In Nürnbergs Partnerstadt Charkiw in der Ukraine finden aktuell schwere Kämpfe statt. Daniel Nevaril vom Amt für Internationale Beziehungen versucht, von Nürnberg aus Kontakt zu seinen Kolleg*innen zu halten und erhält beunruhigende Berichte.
- Nürnbergs Partnerstadt Charkiw Ziel von heftigen Angriffen
- Amt für Internationale Beziehungen in Nürnberg: "Kontakt zum Rathaus Charkiw fast unmöglich"
- "Nacht war sehr schlimm": Kollege aus Charkiw berichtet am Telefon
- Nevaril bedrückt: "Seit gestern sehe ich Bilder von Gebäuden, die ich kenne"
Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine und seit 1990 Partnerstadt Nürnbergs. Daniel Nevaril ist Ansprechpartner des Amts für Internationale Beziehungen in Nürnberg und koordiniert gerade ein Ankerzentrum für ukrainische Flüchtlinge. Im Gespräch mit inFranken.de erzählt er von seinem letzten Gespräch mit einem Kollegen in Charkiw, der ihm einen Eindruck von der dort herrschenden Lage gab.
Partnerstadt Nürnbergs Charkiw unter Beschuss - "unter maximaler Anspannung"
Am Mittwoch (2. März 2022) ist die Zerstörung in der Stadt Charkiw weiter gewachsen. Laut Gebietschef Synjehubow habe es nachts Luftangriffe gegeben und mehrere Feuer seien ausgebrochen, meldet die dpa. Das Hauptquartier der regionalen Polizei und des Geheimdienstes soll außerdem nach Angaben des staatlichen ukrainischen Katastrophenschutzes von einem russischen Angriff getroffen worden sein. Der örtliche Zivilschutz habe berichtet, dass dabei erneut Wohnhäuser getroffen worden sein, so die dpa weiter.
Inmitten dieses Gefechts befinden sich Kolleg*innen von Nevaril. "Ich versuche, Kontakt zum Rathaus in Charkiw zu halten, aber das ist mittlerweile fast unmöglich. Meine Kolleginnen und Kollegen antworten sehr unregelmäßig per Mail. Sie sind zu Hause, in einem Bunker oder Keller ihres Hauses", schildert er. Einige Leute aus dem künstlerischen Bereich wollten derzeit auch nicht kontaktiert werden. "Sie haben Angst, dass sie auf eine Liste kommen, wenn die Russen dann da sind." Eine Kollegin, der er am Morgen geschrieben habe, habe nicht geantwortet. Wenn sich Gespräche ergeben, seien sie nur sehr kurz.
"Ich habe heute Morgen meinen Kollegen angerufen, der schon mindestens 65 Jahre alt ist, aber noch weiter arbeitet. Er sagte zu mir: ‚Alles okay, mir geht’s so weit. Die Nacht war sehr schlimm und ich kann jetzt nicht mehr weiter sprechen. Ich melde mich wieder.‘ Er klang sehr schwach. Er wohnt in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand und ich kann mir vorstellen, dass in der Nacht Raketeneinschläge zu hören waren und man ist natürlich in maximaler Anspannung ist."
Charkiw war lebendige Stadt: "Sehe Bilder von Gebäuden, die ich kenne"
Nevaril habe im späten Herbst Charkiw selbst noch besucht und sei begeistert von der modernen Stadt gewesen. "Ich habe diese Stadt als eine sehr schöne, sehr lebendige junge Stadt mit wahnsinnig viel Kultur erlebt. Charkiw ist sehr modern, hat viele Clubs und Restaurants", beschreibt er. Auch die Architektur sei interessant. "Ich kam ganz begeistert zurück und konnte es gar nicht erwarten, wieder hinzukommen, und wenn ich das alles jetzt sehe, ist es noch einmal krasser."
In den ersten Tagen seien höchstens Raffinerien oder periphere Stadtgebiete getroffen worden. "Aber seit gestern sehe ich Bilder von Gebäuden, die ich kenne. In denen ich sogar drin war und weiß, 300 Meter weiter ist mein Hotel und da ist das nette Café von damals. Ich weiß, wo diese Rakete einschlägt und, dass ein Bekannter von mir 500 Meter weiter wohnt", erläutert Nevaril am Mittwoch eindrücklich.