Nürnberg erhält eine Villa für die Kunst

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Restaurierung eines Gemäldes durch die Restauratorin Eva Pridöhl. Foto: Annette Kradisch
Restaurierung eines Gemäldes durch die Restauratorin Eva Pridöhl. Foto: Annette Kradisch
Im Dezember 2013 waren die Innenräume der Kunstvilla noch deutlich spärlicher möbiliert. Foto: Annette Kradisch
Im Dezember 2013 waren die Innenräume der Kunstvilla noch deutlich spärlicher möbiliert. Foto: Annette Kradisch
 
Architektenzeichnung der Villa von Heinrich Theodor Schmidt (1834-1904). Er fertigte Zeichnungen für den Bauherrn Emil Hopf an. Foto: Bauordnungsbehörde Nürnberg
Architektenzeichnung der Villa von Heinrich Theodor Schmidt (1834-1904). Er fertigte Zeichnungen für den Bauherrn Emil Hopf an. Foto: Bauordnungsbehörde Nürnberg
 
Andreas Bachs Bild "Vorstadtkarussell" von 1920. Foto: Echtzeit Medien
Andreas Bachs Bild "Vorstadtkarussell" von 1920. Foto: Echtzeit Medien
 
Foto: Stadt Nürnberg
Foto: Stadt Nürnberg
 
Dore Meyer-Vax' Bild "Mädchen im Sessel" von 1949. Foto: Echtzeit Medien
Dore Meyer-Vax' Bild "Mädchen im Sessel" von 1949. Foto: Echtzeit Medien
 

Die fränkische Kunst von 1900 bis heute hat endlich ein neues Zuhause gefunden: Mit der "Kunstvilla" in der Blumenstraße direkt vor den Toren der Stadt eröffnet Nürnberg am 24. Mai ein Museum für regionale Kunst. Zu sehen sind Kunstwerke von Peter Angermann bis Toni Burghart.

Geschweifte Giebel, märchenhafte Tragefiguren: Die Villa mit der malerischen Dachlandschaft versprüht ihre Pracht schon von weitem. Wie aus dem Ei gepellt präsentiert sich der neobarocke Prachtbau aus dem Ende des 19. Jahrhundert nach den dreijährigen Renovierungsarbeiten. Über ein herrschaftliches Entrée gelangt der Gast in das vornehme Vestibül im Erdgeschoss. Spätestens jetzt spürt man: Hier stimmt etwas nicht. In der Villa wohnt nicht mehr Emil Hopf, der steinreiche jüdische Hopfenhändler. Würde sonst über dem mondänen Treppenaufgang "der Führer" als stilisierte Ikone des Grauens mit Scheitel, Bart und Swastika-Armbinde seelenlos mit Knopfaugen grüßen? Nein: In der Villa wohnt jetzt die Kunst.
Der 2008 in Nürnberg verstorbene und 1928 ebenda geborene Künstler Toni Burghart hat das stilisierte Hitler-Porträt "A Portrait of the Artist as a Young Man" in den Neunzigern gemalt und nach seinem Tod seiner Heimatstadt vermacht.

Die hatte für Kunst von 1900 bis heute lange keinen geeigneten Ort. Aus Platzmangel zierten die neuesten Werke aus Nürnberger Künstlerhänden oftmals als "Bürobilder" die Wände von Beamten und verstaubten in den städtischen Verwaltungsstuben vor sich hin. Damit ist nun Schluss. Ein reicher Verleger verkaufte die Villa für einen Euro an die Stadt. Nürnberg kratzte über sechs Millionen zusammen, um aus dem schönen Gemäuer mit seiner wechselvollen Geschichte ein "Walhalla für die fränkischen Künstler" zu schaffen, wie Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) es kurz vor der feierlichen Eröffnung am Wochenende formulierte. Mit der Kunstvilla, so Maly weiter, stille die Stadt endlich die "Ursehnsucht nach einer fränkischen Galerie". Als der Freistaat das Projekt mit zwei Millionen unterstütze, nahm der Traum tatsächlich Gestalt an.

Aufwendig restauriert

Während die Arbeiter die Bausünden der wechselvollen, 120-jährigen Villen-Geschichte in der Blumenstraße 17 beseitigten (sogar Nasszellen und Zwischenwände wurden in den 60er Jahren eingebaut, um den Prachtbau als Pension zu nutzen), arbeitete Dr. Andrea Diller im Hintergrund emsig daran, die städtischen Kunstbestände aus dem relevanten Zeitraum von 1900 bis heute zusammenzuführen. Rund 1500 Werke lagerten in Archiven oder verstaubten in Büros. Knapp 900 wurden bislang katalogisiert. Davon schafften es 100 Werke in die Eröffnungsausstellung. Freilich mussten 90 Prozent der Bilder vorher aufwendig restauriert werden. Die zwölf Räume hat Museumsleiterin Diller dafür genutzt, eine chronologische und thematische Verortung der fränkischen Kunst nach 1900 zu zeigen. Auf 600 Quadratmeter stehen sich Stadtansichten und Landschaftsbilder, Porträts von Frauen und Kindern in den Räumlichkeiten gegenüber. Zwei Ausstellungsräume mit Stillleben aus fränkischer Hand zeigen die stilistische Entwicklung der Malerei von 1900 bis zur Abstraktion der Moderne. Der Schau wird durchbrochen von zeitgenössischen Arbeiten von Studenten der Klasse Simone Decker an der Kunst-Akademie Nürnberg. "Interventionen" heißen diese Arbeiten, die sich sowohl mit dem Ort als auch der Sammlung selbst auseinandersetzen.

Prächtige Villen mit blühenden Gärten prägten einst die Marienvorstadt. Die jüdische Familie Hopf gelangte im 19. Jahrhundert mit dem Handel von Hopfen zu großem Wohlstand. Nürnberg war zeitweise das Welthandelszentrum des "grünen Goldes". Erst die Liberalisierung der diskriminierenden Gesetzgebung im Jahr 1850 habe es auch Bürgern jüdischen Glaubens wie Emil Hopf erlaubt, in Städten wie Nürnberg "wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung" zu suchen, schreibt Sebastian Gulden in dem bemerkenswerten Ausstellungskatalog "Kunst/Villa", der pünktlich zur Museumseröffnung im Verlag für Moderne Kunst erschienen ist. Löb Hopf war 1851 aus Uehlfeld im Aischgrund in die Frankenmetropole gekommen. Zunächst lief der Hofenhandel prächtig. Villen wurden reihenweise in der Blumenstraße gebaut. 1908 wurde sogar eine Automobilhalle mit eigener Tankstelle im Garten errichtet. Als das Geschäft nicht mehr lief, zog sich Emil Hopf aus dem öffentlichen Leben zurück und verkaufte die Villa in der Blumenstraße 17 im Jahr 1920 an das befreundete Unternehmerpaar Grünfeld aus Berlin. 1932 wurde aus dem Haus eine Pension. 1935 zog das städtische Straßen- und Flussbauamt in die edle Hütte ein.

40-jährige Odyssee

Nach den Novemberprogromen 1938 wurde das Unternehmen, in dessen sich Besitz sich die Villa damals befand, arisiert. Mitten im Krieg entzog Bayern der jüdischen Besitzerin die Villa. Die Nachbarvillen in der Blumenstraße dienten den Nazis bis Kriegsende als "Judenhäuser". Von dort wurden viele in die Vernichtungslager deportiert oder in den Selbstmord getrieben. Der Bombenhagel der Alliierten legte auch die prachtvolle Marienvorstadt in Schutt und Asche. Wie ein Solitär ragte nur die Hopf-Villa in der Blumenstraße 17 aus dem Trümmern. Bereits 1950 erhielten die ursprünglichen Eigentümer, denen teilweise die Flucht gelungen war, ihre Besitztümer zurück. Margarete Grünfeld verkaufte die Villa 1959 an einen einflussreichen Verleger aus Nürnberg, der das Gemäuer zuletzt unter anderem als Lagerraum "nutzte". 2006 schenkte Bruno Schnell das Haus der Stadt, um dort eine "Fränkische Galerie" einzurichten. Am Wochenende wird das Haus in der Blumenstraße nun feierlich eröffnet. Eine lange Suche und 40-jährige Odyssee geht damit zu Ende. Die ausgestellten Werke sollen ständig variieren. Die Villa bietet sogar Platz für Sonderausstellungen und museumspädagogische Konzepte.

Die Kunstvilla ist eine architektonische Perle für das "who is who" der fränkischen Kunstszene. "Nun beginnt die spannende Aufgabe, aus der Kunstvilla nicht nur ein Haus für die Kunst, sondern auch ein Haus für das Publikum zu machen", betont Andrea Diller. Für die Stadt sei es ein Neuanfang, sich ihrer "künstlerischen Vergangenheit und Gegenwart zu vergewissern". Am 24. Mai um 10 Uhr startet die Eröffnungsparty. Am ganzen Wochenende feiert die Stadt ihren neuen Kulturtempel mit kostenlosen Führungen, Werkstätten zum Mitmachen und Live-Musik. Sogar ein eigenes Bier mit dem schönen Namen "Der Kunst eine Schanze" hat die Stadt dem Haus spendiert. Wenn das alles kein Grund zum Anstoßen ist.

Alle Infos zum Programm am Eröffnungswochenende und den Öffnungszeiten gibt es hier.