Der DRL-Ansatz hingegen automatisiert diesen Prozess. Weiterhin besitzt er das Potenzial, Lageregler zu entwickeln, die sich automatisch an Abweichungen von den erwarteten zu den tatsächlichen Rahmenbedingungen anpassen, ohne dass zeitaufwändige manuelle Nachkalibrierung nötig sind.
Überwindung der Sim2Real-Gap
Der KI-basierte Lageregler wurde zuvor am Boden in einer realitätsnahen Simulation trainiert und anschließend auf das Flugmodell des Satelliten im Orbit hochgeladen. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, die sogenannte "Sim2Real-Gap" – die Lücke zwischen Simulation und Realität – zu überwinden, also sicherzustellen, dass ein in der Simulation trainierter KI-Agent auch auf dem echten Satelliten im Weltraum einsatzfähig ist.
"Ein ganz entscheidender Erfolg", betont Kirill Djebko von der JMU. "Damit haben wir den weltweit ersten praktischen Nachweis erbracht, dass ein durch Deep Reinforcement Learning trainierter KI-basierter Lageregler im Weltraum erfolgreich eingesetzt werden kann", so Djebko weiter.
Tom Baumann fügt hinzu: "Dieser erfolgreiche Test ist ein großer Schritt für die Entwicklung zukünftiger Satellitensteuerungen. Er zeigt, dass KI nicht nur in der Simulation, sondern auch unter realen Bedingungen autonom präzise Manöver durchführen kann."
Akzeptanz und Vertrauen in KI-Methoden für die Raumfahrt
Mit der erfolgreichen Demonstration eines KI-basierten Lagereglers im Orbit hat das Würzburger Team gezeigt, dass Künstliche Intelligenz in sicherheitskritischen Raumfahrtanwendungen verlässlich eingesetzt werden kann.
Frank Puppe ist überzeugt: "Dies wird die Akzeptanz von KI-Methoden in der Luft- und Raumfahrt deutlich erhöhen" und weist auf die wichtige Rolle des Simulationsmodells hin.
Ein wachsendes Vertrauen in die Technologie sei ein wichtiger Schritt für zukünftige autonome Missionen, etwa interplanetare oder Deep-Space-Missionen. Ein Eingreifen von der Erde aus ist hier aufgrund großer Entfernungen oder Funkpausen nicht mehr möglich. Der KI-Ansatz kann so zur Überlebensgrundlage der Sonde werden.
Bedeutender Beitrag zur Autonomie im Weltraum
Mit diesem Experiment erreicht das Würzburger Team ein zentrales Ziel des Projekts LeLaR, das seit Juli 2024 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) mit rund 430.000 Euro gefördert wird. Projektträger ist die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft‑ und Raumfahrt e. V. (DLR).
"Dieser Erfolg motiviert uns, die Technologie auf weitere Szenarien auszudehnen", sagt Erik Dilger. Der Test wurde an Bord des InnoCube-Satelliten durchgeführt, der in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin entwickelt wurde. InnoCube dient als Plattform für innovative Weltraumtechnologien und bietet den Forschenden die Möglichkeit, neue Ansätze direkt im Orbit zu erproben.
Eine solche Innovation ist der drahtlose Satellitenbus SKITH (Skip The Harness), die grundlegende Plattform des Satelliten. SKITH ersetzt herkömmliche Kabelverbindungen durch drahtlose Datenübertragung. Das spart nicht nur Masse, auch potenzielle Fehlerquellen werden minimiert.
Ausblick: Die nächste Stufe der Weltraumautonomie
Der erfolgreiche In-Orbit-Test etabliert die Universität Würzburg als führend im Bereich der KI-gesteuerten Raumfahrtsysteme. Der demonstrierte KI-Regler ist ein erster Baustein für die Erschließung des Deep Space. Durch die Ergebnisse des LeLaR-Projekts könnten in Zukunft schneller und kostengünstiger neue, komplexe KI-Regler für eine Vielzahl von Satellitenplattformen entwickelt werden.
"Jetzt geht es darum, den Vorsprung auszubauen", so Kirill Djebko. "Das ist ein großer Schritt in Richtung Autonomie im Weltraum", ergänzt Sergio Montenegro. "Wir stehen am Anfang der Entwicklung einer neuen Klasse von Satellitensteuerung: intelligent, adaptiv und selbstlernend."
Bei diesem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung.
Vorschaubild: © Tom Baumann / JMU Würzburg