann man als Konsument*in tun, um gegenzusteuern? Woher weiß man denn, dass ein Kleidungsstück nachhaltig produziert wurde?
"Es gibt mittlerweile sowohl im Lebensmittelbereich als auch im Kleidungsbereich ganz viele gute und schlechte Label. Gute Siegel im Kleidungsbereich sind der blaue Engel, EarthPositive, die Fair Wear Foundation, Fairtrade Textile Production, GEPA, Global Organic Textile Standard (GOTS). Auch PRO PLANET und iVN BEST Naturtextil sind gute Siegel. Das sind die Siegel, bei denen wir damals im Institut gesagt haben, die genügen diesen Kriterien, sie sind sozial fair, aber auch ökologisch in Ordnung. Neben dem Blick auf die Siegel sollte man sich ebenfalls das Herkunftsland der Kleidung anschauen. Es gibt Hersteller in Deutschland, die nur Naturtextilien produzieren, das sind unter anderem Versandshops wie hessnatur, Avocado Store, Grüne Erde, Gudrun Sjöden und Waschbär Versand."
Haben Sie Tipps für einen nachhaltigen Umgang mit Kleidung, die Sie den Leser*innen mit auf den Weg geben können?
"Worauf man auch achten kann als Konsument*in ist, dass wenn ich etwas kaufe, das sehr lange zu tragen. Einmal ein hochwertiges Kleidungsstück kaufen, dabei auf Qualität achten, und dieses Stück lange tragen. Und wenn man es dann selbst nicht mehr haben will, dann kann man es weitergeben. Was man auch noch machen kann: Öfter mal Secondhand einzukaufen, also selbst diese Kreislaufwirtschaft forcieren, selbst daran teilhaben."
Über die Expertin: Dr. Dina Barbian, Wirtschaftsingenieurin, Promotion in Nachhaltigkeitsökonomie, ist seit 2012 Leiterin des Instituts für Nachhaltigkeit (Institute for Sustainability) in Nürnberg. Sie hält Vorlesungen zu den Themen "Digitalisierung & Nachhaltigkeit", "Nationale Nachhaltigkeitsstrategien" und „Supply-Chain-Management“.
Sie ist Autorin von Büchern und Fachartikeln zu vielen verschiedenen interdisziplinären Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0, Nachhaltigkeit, Kreislaufökonomie oder Dekarbonisierung.