Krankenkassen-Krise: "So kann es nicht weitergehen" - steigen Beiträge erneut?

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Die Ausgaben der Krankenkassen schossen auch im ersten Halbjahr 2025 weiter in die Höhe. Müssen sich Versicherte auf steigende Beiträge einstellen?

Die finanzielle Lage der Krankenkassen im Land bleibt weiter angespannt. "Das ganze System funktioniert in sich relativ schlecht", sagte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK) in einem Beitrag der ZDF-Sendung WISO zur Lage der Krankenkassen. Das sieht Oliver Blatt, Vorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, ähnlich. So wies Blatt mehrfach darauf hin, dass der Staat seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, was zu finanziellen Engpässen führe. 

Sogar der Bundesrechnungshof warf der Regierung mit Blick auf das jährliche Milliardendefizit bereits Untätigkeit vor und prognostizierte, dass Ausgaben und damit auch Beiträge weiter steigen werden. Neuen Kennzahlen des GKV-Spitzenverbands zufolge ändert sich weiterhin nichts an dem Trend: Die Ausgaben der Krankenkassen erhöhten sich im ersten Halbjahr 2025 weiter - zwar gibt es einen Überschuss in Höhe von 2,8 Milliarden Euro, "aber das sollte niemanden beruhigen", sagte Blatt. 

"Werden sie nicht verhindern": Beitragserhöhungen trotz Versprechen der Politik unvermeidbar?

Für die Versicherten sollen die höheren Kosten nach dem Willen der Koalition keine Auswirkungen haben: Schwarz-Rot will die Beiträge nach deutlichen Steigerungen im kommenden Jahr möglichst stabil halten. CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn hatte dies bereits im August angekündigt.

Im Koalitionsausschuss am Mittwochabend hat man das Ziel noch einmal bekräftigt. Die Beitragszahlenden sollen nicht weiter belastet, der dringend erhoffte Wirtschaftsaufschwung soll durch Beitragserhöhungen nicht zusätzlich gefährdet werden.

Aber ist dieses Ziel auch realistisch? In den Etats 2025 und 2026 will der Bund die Kassenfinanzen über den regulären Jahreszuschuss hinaus mit Darlehen stabilisieren. Diese Darlehen "werden nötige Beitragssatzanhebungen abfedern, sie werden sie nicht verhindern", hatte Gesundheitsministerin Warken im Bundestag gesagt. Reformkommissionen sollen dann strukturelle Reformen für die Kranken- und Pflegeversicherung vorschlagen.

"Hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus": GKV-Chef schlägt Alarm

"Die Ausgabendynamik ist im ersten Halbjahr ungebrochen", betont Blatt. Der Überschuss sei dringend notwendig, um die gesetzliche Mindestreserve der Kassen wieder aufzufüllen. In den vergangenen Jahren hatte es einen Rücklagen-Abbau gegeben. "Gerade mit Blick auf die dynamische Ausgabenentwicklung ist aber noch offen, ob das gelingen kann", sagte Blatt. Immer stärker ansteigende Ausgaben setzen die Politik bei den Krankenkassen-Finanzen weiter unter Druck. So erhöhten sich die Leistungsausgaben der noch rund 90 Krankenkassen im ersten Halbjahr um 7,95 Prozent auf 166,1 Milliarden Euro.

Auffällig ist der im ersten Halbjahr auf 2,8 Milliarden Euro gestiegene Überschuss der Krankenkassen. Nach Rekorddefiziten im Jahr 2024 war bis Ende März bereits ein Überschuss von 1,8 Milliarden Euro entstanden.

Allein beim größten Kostenblock, den Krankenhausbehandlungen, übertraf das Plus mit 9,6 Prozent noch das des ersten Halbjahres 2024 (7,9 Prozent). 54,5 Milliarden Euro flossen nun zu den Kliniken. Die Ausgaben für Ärzte stiegen um 7,8 Prozent auf 27,0 Milliarden, die für Arzneimittel um 6 Prozent auf 28,9 Milliarden Euro. Blatt sagte: "So kann es nicht weitergehen, solche Steigerungsraten hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus."

Krankenkassen-Krise: Stabile Beiträge mit Ausgabenmoratorium?

Die Kassen machen vor allem die Gesetzgebung der vergangenen Jahre für die Kostensteigerungen verantwortlich, wie ein Verbandssprecher erklärte. Bestehende Honorardeckel wurden demnach beispielsweise für immer mehr ärztliche Leistungen abgeschafft – und bei Pharma Preisvorgaben gelockert.

Blatt lobte es als "gutes und wichtiges Signal", dass die Regierung die Beiträge stabil halten wolle – und hat einen Vorschlag. Grundsätzlich müsse verhindert werden, dass die Krankenkassen mehr ausgeben müssen als sie einnehmen. Der Anstieg der Kosten müsse wieder auf "ein Normalmaß" zurückgeführt werden. Konkret warb Blatt für den Vorschlag eines Ausgabenmoratoriums: "Preis- und Honorarzuwächse dürfen künftig nicht mehr schneller steigen als die tatsächlichen Einnahmen der Krankenkassen."

Die Absicht: "Mit so einem Ausgabenmoratorium könnten die Beiträge zum Jahreswechsel insgesamt stabil bleiben." Doch es wäre nach Blatts Angaben weiter Luft für den Ausgleich der Inflation und Tarifentwicklungen. Leistungen müssten nicht gestrichen werden.

Schnellere Arzttermine und Co: Kassen-Chef fordert Reformen

Bei den Krankenkassen wurden in den vergangenen Tagen Befürchtungen bekannt, dass der absehbare Halbjahresüberschuss der Kassen den Reformdruck schmälern könnte. Der Verband der Ersatzkassen etwa macht "ausgabentreibende Gesundheitsgesetzgebung der vergangenen Jahre" sowie ausstehende Strukturreformen für die galoppierenden Kosten verantwortlich. Dies müsse angegangen werden.

Auch Kassenverbandschef Blatt sieht das geforderte Ausgabenmoratorium nur als Sofortmaßnahme, wie er sagte. "Wir brauchen unbedingt Reformen, deren gute Wirkung die Versicherten im Alltag spüren, zum Beispiel durch schnellere Arzttermine", verlangte Blatt. Qualität müsse erhalten bleiben. Langfristig will Blatt aber auch verhindern, dass die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen weiter auseinanderklafft, und "wieder zu stabilen Finanzen kommen".

Etwa zu Jahresbeginn hatten die Beitragszahler auf breiter Front tiefer in die Tasche greifen müssen. Der Zusatzbeitrag stieg im Schnitt auf 2,9 Prozent. Ihn legt jede Kasse selbst fest. Daneben gilt der allgemeine Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.

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