Kitzingen
Lichtverschmutzung
Die Nacht stirbt
Es gibt eine Form von Umweltverschmutzung, die noch kaum einer kennt, Wie lange werden wir die Milchstraße noch erkennen?

So prachtvoll sehen wir die Milchstraße längst nicht mehr überall. Christoph Gerhard
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N icht nur die Sterne leuchten. Wenn Alexander Gerst aus dem All auf die Nachtseite der Erde blickt, sieht er - sofern keine Wolken im Weg sind - ein Lichtermeer. Der deutsche Astronaut auf der Internationalen Raumstation hat die Thematik schon mehrfach zur Sprache gebracht: Die Erde wird immer heller. Lichtverschmutzung wird zu einem Problem - für Mensch, Tier und Pflanzenwelt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug der elektrischen Beleuchtung - die Erhellung der Welt sozusagen. Gut ein Jahrhundert später sind alle geblendet. Erleuchtete Parkplätze, Wohnhäuser, Parks, Werbeschilder und Industriegebäude: Die zunehmende Helligkeit in der Nacht fällt besonders denjenigen auf, die nachts draußen sind und Dunkelheit brauchen: zum Beispiel (Hobby-)Astronomen wie Ulf Fiebig. "Wir merken ganz deutlich: Von Jahr zu Jahr wird es nachts ein bisschen weniger dunkel." Der Lichtatlas des Vereins VdS ("Vereinigung der Sternenfreude") bestätigt das. Für ganz Franken weist er steigende Lichtwerte in der Nacht auf.
"Wir engagieren uns nicht nur wegen unseres Hobbys für die Dunkelheit in der Nacht, sondern auch, weil Lichtverschmutzung Menschen auf Dauer krank macht", sagt Fiebig. Der 54-Jährige gehört zu einer Gruppe fränkischer Hobbyastronomen, die sich als "Forum Stellarum" organisiert haben und sich regelmäßig zur Beobachtung des Himmels treffen. Sie möchten ihre Mitmenschen für das Thema sensibilisieren und zählen mögliche Folgen der Lichtverschmutzung auf: Schlafstörungen, Krebs und andere Krankheiten, Gereiztheit, Fehlproduktion von Hormonen, fehlgeleitete Zugvögel und Insekten.
Noch ist das Thema freilich zu neu, um auf langjährige Studien über die Auswirkungen von zu viel Licht bauen zu können. Auch gesetzliche Regelungen in Sachen Lichtemission bleiben vage. Laut der "Richtlinie zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen" des Länderausschusses für Immissionsschutz soll die nächtliche Außenbeleuchtung, die ein Schlafzimmerfenster in Wohngebieten erreicht, ein Lux nicht überschreiten. Für die öffentliche (Straßen- )Beleuchtung gilt das allerdings nicht. Deren Stärke soll in einer europaweiten Norm geregelt werden, die jedoch nur Minimal- und keine Maximalwerte festlegt.
Ulf Fiebig fordert, vor der nächtliche Beleuchtung erst einmal den gesunden Menschenverstand einzuschalten: "Kugel- oder Pilzleuchten, bei denen viel Licht nach oben oder zur Seite abstrahlt, sind ein Schmarrn. Genauso wie die Beleuchtung von Gebäuden von unten nach oben oder taghelle Parkplätze vor Kaufhäusern mitten in der Nacht." (Straßen-)Lampen sollten stets nach oben und zur Seite abgeschirmt sein. Natriumdampflampen und LEDs mit geringer Wattzahl seien energetisch am sinnvollsten, "und zwar in sanftem Gelb beziehungsweise Warmweiß mit einer Farbtemperatur von maximal 3000 Kelvin. Sie ziehen - anders als kaltweiße Leuchten - kaum Insekten an."
"Wer denkt, dass Helligkeit gleich Sicherheit ist, der irrt", entkräftet Fiebig ein oft gehörtes Argument. "Studien zeigen, dass Licht nur das subjektive Sicherheitsempfinden erhöht, ohne dass die Zahl der Straftaten sinkt."
Ganz schlecht sei ein hoher Blauanteil im nächtlichen Licht: Zum einen ziehe das Blau-Violett nachtaktive Insekten an, die dann an der Lampe verenden. Zum anderen störe es den Biorhythmus des Menschen. "Die Handy-Industrie hat das schon erkannt. Neue Geräte verfügen über einen Nachtmodus, in dem das Gerät kaum blaues Licht abstrahlt."
Fiebig und sein Kollege Florian Bleymann vom "Forum Stellarum" betonen, dass sie niemandem das Licht nehmen wollen. "Wir wollen nur, dass es sinnvoll eingesetzt wird, nach dem Motto: Qualität vor Quantität."
Aus ökologischer Sicht betrachtet Christian Söder, fränkischer Fachberater für Fledermausschutz, die künstliche Beleuchtung der Umgebung. "Die Hälfte aller Säugetiere ist nachtaktiv, ein Großteil der Amphibien, alle heimischen Fledermäuse und 85 Prozent der Schmetterlinge." Wie Flusen vom Staubsauger werden Letztere von zu hellem Kunstlicht angezogen. Sie umkreisen die Leuchten, bis sie völlig erschöpft sind. Dadurch vermehren sie sich nicht mehr und stehen in den "leergesaugten" Bereichen auch nicht als Nahrung zur Verfügung.
Auch flugunfähige Lebewesen leiden. "Aale wandern nicht durch beleuchtete Flussabschnitte. Zugvögel werden durch Lichtschein fehlgeleitet oder kollidieren mit Fassaden."
Die andere Seite der Medaille ist die wirtschaftliche: "Wenn wir nicht belichten, können wir aufhören. Der große Konkurrent Holland ist allzeit bereit!" Das sagt Gerd Gernert aus Albertshofen am Main in Unterfranken. Der Gärtnermeister produziert unter einer Glasfläche von sechs Hektar, wovon fast die Hälfte beleuchtet wird. "Wir müssen der Spezialisierung Rechnung tragen und Gurken, Tomaten, Paprika und Auberginen belichten, in der dunklen Jahreszeit 16 Stunden pro Tag."
Eine doppelte Deckenbeschirmung könnte die Lösung sein: Der untere Schirm ist weiß und lichtdurchlässig, der obere besteht aus lichtundurchlässigem Gewebe und soll neben der nötigen Energieeinsparung auch dafür sorgen, dass kein Licht nach außen dringt. Mit dieser Methode möchten die Gernerts künftig arbeiten. Allerdings sei die Umstellung aus Kostengründen nur Schritt für Schritt möglich und werde insgesamt Jahre dauern.
Im kommunalen Bereich hat ebenfalls ein Umdenken begonnen - je nach Region unterschiedlich ausgeprägt. Im Kreis Bamberg werden derzeit viele Straßenlaternen auf umweltfreundliche und effiziente LED-Leuchtmittel umgerüstet. Laut Jan Giersberg, Pressesprecher der Stadtwerke, wird Frensdorf die erste Gemeinde im Kreis sein, die ihre komplette Straßenbeleuchtung mit knapp 1000 Laternen zu hundert Prozent auf LED umrüstet. "Wir planen so, dass nur die Bereiche ausgeleuchtet werden, die entsprechend der jeweiligen Norm zu beleuchten sind. Auch aus Gründen der Effizienz beleuchten wir hier mit Mindeststärke." Bei der Montage der Leuchten achten die Mitarbeiter "akribisch" darauf, dass kein unnötiges Licht in die Atmosphäre gelangt, sagt Giersberg.
Ulf Fiebig stellt klar: "Wir freuen uns über solche Aktionen. Sie schärfen das Bewusstsein der Menschen für die Problematik." Der Kitzinger erinnert sich daran, wie er als Kind mitten in Franken in Sommernächten den sternenübersäten Himmel gesehen hat. "Heute ist das schwierig. Die Milchstraße erkennt man nur noch außerhalb von Orten richtig gut."
Immer größer werden dagegen die Lichtglocken über Würzburg, Schweinfurt, Bamberg oder Bayreuth. Diese Entwicklung zu stoppen, ist das Ziel, für das die Hobbyastronomen Mitstreiter suchen. "Wir hoffen, dass viele Gemeinden einen Lichtplan für umweltgerechte, wirtschaftliche Beleuchtung erstellen. Dafür gibt es Förderprogramme."
Jan Giersberg von den Stadtwerken Bamberg bestätigt das. "Antragsteller ist jeweils die Kommune. Wir bieten Unterstützung bei der Antragstellung an. Gerade gibt es wieder ein sehr attraktives Förderprogramm des Bundes." Das aktuelle "Antragsfenster" ist bis Ende September offen.
INFOS:www.ptj.de/klimaschutzinitiative-kommunen; www.stadtwerke-bamberg.de; www.forum-stellarum.de, Ulf Fiebig, Mail: u.fiebig@y-auriga.de
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug der elektrischen Beleuchtung - die Erhellung der Welt sozusagen. Gut ein Jahrhundert später sind alle geblendet. Erleuchtete Parkplätze, Wohnhäuser, Parks, Werbeschilder und Industriegebäude: Die zunehmende Helligkeit in der Nacht fällt besonders denjenigen auf, die nachts draußen sind und Dunkelheit brauchen: zum Beispiel (Hobby-)Astronomen wie Ulf Fiebig. "Wir merken ganz deutlich: Von Jahr zu Jahr wird es nachts ein bisschen weniger dunkel." Der Lichtatlas des Vereins VdS ("Vereinigung der Sternenfreude") bestätigt das. Für ganz Franken weist er steigende Lichtwerte in der Nacht auf.
"Wir engagieren uns nicht nur wegen unseres Hobbys für die Dunkelheit in der Nacht, sondern auch, weil Lichtverschmutzung Menschen auf Dauer krank macht", sagt Fiebig. Der 54-Jährige gehört zu einer Gruppe fränkischer Hobbyastronomen, die sich als "Forum Stellarum" organisiert haben und sich regelmäßig zur Beobachtung des Himmels treffen. Sie möchten ihre Mitmenschen für das Thema sensibilisieren und zählen mögliche Folgen der Lichtverschmutzung auf: Schlafstörungen, Krebs und andere Krankheiten, Gereiztheit, Fehlproduktion von Hormonen, fehlgeleitete Zugvögel und Insekten.
Noch ist das Thema freilich zu neu, um auf langjährige Studien über die Auswirkungen von zu viel Licht bauen zu können. Auch gesetzliche Regelungen in Sachen Lichtemission bleiben vage. Laut der "Richtlinie zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen" des Länderausschusses für Immissionsschutz soll die nächtliche Außenbeleuchtung, die ein Schlafzimmerfenster in Wohngebieten erreicht, ein Lux nicht überschreiten. Für die öffentliche (Straßen- )Beleuchtung gilt das allerdings nicht. Deren Stärke soll in einer europaweiten Norm geregelt werden, die jedoch nur Minimal- und keine Maximalwerte festlegt.
Ulf Fiebig fordert, vor der nächtliche Beleuchtung erst einmal den gesunden Menschenverstand einzuschalten: "Kugel- oder Pilzleuchten, bei denen viel Licht nach oben oder zur Seite abstrahlt, sind ein Schmarrn. Genauso wie die Beleuchtung von Gebäuden von unten nach oben oder taghelle Parkplätze vor Kaufhäusern mitten in der Nacht." (Straßen-)Lampen sollten stets nach oben und zur Seite abgeschirmt sein. Natriumdampflampen und LEDs mit geringer Wattzahl seien energetisch am sinnvollsten, "und zwar in sanftem Gelb beziehungsweise Warmweiß mit einer Farbtemperatur von maximal 3000 Kelvin. Sie ziehen - anders als kaltweiße Leuchten - kaum Insekten an."
"Wer denkt, dass Helligkeit gleich Sicherheit ist, der irrt", entkräftet Fiebig ein oft gehörtes Argument. "Studien zeigen, dass Licht nur das subjektive Sicherheitsempfinden erhöht, ohne dass die Zahl der Straftaten sinkt."
Ganz schlecht sei ein hoher Blauanteil im nächtlichen Licht: Zum einen ziehe das Blau-Violett nachtaktive Insekten an, die dann an der Lampe verenden. Zum anderen störe es den Biorhythmus des Menschen. "Die Handy-Industrie hat das schon erkannt. Neue Geräte verfügen über einen Nachtmodus, in dem das Gerät kaum blaues Licht abstrahlt."
Fiebig und sein Kollege Florian Bleymann vom "Forum Stellarum" betonen, dass sie niemandem das Licht nehmen wollen. "Wir wollen nur, dass es sinnvoll eingesetzt wird, nach dem Motto: Qualität vor Quantität."
Aus ökologischer Sicht betrachtet Christian Söder, fränkischer Fachberater für Fledermausschutz, die künstliche Beleuchtung der Umgebung. "Die Hälfte aller Säugetiere ist nachtaktiv, ein Großteil der Amphibien, alle heimischen Fledermäuse und 85 Prozent der Schmetterlinge." Wie Flusen vom Staubsauger werden Letztere von zu hellem Kunstlicht angezogen. Sie umkreisen die Leuchten, bis sie völlig erschöpft sind. Dadurch vermehren sie sich nicht mehr und stehen in den "leergesaugten" Bereichen auch nicht als Nahrung zur Verfügung.
Auch flugunfähige Lebewesen leiden. "Aale wandern nicht durch beleuchtete Flussabschnitte. Zugvögel werden durch Lichtschein fehlgeleitet oder kollidieren mit Fassaden."
Gärtner will Abhilfe schaffen
Die andere Seite der Medaille ist die wirtschaftliche: "Wenn wir nicht belichten, können wir aufhören. Der große Konkurrent Holland ist allzeit bereit!" Das sagt Gerd Gernert aus Albertshofen am Main in Unterfranken. Der Gärtnermeister produziert unter einer Glasfläche von sechs Hektar, wovon fast die Hälfte beleuchtet wird. "Wir müssen der Spezialisierung Rechnung tragen und Gurken, Tomaten, Paprika und Auberginen belichten, in der dunklen Jahreszeit 16 Stunden pro Tag."Eine doppelte Deckenbeschirmung könnte die Lösung sein: Der untere Schirm ist weiß und lichtdurchlässig, der obere besteht aus lichtundurchlässigem Gewebe und soll neben der nötigen Energieeinsparung auch dafür sorgen, dass kein Licht nach außen dringt. Mit dieser Methode möchten die Gernerts künftig arbeiten. Allerdings sei die Umstellung aus Kostengründen nur Schritt für Schritt möglich und werde insgesamt Jahre dauern.
Im kommunalen Bereich hat ebenfalls ein Umdenken begonnen - je nach Region unterschiedlich ausgeprägt. Im Kreis Bamberg werden derzeit viele Straßenlaternen auf umweltfreundliche und effiziente LED-Leuchtmittel umgerüstet. Laut Jan Giersberg, Pressesprecher der Stadtwerke, wird Frensdorf die erste Gemeinde im Kreis sein, die ihre komplette Straßenbeleuchtung mit knapp 1000 Laternen zu hundert Prozent auf LED umrüstet. "Wir planen so, dass nur die Bereiche ausgeleuchtet werden, die entsprechend der jeweiligen Norm zu beleuchten sind. Auch aus Gründen der Effizienz beleuchten wir hier mit Mindeststärke." Bei der Montage der Leuchten achten die Mitarbeiter "akribisch" darauf, dass kein unnötiges Licht in die Atmosphäre gelangt, sagt Giersberg.
Ulf Fiebig stellt klar: "Wir freuen uns über solche Aktionen. Sie schärfen das Bewusstsein der Menschen für die Problematik." Der Kitzinger erinnert sich daran, wie er als Kind mitten in Franken in Sommernächten den sternenübersäten Himmel gesehen hat. "Heute ist das schwierig. Die Milchstraße erkennt man nur noch außerhalb von Orten richtig gut."
Immer größer werden dagegen die Lichtglocken über Würzburg, Schweinfurt, Bamberg oder Bayreuth. Diese Entwicklung zu stoppen, ist das Ziel, für das die Hobbyastronomen Mitstreiter suchen. "Wir hoffen, dass viele Gemeinden einen Lichtplan für umweltgerechte, wirtschaftliche Beleuchtung erstellen. Dafür gibt es Förderprogramme."
Jan Giersberg von den Stadtwerken Bamberg bestätigt das. "Antragsteller ist jeweils die Kommune. Wir bieten Unterstützung bei der Antragstellung an. Gerade gibt es wieder ein sehr attraktives Förderprogramm des Bundes." Das aktuelle "Antragsfenster" ist bis Ende September offen.
INFOS:www.ptj.de/klimaschutzinitiative-kommunen; www.stadtwerke-bamberg.de; www.forum-stellarum.de, Ulf Fiebig, Mail: u.fiebig@y-auriga.de