Viele Studien belegen: Psychotherapien sind wirksam. Doch alles was wirkt, hat auch Nebenwirkungen und so kann auch die Psychotherapie negative Auswirkungen für Patient*innen haben.
Priscilla du Preez/Unsplash
Alles was wirkt, hat auch Nebenwirkungen - so auch die Psychotherapie. Lange ging die Forschung davon aus, dass eine Psychotherapie keine negativen Folgen haben kann, doch aktuelle Untersuchungen zeigen, dass sich diese auch negativ auf Patienten auswirken kann.
Was versteht man unter einer Psychotherapie?
Wie sich Psychiater*innen, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen unterscheiden
Wann ist eine Psychotherapie ratsam?
Psychotherapie: So läuft die Behandlung ab
Risiken und Nebenwirkungen einer Therapie
Was tun gegen Nebenwirkungen?
Nebenwirkungen: So kannst du vorbeugen
Psychotherapien sind wirksam. Das belegen viele Studien. Doch bei allem, was wirkt, gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen. Wir verraten dir, wie Nebenwirkungen zustande kommen und was du gegen diese tun kannst.
Eine Psychotherapie richtet sich mit der Behandlung an psychische Störungen mit Krankheitswert, wie zum Beispiel Depressionen, Ängste, Essstörungen, Zwänge, Sucht oder psychosomatische Erkrankungen. Immer häufiger begleitet sie zudem Tumor- oder Herz-Kreislauf-Patient*innen.
Eine Psychotherapie kann stationär oder ambulant, als Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden. Die Behandlung ist dabei zeitlich begrenzt und soll gezielt eine psychische Krankheit therapieren.
Psychiater*in - Psychotherapeut*in - Psycholog*in: Das unterscheidet die Berufe
Psychotherapeut*in, Psychiater*in und Psycholog*in - Diese drei Begriffe werden immer wieder miteinander verwechselt und führen bei Menschen mit seelischen Beschwerden, die Hilfe suchen, zur Verwirrung. Sie sind zwar alle drei Expert*innen für die psychische Gesundheit, doch ihr akademischer Werdegang und ihre Befugnisse unterscheiden sich. Wir verraten dir den Unterschied:
Psycholog*in: Dieser Begriff beschreibt den/die Hochschulabsolvent*in, der/die das Fach Psychologie studiert hat. Sie beschäftigen sich mit dem menschlichen Erleben und der Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und Änderung des Verhaltens. Die Berufsbezeichnung des/der "Psycholog*in" wird über den Abschluss des Hochschulstudiums im Fach Psychologie erworben.
Psychiater*in: Diese Bezeichnung beschreibt eine*n Facharzt oder -ärztin für seelische Erkrankungen oder Störungen. Sie betrachten das psychische Problem von der körperlichen Seite. Der Psychiater kommt aus der Medizin und konzentriert sich auf die medikamentöse Behandlung. Für die Tätigkeit als Psychiater*in muss eine mehrjährige Facharztausbildung als Psychiater*in absolviert werden.
Psychotherapeut*in: Ein*e Psychotherapeut*in übt die tatsächliche Psychotherapie aus. Das kann ein*e Mediziner*in sein, die/der psychotherapeutisch tätig ist oder ein psychologischer Psychotherapeut, der/die also das Studium absolviert hat. Beide dürfen Kinder, Jugendliche und Erwachsene behandeln. Außerdem darf auch ein*e Pädagog*in, die/der für die Therapie von Kindern und Jugendlichen ausgebildet wurde, therapieren. Alle drei haben neben ihrem "Grundberuf" eine psychotherapeutische Ausbildung beziehungsweise einen entsprechenden Facharzttitel erworben.
Welcher der Expert*innen der geeignetste ist, hängt vom Einzelfall und der individuellen Situation der betroffenen Person ab.
Wann du zu einer Psychotherapie gehen solltest
Ebenso wie bei körperlichen Beschwerden sollten sich Betroffene, die seelische Probleme plagen, nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das gilt vor allem dann, wenn sich der Leidensdruck mehr und mehr verschlimmert.
Der Leidensdruck ist die Grundvoraussetzung für die Diagnosefeststellung des/der Patient*in. Eine Ausnahme besteht im Falle der Gefährdung anderer, etwa bei wahnhafter Schizophrenie und bestimmten Verhaltensstörungen. Zum einen ist also die persönliche Wahrnehmung essenziell und zum anderen aber auch die Bereitschaft der betroffenen Person, sich einer Psychotherapie zu unterziehen und die eigenen Probleme anzugehen. Die eigene Einstellung spielt beim Therapieerfolg eine zentrale Rolle, denn je höher die Motivation ist, sich mit den eigenen Problemen auseinanderzusetzen, desto höher sind die Chancen für eine erfolgreiche Therapie.
Ob eine ambulante oder stationäre Therapie nötig ist, hängt vom seelischen Zustand des/der Patient*in ab. Eine ambulante Psychotherapie setzt voraus, dass die betroffene Person körperlich und geistig stabil ist. Ist ein*e Patient*in beispielsweise in einer suizidalen Krise, wird ein Klinikaufenthalt erst einmal empfohlen, bevor eine ambulante Therapie beginnen kann.
Die Verhaltenstherapie: Sie geht davon aus, dass ein Mensch sein Verhalten und Erleben durch Erfahrungen im Laufe des Lebens erlernt. Eine psychische Krankheit entsteht, wenn diese erlernten Überzeugungen problematisch oder unangemessen sind und bei dem/der Patient*in Leidensdruck verursachen. Die Therapie erarbeitet gemeinsam mit dem/der Patient*in neue Verhaltens- und Erlebensmuster, die mit verschiedenen Methoden eingeübt werden. Dadurch sollen negative Muster mit positiven Mustern ersetzt werden.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: Bei dieser Form soll der/die Patient*in durch Einsichten in Zusammenhänge und Ursachen seiner Probleme Veränderungen in seinem Erleben und Verhalten erleben, wobei die Psychotherapie die betroffene Person aktiv unterstützt. Das geschieht durch die Suche nach möglichen Ursachen und der Behandlung des "zentralen Konflikts" in der Persönlichkeit des/der Patient*in und ihrer/seiner Vergangenheit.
Analytische Psychotherapie: Diese Form ist die älteste Form der Psychotherapie. Ziel ist es, dass der/die Patient*in sich seiner/ihrer verdrängten Gefühle bewusst wird, die die Entwicklung zum gesunden und selbstständigen Individuum blockieren. Dabei werden die Lösungen für gegenwärtige Probleme in der Vergangenheit und im Unbewussten der betroffenen Person gesucht. Der/die Patient*in soll im Laufe der Therapie die Konflikte von prägenden Entwicklungsphasen erneut durchleben, um sie zu verarbeiten. Dies geschieht beispielsweise mit Traumdeutung. Patient*innen haben im Rahmen dieser Therapieform meist mehrere Sitzungen in der Woche, die im Liegen stattfinden. Der/die Psychotherapeut*in verhält sich neutral und sitzt so, dass der/die Patient*in diesen nicht sehen kann, um als Projektionsfläche für die Emotionen des/der Patient*in dienen zu können.
Systemische Therapie: Hier steht nicht nur die betroffene Person im Mittelpunkt, sondern auch die wichtigsten Bezugspersonen, wie etwa die Familie. Eine psychische Erkrankung wird als ein Symptom für eine Störung im Verhalten- oder Kommunikationsmuster des Systems, d. h. in der Familie oder auch im weiteren Umfeld gesehen. Dadurch werden die einzelnen Familienmitglieder gezwungen, sich mit ihrem Beitrag und ihrer Reaktion auf das zentrale Problem auseinander zu setzen.
Gesprächstherapie nach Rogers: Mithilfe empathischer Gesprächsführung und einer wertungsfreien Akzeptanz des/der Patient*in und seiner/ihrer Probleme soll der/die Patient*in lernen, sich selbst zu vertrauen und sich anzunehmen. Dabei liegt der Fokus auf der gefühlsmäßigen Bedeutung.
Welche Therapieform am besten zur betroffenen Person passt, hängt dabei ebenfalls vom individuellen Krankheitsbild und auch von den eigenen Vorlieben ab. Dabei gibt es meist kein richtig oder falsch. Bevor eine Therapie startet, finden in der Regel zwei bis vier Probesitzungen statt, in denen der/die Patient*in den/die Therapeut*in kennenlernt. Erst danach muss sich die betroffene Person entscheiden, ob diese Psychotherapie die Richtige ist.
Risiken und Nebenwirkungen einer Psychotherapie
Während der Großteil von einer Psychotherapie profitiert, gibt es 10-30 Prozent, die negative Effekte einer Psychotherapie erfahren. In extremen Fällen kann es dabei sogar zu einer dauerhaften Verschlechterung des seelischen Zustandes kommen. Ob eine Psychotherapie als erfolgreich bewertet wird oder nicht, hängt besonders von den Therapiezielen des/der Patient*in und des/der Therapeut*in ab. Ursachen eines Misserfolgs der Therapie können der/die Patient*in, das Therapiekonzept oder/und der/die Therapeut*in sein. Als Nebenwirkung ist das unerwünschte Ergebnis nur dann einzustufen, wenn es in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Therapie steht, die richtig angewendet worden ist. Man unterscheidet folgende negative Effekte:
Verschlechterung der Symptomatik (Verstärkung, Ausweitung)
Therapierisiken durch unerwartete Komplikationen
Unerwünschte Behandlungseffekte und Nebenwirkungen (auch für die Umwelt)
Wechselwirkungen mit medizinischen oder sozialen Interventionen
Schäden durch Behandlungsfehler
Doch nicht immer ist die Psychotherapie der Auslöser, sondern sie können im Einzelfall auch durch den unbeeinflussbaren Verlauf einer Erkrankung beziehungsweise einer Störung bedingt sein. Nicht jede Psychotherapie kann bei allen Patienten einen positiven Verlauf haben. Zudem kann eine Zustandsverschlechterung auch auftreten, wenn es sich um eine Entwicklung handelt, die von der betroffenen Person als problematisch angesehen wird, aber Teil des Therapieprozesses ist. Es kann auch zeitweise zu einer Verschlechterung im Laufe der Therapie kommen, die dann aber trotzdem erfolgreich abgeschlossen wird.
Nebenwirkungen einer Psychotherapie: Was du dagegen tun kannst
Für die Patient*innen bedeutet das, dass sie im Zweifel nachfragen sollen, was geschieht und um Aufklärung bitten, wenn etwas unklar ist. Die betroffene Person darf das Handeln des/der Therapeut*in hinterfragen und kritisieren. Während der/die Therapeut*in der Schweigepflicht unterliegt, dürfen Patient*innen mit ihrem Umfeld über die Therapie sprechen und sollten dies mit ausgewählten Menschen auch tun. Es reicht oft schon der Blick von Außenstehenden für eine erste Einschätzung der Behandlung. Außerdem können sich Patient*innen an Profis von Beratungsstellen wenden, wie die Expert*innen des Ethikvereins "Ethikverein e. V. – Ethik in der Psychotherapie".
Verschlechtert sich die Symptomatik oder sie nimmt einen ungünstigen Verlauf, sollten Patient*innen grundsätzlich das Gespräch mit dem/der Therapeut*in suchen. Tritt in den ersten 30 Therapie-Stunden keine Besserung ein, ist gemeinsam mit dem/der Therapeut*in zu überlegen, ob das Vorgehen zu verändern ist oder auch, ob der/die Therapeut*in gewechselt werden sollte.
So beugst du Nebenwirkungen in deiner Psychotherapie vor
Um den/die richtige*n Therapeut*in zu finden, solltest du vor allem auf deine innere Stimme hören. Der wichtigste Punkt ist, dass du dich bei deiner/deinem Therapeut*in aufgehoben fühlst und ihm/ihr Vertrauen schenkst. Es erhöht den Therapieerfolg, wenn du und dein/deine Therapeut*in ein positives Verhältnis habt.
Die meisten Patient*innen können bereits nach den ersten Probesitzungen beurteilen, ob das Verhältnis passt oder nicht. Nimm deswegen die ersten zwei bis vier Sitzungen in Anspruch, die als probatorische Sitzungen bezeichnet werden. Bei kassenzugelassenen Psychotherapeut*innen übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Da die Wartelisten häufig lang sind, kannst du dich im Notfall an die Ambulanz der psychiatrischen Abteilung einer Klinik vor Ort wenden. Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist unter der Telefonnummer 116 117 zu erreichen. Akute, anonyme und kostenlose Beratung der Telefonseelsorge gibt es zudem montags bis freitags zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern (0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222. Die Telefonseelsorge bietet auch eine Mail- und eine Chat-Beratung an.
Artikel enthält Affiliate Links
*Hinweis: In der Redaktion sind wir immer auf der Suche nach nützlichen Produkten für unsere Leser. Es handelt sich bei den in diesem Artikel bereitgestellten und mit einem Einkaufswagen-Symbol beziehungsweise einem Sternchen gekennzeichneten Links um sogenannte Affiliate-Links/Werbelinks. Wenn du auf einen dieser Links klickst bzw. darüber einkaufst, bekommen wir eine Provision vom Händler. Für dich ändert sich dadurch nichts am Preis. Unsere redaktionelle Berichterstattung ist grundsätzlich unabhängig vom Bestehen oder der Höhe einer Provision.