Ein 37-Jähriger verzögerte die Turmsprengung am AKW Grafenrheinfeld. Von der Polizei wurde er laut eigenen Angaben nicht entdeckt. "Ich war total überrascht", sagt der Aktivist. Das Präsidium setzt sich gegen diese Behauptung indes zur Wehr.
Das Ende zweier Wahrzeichen: Die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld sind seit Freitagabend (16. August 2024) Geschichte. Ein halbes Jahrhundert nach Baubeginn der Anlage wurden die Betonkolosse gesprengt. Aufregung herrschte derweil unmittelbar vor dem von langer Hand geplanten Abbruch. Durch eine Störaktion verzögerte sie sich die Turmsprengung um fast eineinhalb Stunden. "Ich war auf einem Strommast - ich glaube, in circa zehn Metern Höhe", berichtet Atomkraft-Aktivist Andreas Fichtner am Montag (19. August 2024) im Gespräch mit inFranken.de.
Mit seiner Aktion wollte der 37-Jährige öffentlichkeitswirksam ein Zeichen für die die zivile Nutzung der Kernenergie setzen. Kurz vor dem angesetzten Sprengtermin kletterte er auf einen Strommast im Absperrbereich des Kraftwerks. Das waghalsige Unterfangen verlief für ihn jedoch völlig anders als vorgesehen. Besonders prekär: Von den auf dem Areal tätigen Einsatzkräften wurde der Atomkraft-Befürworter augenfällig lange Zeit nicht bemerkt - während der für 18.30 Uhr angesetzte Zeitpunkt der Sprengung immer näher rückte. "Da hatte ich schon ein wenig Angst", gesteht Fichtner.
Kernkraft-Befürworter wundert sich über Einsatzkräfte - Polizeisprecher dementiert Darstellung
Vor seiner eigentlichen Maßnahme hatte sich der Aktivist laut eigener Schilderung im angrenzenden Wald versteckt. Schon hier habe er im Grunde schon damit gerechnet, aufzufliegen. "Ich war total überrascht. Ich dachte, wenn ich herauskomme, eilen sofort Leute herbei", hält Fichtner mit Blick auf etwaige Polizisten oder Sicherheitskräfte fest. Doch ungesehen sei es ihm gelungen, auf den besagten Strommasten emporzusteigen. "Das war nicht gefährlich. Ich war gut festgemacht mit dem Klettersteig-Set, das ich dabeihatte", erzählt der 37-Jährige, der für sein Vorhaben eigens aus Karlsruhe nach Unterfranken angereist war.
Angesichts des vorrückenden Uhrzeigers sei es ihm schließlich doch ein wenig mulmig zumute geworden, gesteht der Pro-Atomkraft-Aktivist. "Ich war sehr nervös", sagt Fichtner. "Ich bin auf den Masten hochgeklettert. Es kam aber niemand." Mit seinem Megafon habe er irgendwann proaktiv versucht, die Ordnungshüter auf sich aufmerksam zu machen. Laut seiner Ausführung allerdings vorerst vergeblich. "Ich habe mit dem Megafon 'hallo, hallo' gerufen - vielleicht zehn Minuten lang." Als um 17.40 Uhr aufseiten der Behörden von ihm noch immer keiner Notiz genommen hatte, habe er durchaus ein wenig Angst bekommen, gesteht er.
Um die bange Situation hinter sich zu lassen, habe er schließlich mit seinem Handy einen Freund kontaktiert, der in die Störaktion eingeweiht gewesen war. Dieser habe schließlich die Polizei verständigt, die bald darauf mit zahlreichen Kräften vor Ort gewesen sei. Die Polizei widerspricht gleichwohl dieser Darstellung. "Entdeckt hat ihn ein Polizist, der vor Ort positioniert war", betont ein Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken gegenüber inFranken.de nach Rücksprache mit der Polizeiinspektion Schweinfurt. "Der Kollege wurde auf ihn aufmerksam." Wie lang der Aktivist zuvor unbemerkt auf dem Strommast verweilte, sei nicht bekannt. "Wir haben ihn entdeckt und das Nötige in die Wege geleitet, um den Mann auf den Boden zu bringen", hält der Polizeisprecher fest.
AKW-Aktivist sorgt für Verzögerung von Kühlturm-Sprengung - Schadenersatz fällig?
So oder so - auf den Abbruch der Kühltürme hatte der Vorfall entsprechende Auswirkungen. "Aufgrund einer Person, die sich widerrechtlich im Sperrbereich aufgehalten hat, verzögert sich die Sprengung der Kühltürme", teilte das Polizeipräsidium Unterfranken am Freitag kurz vor 19 Uhr mit. Durch die Handlungen des Mannes bestehe der Anfangsverdacht der Nötigung, des Hausfriedensbruchs und einem Verstoß gegen die Allgemeinverfügung, erklärte das Präsidium in einer Medieninformation vom Samstagvormittag. Die Polizeiinspektion Schweinfurt leitete Ermittlungen ein. Wie es danach weitergeht, entscheidet die Staatsanwaltschaft.
Andreas Fichtner wurde nach seiner Aktion vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen. Nach mehreren Stunden sei er wieder auf freiem Fuß gewesen, berichtet der Kernkraft-Befürworter inFranken.de. Der Kraftwerksbetreiber prüft indessen Schadenersatzansprüche. "Zur Höhe der Mehrkosten können wir derzeit keine Angaben machen, deren Ermittlung läuft erst an", zitiert die Agentur dpa eine Sprecherin von Preussenelektra in Hannover.
Wenn es um Klimaschutz geht, wird in der Kommentarspalte immer laut nach schärferen Strafen gerufen. Hier ist es überraschend still.
Persönlich kann ich diese Aktion nicht nachvollziehen und finde sie eher seltsam. Schlussendlich ist die Anlage lange abgeschaltet und irreversibel in Rückbau. Die Kühltürme mögen symbolischen Charakter haben, aber faktisch war das Thema AKW-Betrieb in Grafenrheinfeld schon vor der Sprengung komplett erledigt.
Allerdings gibt es auf anderer Ebene eine Relation, die man zwischen der Aktion und den Klimaschutz-Protestaktionen ziehen kann: Es wirkt schon erstaunlich einfach in Sperrbereiche zu kommen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass in Grafenrheinfeld noch 21 Jahre potenziell gefährliches strahlendes Material zwischengelagert sein könnte.
Kann ich nur zustimmen, Ähnliches hab ich auch kommentiert, aber hat die Zensur nicht überstanden...