Autofahrer, die ein Müllfahrzeug überholen, haben besondere Sorgfaltspflichten. Aber einfach nur auf ihr Privileg im Straßenverkehr pochen und jegliche Achtsamkeit vergessen, können auch die Müllwerkenden nicht.
Autofahrende müssen beim Überholen eines Müllfahrzeugs im Einsatz besonders vorsichtig sein. Eine reduzierte Geschwindigkeit und ein angemessener Seitenabstand sind dabei die zwei wesentlichen Punkte. Die Anforderungen können aber je nach der Verkehrssituation unterschiedlich sein, wie jetzt das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Urteil vom 15.2.2023, Az.: 14 U 111/22) feststellte.
Die Kollision mit dem Müllcontainer
Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes überholte mit ihrem Pkw ein stehendes Müllfahrzeug. Dabei kollidierte sie mit einem Müllcontainer, den eine der Arbeitskräfte hinter dem Fahrzeug über die Straße schob. Deutlich erkennbar: Der Müllwagen war im Einsatz – die gelben Rundumleuchten blinkten, die Warnblinkanlage war an und die Trommel bzw. Schüttung des Fahrzeugs rotierte.
Die Gerichte in Niedersachsen hatten die Haftungsfrage zu klären. Das Landgericht (LG) kam zuvor zu einer hälftigen Haftungsverteilung. Begründung: Autofahrende, die ein Müllfahrzeug passieren wollen, müssen einen Mindestabstand von zwei Metern oder Schrittgeschwindigkeit fahren. Dies sei bei der Pflegerin nachweislich nicht der Fall gewesen. Ein Sachverständiger hatte ermittelt, dass die Autofahrerin in einem Abstand von 50 Zentimetern an dem Müllfahrzeug vorbeifuhr und dies mit einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich 13 km/h.
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle kam zu einer anderen Einschätzung und sah bei der Autofahrerin nur eine Mit-Haftung von 25 Prozent. Bei ihr sei lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzusetzen. Ein Verkehrsverstoß sei ihr nicht anzulasten.
Auch die Müllabfuhr muss auf den Verkehr achten
Dem beklagten Müllmann sei eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht anzulasten, so das Gericht. Er habe den Müllcontainer quer über die Straße geschoben, ohne auf den Wagen der Mitarbeiterin des Pflegedienstes zu achten. Wobei das Fahrzeug nach Einschätzung des Sachverständigen für den Müllarbeiter erkennbar war.
Die Privilegierung der Müllabfuhr habe ihre Grenzen, erläuterten das Gericht: Insbesondere begründe die Privilegierung von Müllfahrzeugen (§ 35 Abs. 6 Straßenverkehrsordnung, StVO) keine Befreiung vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO. Nach § 35 Abs. 6 StVO ist es den LKW lediglich erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen überall und in jede Richtung zu fahren. § 1 StVO sei aber auch von Müllfahrzeugen im Einsatz zu beachten.