Vertrauen ist in der Versicherungsbranche ein hohes Gut. Wenn es verspielt ist, haben Unternehmen Probleme. Der Abschluss einer Lebensversicherung war viele Jahre lang nicht irgendeine Form der Kapitalanlage, vielmehr war es eine Vertrauensentscheidung. Schließlich muss man sich darauf verlassen, dass die Lebensversicherung nach Jahrzehnten die Leistungen erbringt, für die du viele Jahre Prämien gezahlt hast. Entsprechend groß ist die Verunsicherung von Kunden, wenn der angestammte Versicherer die Police jetzt auf einmal weiterverkauft.
Sind die Abwickler wirklich kostengünstiger?
Tilo Dresig, Chef des Run-off-Spezialisten Viridium, kann allerdings die Kritik nicht nachvollziehen, wie er der Süddeutschen Zeitung anvertraute. Schließlich profitierten die Kunden von neuen IT-Systemen, mit denen ihre Verträge kostengünstig verwaltet werden. Außerdem fielen die Vertriebskosten komplett weg, weil die Spezialisten kein Neugeschäft suchen.
Ob die Kostenvorteile sich am Ende des Tages bei den Kunden der Lebensversicherung konkret auszahlen, bleibt abzuwarten. Wichtiger ist, dass die Risiken für die Kunden mit dem neuen Policen-Besitzer sich nicht vergrößern. Die BaFin versichert, dass die Absicherungen unverändert bleiben. Erlaubt ist das Run-off-Geschäft nach § 13 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Allerdings gibt es Auflagen: Die Übertragung des Bestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen bedarf der vorherigen Zustimmung der BaFin. Beim geplanten Verkauf der Lebensversicherungen von der Zurich Versicherung legte die BaFin ihr Veto ein.
Die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag bleiben bei einem Run-off-Geschäft unverändert bestehen. Weiterhin ist die BaFin für eine wirksame Aufsicht zuständig. Der Lebensversicherungsvertrag ist durch einen Sicherungsfonds gesetzlich geschützt. Unverändert ist auch der Anspruch auf die gleiche Servicequalität, etwa bei Fragen zum Vertrag. Sollte es Probleme geben, kannst du dich beim neuen Versicherer beschweren. Schafft dieser keine Abhilfe, kannst du dich direkt an die BaFin wenden. Laut BaFin ist ein Verkauf von Verträgen ins Ausland ausgeschlossen. Damit bleibt der neue Versicherer unter ihrer Aufsicht und es gelten die Sicherungseinrichtungen der deutschen Lebensversicherer.
Keine großen Erwartungen
Bei einem Run-off stellt der Versicherer das Neugeschäft ein und wickelt nur noch seinen Bestand ganz oder teilweise ab. Auch wenn er die Versicherungen an ein anderes Unternehmen verkauft, gelten unverändert die vereinbarten Konditionen. Aus den Run-off-Plänen deines Versicherers ergibt sich für dich als versicherte Person kein akuter Handlungsbedarf. Deine Lebensversicherung solltest du auf keinen Fall überstürzt kündigen. In solchen Fällen sind Verluste vielfach programmiert. Besser ist es, sich vorab neutral und unabhängig beraten zu lassen.
Verbraucher sollten bei einem angekündigten Run-off-Geschäft ihres Versicherers abwarten, ob und an wen ihre Police übertragen wird. Ist die Entscheidung gefallen, kannst du überlegen, ob es Handlungsbedarf gibt. Das ist immer auch von den individuellen Umständen abhängig (z. B. vom Versicherer, der Vertragslaufzeit, dem Garantiezins, Zusatzversicherungen wie etwa Berufsunfähigkeitsversicherung). Auch für den Käufer gelten die zugesagten Garantien. Das gesamte Kundenvermögen im Bestand bleibt erhalten. Ob die zugesicherte Überschussbeteiligung funktioniert, ist abzuwarten.
Zu große Erwartungen solltest du als Kunde an den neuen Besitzer deiner Lebensversicherung nicht haben. Denn ob der neue Versicherer noch Überschüsse für die Versicherten erwirtschaftet, ist fraglich. Die Verbraucherzentrale NRW ist da sehr skeptisch: "Allzu großes Interesse dürften Investoren hieran zumindest nicht haben. Zudem: Ein Versicherer, der nicht mehr am Wettbewerb teilnimmt, dürfte weniger Anreize haben, sich als fairer und serviceorientierter Vertragspartner zu präsentieren."
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