Warnung der Krankenkassen: So drohen Beitragserhöhungen – "Keine natürliche Grenze"

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Der Chef der Techniker Krankenkasse warnt vor massiven Beitragssteigerungen. Der Druck ist groß und die Hilfe vom Staat ist zu gering.

"Das ganze System funktioniert in sich relativ schlecht." Die Analyse von Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK) in einem Beitrag der ZDF-Sendung WISO zur Lage der Krankenkassen ist sehr direkt.  Und Baas legt nach: "Sie zahlen immer mehr Geld, sie bekommen aber nicht eine immer bessere Versorgung."

Laut Baas würde es gerade bei Abstimmung der einzelnen Bereiche Probleme geben. Der Patient, so beschreibt er es, würde nicht da "rein gesteuert, wo er die beste Hilfe bekommt", sondern da, wo er "zufällig aufschlägt".  Der TK-Vorstandsvorsitzende sieht aber besonders auch den Staat in der Verantwortung. 

"Keine natürliche Grenze" für steigende Beiträge

Die Krankenkassen stecken tief in der Kosten-Krise. Die Rechnung werden die Versicherten begleichen. Baas: "Wenn nichts passiert, dann steigen die Beiträge immer weiter. Es gibt keine natürliche Grenze. Ohne dass etwas gemacht wird, werden wir Ende der Legislaturperiode bei 20 Prozent sein – das ist sicher." Aktuell teilen sich die Beiträge wie folgt auf:

  • Durchschnittlicher allgemeiner Beitragssatz: 14,6 Prozent
  • Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 2,9 Prozent
  • Gesamt gehen damit 17,5 Prozent vom Einkommen für die Gesundheit ab (Die Hälfte des Beitrags übernimmt der Arbeitgeber)

Im WISO-Interview stellt Jens Baas deutlich heraus: "Der Staat bedient sich relativ schamlos an den Geldern der gesetzlich Versicherten." Demnach zahlen die gesetzlich Versicherten die Versicherungen von Bürgergeldempfängern. 

Baas: "Menschen, die selber keine Beiträge bezahlen, sind in Deutschland auch gesetzlich versichert. Die Beiträge dafür zahlt der Staat aber nur zum kleinsten Teil. Den größeren Teil zahlen gesetzlich Versicherte." 

Zu wenig Maßnahmen für Krankenkassen 

Die große Hoffnung auf schnelle Hilfe durch den Staat gibt es aktuell eher nicht. Laut dem von Finanzminister Lars Klingbeil am 24. Juni vorgestellten Haushaltsplan 2025 der Bundesregierung, wird es für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung keine weiteren Zuschüsse geben.

Lediglich ein Darlehen soll bereitgestellt werden. Zur Stabilisierung des Beitragssatzes wäre dies ein überjähriges Darlehen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Für Experten ist das zu wenig. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gibt Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des Krankenkassenspitzenverbands GKV, einen Einblick in die Gefühlslage dazu: "Wir sind ziemlich zusammengezuckt, als wir davon erfahren haben. Erstens reichen die Darlehen nicht einmal als Sofortmaßnahmen. Zweitens verschieben sie die Probleme in die Zukunft, denn womit sollen die Krankenkassen die Kredite zurückzahlen?"

Ein altes Darlehen hätte der Bund demnach gerade verlängert, weil das Geld fehlt. Blatt: "Der Etatentwurf ist für das Gesundheitswesen sehr enttäuschend, die Darlehen sind politische Augenwischerei." Immerhin hat Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zuletzt im ARD-Morgenmagazin erklärt, sie wolle noch weiter für eine bessere Unterstützung der Kassen kämpfen: "Die Haushaltsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen und mein Ziel ist es, schon noch mehr Geld zu bekommen."

Krankenkassen kämpfen mit immer höheren Ausgaben

Der GKV-Chef spricht von der immer weiter zunehmenden Ausgabendynamik für Krankenkassen. Blatt: "Die Spirale dreht sich also immer weiter."

Schon zu Beginn des Jahres hatten 82 Kassen ihre Beiträge nach oben geschraubt. Im Juli werden sechs weitere Krankenkassen folgen. Welche das konkret sind, hat das Bundesamt für Soziale Sicherung auf Anfrage beantworten. Folgenden Anhebungen der Zusatzbeitragssätze zum 1. Juli 2025 wurden demnach geprüft und genehmigt:

  • BKK PwC (von 2,08 % auf 2,40 %)
  • BKK Technoform (von 2,49 % auf 3,49 %)
  • BMW BKK (von 2,90 % auf 3,90 %)
  • EY BKK (von 1,04 % auf 2,29 %)
  • IKK – Die Innovationskasse (von 3,60 % auf 4,30 %)
  • SECURVITA BKK (von 3,20 % auf 3,90 %)

Der Druck auf das System ist groß. 60 Anbieter könnten vor dem Aus stehen hat Gesundheitsökonom David Matusiewicz von der Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) vor wenigen Wochen analysiert.

Staat schiebt Verantwortung für Beiträge der Kassen weiter

Wie auch Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, so sieht auch Oliver Blatt immer weiter steigende Beiträge. Eine stabile Grenze kann er in Zukunft nicht erkennen: "Wir fragen uns jedenfalls, wie das gehen soll, die Darlehen reichen dafür nie und nimmer aus."

Interessanterweise, so beschreibt es Blatt, würde der gesetzlich festgelegte allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent tatsächlich unverändert bleiben. Was steigt, sind die Zusatzbeiträge der einzelnen Kassen.

Die Politik würde so die Verantwortung weiterschieben. Blatt: "Dass ein Aufschwung die Sozialversicherungen retten werde, reicht mir nicht. Zwar sehen die Institute für das kommende Jahr ein zartes Wachstum voraus, aber darauf ist in der gegenwärtigen Weltlage kein Verlass."

Auch bei der Pflegeversicherung gibt es Probleme

Bei der Pflegeversicherung sieht es ähnlich dramatisch aus. Und auch hier findet Baas deutliche Worte. Bereits im Juni hatte er in einer offiziellen Mitteilung der TK-Versicherung erklärt: "Für eine echte Entlastung der Pflegeversicherung müsste der Bund zunächst seine Schulden begleichen."

Die Pflegeversicherung, so macht er es deutlich, hätte Coronahilfen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro ausgelegt. Gleichzeitig würde es "echte strukturelle Reformen" benötigen. 

Am Montag, 7. Juli 2025, hat die geplante Bund-Länder-AG ihre Beratungen für eine große Pflegereform aufgenommen. Gesundheitsministerin Warken machte zuletzt klar, dass es kurzfristig mehr Unterstützung aus dem Haushalt brauche. Sonst, sagte sie sei eine Beitragserhöhung im Januar zu befürchten. 

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