Es dreht sich alles um ein kleines Schweinchen: Je näher beim Boule die großen an der kleinen Kugel landen, desto besser. Besonders schön kann man das "Cochonnet" im idyllischen Renaissance-Garten des Tucherschlosses mitten im Herzen der Nürnberger Altstadt treffen. Ein Spielbericht.
Das Wasser plätschert, die Vögel zwitschern. "Ein guter Wurf!", ruft Jérôme Rousselot in die Stille des Gartens hinein. "Die Hand muss vor der Kugel sein", erklärt der 37-jährige Mann von der Atlantikküste, der es rein äußerlich mit D´Artagnan locker aufnehmen könnte. "Wir nähern uns schon dem Schweinchen an", freut sich Rousselot, während sich Erika Grimm bereit macht für den nächsten Wurf.
Mit viel Gefühl versucht sie, die große Silberkugel in die Nähe eines kleinen Balles zu bugsieren. "Alles dreht sich beim Boule um das kleine Schweinchen", erzählt Rousselot, das Boule-Musketier aus Arcachon. Je näher die großen an der kleinen Kugel landen, umso besser. "Am besten ist natürlich, wenn man das Cochonnet genau auf den Kopf trifft", erklärt der Pétanquer aus dem Mutterland des Kugelsports seinen deutschen Mitspielern.
Spiel, Sport und Vergnügen Genau auf den Kopf hat Erika Grimm das Schweinchen nicht getroffen. Aber ziemlich nahe liegt der große schon beim kleinen Metallball. Rousselot wirft trotzdem einen kritischen Blick auf das Stillleben im Kiesbett. Dann hebt er drei Finger wie zum Schwur in die Luft. Das heißt so viel wie, drei Kugeln streiten sich um den schönsten Platz beim Schweinchen. Mit einer unbestechlichen Schnur überprüft Rousselot jetzt, wer seinen Boule am besten geworfen hat. Während die Pétanque-Spieler das Stillleben diskutieren, spaziert die Schlossherrin durch den pittoresken Garten in der Nürnberger Altstadt.
"Ein Renaissance-Garten war schon immer für Spiel, Sport und Vergnügen da", erzählt Ulrike Berninger und zeigt auf ein paar Blumen, das Wasserspiel und die vielen Kräuter und Obstbäume, die den Garten zieren. Freilich befinde sich das Kleinod nicht mehr im Originalzustand von 1533. Damals reichte das Grün bis zur Stadtmauer. Auch die Gewächse wechselten sich im Laufe der Moden und Epochen ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man langsam versucht, sich dem Urzustand des Gartens gestalterisch wieder anzunähern, berichtet die Leiterin des Museums Tucherschloss. "Dieses Erbe und diese Tradition greifen wir heute wieder auf", sagt Berninger, während im Hintergrund fleißig auf das Schweinchen gezielt wird.
Sie wolle dieses Paradies den Menschen in der Stadt zugänglich machen, erzählt Berninger. Deshalb rümpft sie nicht die Nase, wenn Leute zum Picknicken oder Murmelwerfen in den Garten kommen. "Diese idyllische Renaissance-Insel mitten im Herzen der Stadt ist einfach zu schön, um ständig verschlossen zu sein", sagt sie. Die Menschen, die hier leben, sollen ihre Schätze auch wirklich erleben können, findet Berninger.
Genau auf den Kopf Derweil streiten die "Kugelstoßer" weiter leidenschaftlich um den besten Platz beim Cochonnet. Zwei, vier oder sechs Spieler treten in zwei Mannschaften gegeneinander an. "Wir machen ein Triplette, drei gegen drei, das ist optimal", sagt Jérôme Rousselot. Jeder Spieler bekommt zwei Kugeln. Punkte gibt es jeweils für die Mannschaftskugeln, die dem Schweinchen am nächsten gekommen sind. Bei 13 Punkten beginnt ein neues Spiel.
"In Marseille streiten sie immer ganz laut, wenn es um die Punkte geht", erzählt Rousselot. Leonhard Grimm hat das Boule-Fieber schon gepackt: "Je mehr man spielt, umso ehrgeiziger wird man." Verbissen geht es trotzdem nicht zu. Ein Hauch von Savoir vivre weht durch den Schlossgarten. "Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein kleiner Pastis", sagt der Boule-Meister und wirft - es stimmt wirklich - dem Cochonnet die Kugel genau auf den Kopf.
Details zum Spiel Boule kann man im Renaissance-Garten des Tucherschlosses zu den normalen Öffnungszeiten des Museums spielen. Wer keine eigenen Spielkugeln dabei hat, kann gegen ein Pfand in Höhe von 20 Euro ein Set an der Museumskasse ausleihen. Auch Picknicken ist im Schlossgarten alles andere als verboten. Beim Bildungszentrum Nürnberg bietet Jérôme Rousselot jedes Jahr einen Boule-Kurs an. Die französische Sprache muss man dafür nicht können.
Öffnungszeiten: Sonntags von 10 bis 17 Uhr, montags von 10 bis 15 Uhr sowie donnerstags von 13 bis 17 Uhr.
Preise: Es gilt der reguläre Eintritt von 5 Euro, 3 Euro ermäßigt.
Homepage:
www.museen.nuernberg.de/tucherschloss