Ein Schritt der Annäherung nach der NSA-Affäre hätte es werden können, als sich der US-Generalkonsul Bill Moeller und der Präsident der Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig, am Dienstag in Nürnberg getroffen haben. Dass es dazu nicht gekommen ist, zeigt, wie groß die Kluft nach dem Snowden-Skandal zwischen beiden Ländern geworden ist.
Es ist kein leichter Termin für Thomas Kranig. Sichtlich angespannt wartet der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht auf seinen Gesprächspartner aus den USA. Als der schwarze Geländewagen mit den dunklen Scheiben vorfährt und die Männer mit dem Kopf im Ohr aussteigen, dürfte es Thomas Kranig zum ersten Mal an diesem Abend mulmig geworden sein. Kranig hat nicht viel mehr Behördenmitarbeiter im Rücken, als der Generalkonsul aus den USA als Sicherheitspersonal an einem Abend wie diesem im Gepäck hat.
17 sind es an der Zahl, die das im Grundgesetz verbriefte Recht der bayerischen Bürger auf informationelle Selbstbestimmung schützen sollen. Da kann selbst einem Präsidenten schon einmal Angst und Bange werden angesichts dieser ungleichen Kräfteverhältnisse. Sogar eine Brosche in den Farben des Freistaates und der Vereinigten Staaten hat sich Kranig ans Revers geheftet.
Sicher als Zeichen des guten Willens, nach dem NSA-Skandal und den Snowden-Enthüllungen positiv nach vorne zu blicken. Dann betritt Bill Moeller mit grauem Anzug, bunter Krawatte und lässigen Mokassins den Saal.
Auf Einladung der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg soll der Datenschützer Kranig mit dem Datenschnüffler Moeller die Sammelwut der US-Geheimdienste diskutieren. Die Überschrift des Abends lautet: "Un-Begrenzte Möglichkeiten? Zur Krise ausgespähter und ausspähender Demokratien". Vielleicht 20 Zuhörer mögen sich ins Eckstein-Haus am Hauptmarkt verlaufen haben. Manche schauen Erhard Eppler, dem friedensbewegten Sozialdemokraten, zum Verwechseln ähnlich. "Viele Nürnberger sind heute nicht zu uns geströmt", stellt Pfarrer Willi Stöhr zur Begrüßung mit einem auffallend breiten Lächeln nüchtern fest. Dann geht es los.
Nicht mit einer Diskussion, sondern mit einem 20-minütigen Eröffnungsstatement. Thomas Kranig muss als erster ans Rednerpult. "Wir können den Status Quo nicht hinnehmen", sagt er und versucht wohl unbewusst nicht direkt in die Augen des US-Generalkonsuls zu blicken.
Es sei nun einmal seine Aufgabe, sagt Kranig, dass deutsches Recht auf deutschem Boden beachtet werde. Dann zeigt er an zahlreichen Beispielen, dass sich die USA offenbar einen Kehricht um das deutsche Recht auf deutschem Boden scheren. Mit der Zeit gewinnt Kranig spürbar an Selbstsicherheit. Schließlich gipfelt der Vortrag in der Feststellung, dass man eigentlich Facebook & Co. sofort vom deutschen Markt verbannen müsste.
Warum? Weil die USA diese Unternehmen zwingen würden, die im Ausland von Ausländern gesammelten Daten samt und sonders herauszugeben.
"Sicherheit ist Voraussetzung für Frieden." Freilich wünscht sich das Kranig nicht. Der Datenschutz-Präsident setzt auf den guten Willen der Amerikaner, wohl, weil ihm die Macht fehlt, den amerikanischen Überwachungswahn zu unterbinden. Während Kranig sich also inhaltlich in Rage redet, hört Moeller mit einem Finger auf den Lippen beinahe regungslos zu. Dann ist er an der Reihe. Wer auf ein offenes Wort gehofft hatte, wird schnell enttäuscht. Der Konsul hat einfach eine Rede seines Chefs mitgebracht. Obama soll ihm in dieser schweren Stunde vielleicht zur Seite stehen. Nach dieser ermüdenden Ouvertüre soll es endlich losgehen mit dem Diskutieren und dem Sich-wieder-näherkommen.
Richtig ins Gespräch kommen die beiden Antipoden des Abends aber nicht.
Auf Nachfrage aus dem Publikum sagt Moeller: "In der Tat brauchen wir Geheimdienste, um Demokratien weltweit zu fördern." Ohne Sicherheit gibt es in den Augen des Amerikaners keine Freiheit. Und weiter in dieser Tonart: "Sicherheit ist Voraussetzung für Frieden." Snowden hätte nicht nach Moskau abhauen sondern den USA flüstern sollen, welch gigantische Überwachungsgier sich in dem bombastischen US-Geheimdienst-Apparat ausgebreitet hat. Was das den Deutschen hätte helfen sollen, wüsste sicher auch Thomas Kranig gerne. Bill Moeller würde wohl sagen: Sicherheit.