Bürger stimmen gegen Ausmalung des Nürnberger Rathaussaals

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Der Vereinsvorsitzende der «Altstadtfreunde Nürnberg», Karl-Heinz Enderle, steht im Historischen Rathaussaal in Nürnberg. Archivfoto: Daniel Karmann/dpa
Der Vereinsvorsitzende der «Altstadtfreunde Nürnberg», Karl-Heinz Enderle, steht im Historischen Rathaussaal in Nürnberg. Archivfoto: Daniel Karmann/dpa
Ein Wahlplakat in Nürnberg Foto: Nikolas Pelke
Ein Wahlplakat in Nürnberg Foto: Nikolas Pelke
 

Die Wände sind weiß. Das soll nach dem Willen der Nürnberger auch so bleiben. 68 Prozent haben das Bürgerbegehren am Sonntag für eine Bemalung des Rathaussaales nach den historischen Motiven von Albrecht Dürer abgelehnt. Die Diskussion über den Umgang mit dem "Dürer-Saal" ist damit nicht zu Ende. Im Gegenteil.

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Wenn es um die Kunst geht, beißt sich der Hund nicht selten in den Schwanz. Besonders die "Pfeffersäcke" in der Frankenmetropole philosophieren gerne über den Preis, den Wert und die Kosten. Die Kunst droht in der Zahlen-Debatte unterzugehen. Zwischen sechs und neun Millionen Euro, so rechnete die Stadt vor, würde die Neu-Bemalung des kahlen, kriegszerstörten Rathaussaales kosten. "Das Kosten-Argument hat uns das Genick gebrochen", konstatierte denn auch Karl-Heinz Enderle, der Vorsitzende der Altstadtfreunde, nach der Wahlniederlage. Der einflussreiche Verein hatte sich für eine Umgestaltung der "guten Stube" der Stadt stark gemacht.

Die Gegner der Neugestaltung mit Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) an der Spitze führten freilich auch kunsthistorische Argumente ins Feld. Die Stadt kritisierte das Ziel der Wiederherstellung des Saales als "kunsthistorisch zu kurz gegriffen", weil durch die mehrfache Übermalung und die vollständige Zerstörung der Saalbemalung im Zweiten Weltkrieg das "künstlerische Erbe Dürers unwiederbringlich zerstört" sei.

Zwar wurde die Ausmalung des Saales kurz vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auf Farbfotos festgehalten. Allerdings befand sich die Ausgestaltung nicht mehr im Urzustand. Ein tiefgreifender Umbau aus dem Jahre 1617 hatte bereits den Saal früh verändert. Besonders fatal bewerteten Kunst-Experten die letzte "Restaurierung" in den Jahren 1904 und 1905. "Was der Kerl damals gemacht hat, war eine denkmalpflegerische Katastrophe", sagt Thomas Schauerte, der Leiter der städtischen Kunstsammlungen, über die Arbeit von Hans Haggenmüller. Dieser "drittklassige" Restaurator aus München habe die berühmte Saalausmalung, die Albrecht Dürer entworfen und Schüler seiner Werkstatt 1521 begonnen und spätestens 1530 fertiggestellt hatten, seinerzeit "verunstaltet". Kunsthistorisch völlig undenkbar sei es, die Farbfotos von 1944 als Grundlage für eine neue Bemalung zu nehmen. Indes waren die Altstadtfreunde nicht so naiv zu glauben, man könne einen modernen Dürer für die künstlerische Neugestaltung des Saales gewinnen. Renommierte Kunstexperten wie der Göttinger Professor Carsten-Peter Warncke plädierten dafür, zumindest das ikonografische Programm zu rekonstruieren.

Ziel wäre also nicht gewesen, die Pinselstriche des Meisters aus Nürnberg nachzuahmen, sondern seine Bildideen aus historischen Vorlagen zu kopieren. So hätten vielleicht wenigstens die zentralen Motive wie der "Triumphzug" als Huldigung an Kaiser Maximilian I. oder die "Verleumdung des Appelles" als Mahnung an die Richter zur Gerechtigkeit, die Nordwand des Rathaus-Saales wieder zieren können.

Mit der "Schlappe" am Sonntag ist das Thema indes längst nicht vom Tisch. Denn mit dem "Nein" beim Bürgerbegehren haben die Nürnberger gleichzeitig für ein Konzept gestimmt, dass das Rathaus in seiner 700-jährigen Geschichte museal erschließen soll. Pünktlich zum 500. Jubiläum des "Dürer-Saales" im Jahr 2021 will die Stadt eine Ausstellung über die facettenreiche Geschichte des Rathauses auf die Beine stellen. Selbstverständlich solle darin auch die Ausstattung und Bemalung des Saales eine wichtige Rolle spielen. Daneben sollen aber auch die historischen Ereignisse wie das berühmte Friedensmahl zum Ende des 30jährigen Kriegs in der Schau dargestellt werden. Derzeit ist der Rathaus-Saal für die Öffentlichkeit geschlossen. Im Rathaus selbst können Besucher nur die Lochgefängnisse bewundern. Eigentlich ein Anachronismus in der Stadt der Menschenrechte.

Rund 1,5 Millionen hat die Stadt für Ausstellung veranschlagt. Oberbürgermeister Maly kündigte nach seinem "Wahlsieg" an, das Vorhaben "rasch" in die Tat umzusetzen. Dabei sollen auch originale Malereien in den Fensterbeleibungen aus der Dürer-Zeit wieder in neuem Glanz erstrahlen. Kunst-Experten wie Thomas Schauerte setzen darauf, dass in diesem Zusammenhang auch noch weitere erhaltene Überreste des "Dürer-Saales" genau unter die Lupe genommen werden. Denn im Vergleich zu anderen Werken des berühmtesten Künstlers der Stadt ist die malerische Ausstattung nicht nur beim Publikum weitgehend unbekannt. Der "Dürer-Saal" sei auch in der Forschung ein Stiefkind, stellte zuletzt Professor Warncke nüchtern fest. Dabei war die Ausmalung seinerzeit das größte Wandgemälde in Europa. Erst die Fresken in der Sixtinischen Kapelle übertrafen die Bilderwelten in dem historischen Tonnengewölbe in der Nürnberger Altstadt.