Gerade dieser Fokus habe es ihm ermöglicht, "die Tics zurückzuhalten", sagt Smiciklas. Das habe "viel Übung" gebraucht, ihm aber auch im Alltag sehr geholfen, "die Kontrolle wiederzugewinnen, die ich durch die Krankheit verloren hatte". Nach der Schule zieht es Smiciklas von Oberfranken nach München, wo er eine Ausbildung als Golf-Trainer abschließt, die es ihm auch ermöglicht, an bestimmten Turnieren teilzunehmen. "Ich habe an sieben Tagen die Woche gelehrt und in den Pausen und bis in den späten Abend trainiert", erzählt er.
Franke spielt das wichtigste Golfturnier seiner Karriere - dann bricht ein neuer Tic aus
Und das zahlt sich aus. 2018 spielt Robin Smiciklas eines seiner ersten größeren Profiturniere, das "Short Track Matchplay" in München, das in einem für den Golfsport außergewöhnlichen 1-gegen-1-Modus stattfindet. Im Achtelfinale trifft der ambitionierte Mittzwanziger auf den bisherigen deutschen Meister - und kann diesen zur großen Überraschung aller schlagen. Als er schließlich im Finale steht, kann er es selbst kaum fassen. "Ich hatte mich lange versteckt, hatte Zweifel daran, ob ich es wirklich schaffen kann, Fuß zu fassen."
Doch nun scheint dem großen Triumph kaum mehr etwas im Weg zu stehen - außer dem Wetter. "Ich erinnere mich noch ganz genau, ich stehe auf dem Platz, es gibt einen heftigen Regenschauer und dann - kurz vor dem Schlag - mitten im Finale beginnt plötzlich das Zucken im Zeigefinger." Er habe sofort gewusst, dass es ein neuer Tic sei, sagt der 30-Jährige, der "irgendwo zwischen Schock und Akzeptanz stand".
"Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich hab gesagt, ich ziehe das durch", erinnert er sich. "Dann habe ich einfach gewartet, bis es vorbei war. Den Tic rausgelassen, wie er kam." Smiciklas, im bisher wichtigsten Spiel seiner Karriere, bleibt ruhig - und gewinnt. "Dieser Moment hat auf einmal die Fesseln gesprengt", sagt er heute. "Ab da begann ich daran zu glauben, dass ich gewinnen kann". Seit 2019 lebt Smiciklas jetzt mit seiner Partnerin im mittelfränkischen Schwabach - und verfolgt einen großen Traum.
"Was die besten Spieler unterscheidet": Robin Smiciklas will hoch hinaus - und ein Vorbild sein
"2026 will ich ganz oben sein, da wo die besten Spieler weltweit stehen. Ich möchte wichtige internationalen Turniere, gewinnen, auf der PGA oder der European Tour", sagt Smiciklas. Und lässt keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint. "Ich bin aktuell noch immer Golftrainer, während die meisten meiner Konkurrenten das hauptberuflich machen. Ich trainiere den ganzen Tag andere Menschen, nicht mein eigenes Spiel. Und trotzdem kann ich Profi-Turniersiege in höheren Klassen vorweisen", sagt er selbstbewusst. Und: "Was die besten Spieler der Welt von anderen unterscheidet, ist vor allem der Kopf, die Fähigkeit, absolute mentale Stärke zu zeigen und sich zu 100 Prozent unter Kontrolle zu haben."
Gleichzeitig sei auch seine Erkrankung ein Antrieb für ihn. "Ich weiß, dass ich bei weitem nicht der Einzige bin, es gibt viele Profi-Sportler, die auch Tourette haben - wenn man selber betroffen ist, erkennt man das." Deshalb wolle der 30-Jährige ein Vorbild dafür sein, offen mit der Erkrankung umzugehen. "Ich will mich nicht mehr verstecken", sagt er. "Wenn man mich fragt, wer ich bin, dann sage ich: Ich bin Robin, 30, ich bin professioneller Golf-Sportler und ich habe das Tourette-Syndrom."
Er habe die Erfahrung gemacht, dass diese Transparenz auch mehr Verständnis erzeuge. Etwa Verständnis dafür, dass "jemand mit der Krankheit abends viel erschöpfter ins Bett geht, weil er unter dem Tag immer wieder Tics unterdrücken musste." Er verurteile es nicht, wenn Betroffene, die Schimpfwörter äußern, zum Beispiel auf TikTok ironisch damit umgehen. "Das Problem ist aber, dass die wenigsten Menschen die 'unklareren' Anzeichen erkennen, die bei den meisten Erkrankten auf Tourette hinweisen." Die Hemmschwelle muss fallen - auf beiden Seiten, davon ist der Schwabacher fest überzeugt. Dann sei es auch Betroffenen möglich, trotz Tourette die eigenen Ziele zu erreichen. Und seien sie noch so groß.
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