Unwetter werden häufiger. Um für solche Ereignisse gewappnet zu sein, wurde im Kreis Lichtenfels eine Dispogruppe "Starkwetter" aufgebaut.
Matthias EInwagEs regnet ohne Unterlass. Der Himmel öffnet seine Schleusen. Gräben werden zu Bächen, Bäche zu reißenden Flüssen. Das Wasser tritt über die Ufer und flutet Dorfstraßen. Keller laufen voll. Die Flut reißt alles mit sich fort. Verstopft angeschwemmter Unrat dann noch Abflussrohre oder verklemmt sich an Brücken, ist schnelles Handeln erforderlich, um Menschen zu schützen und den Sachschaden so gering wie möglich zu halten.
Weil solche Starkwetterereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen haben, wurde unter Federführung von Kreisbrandrat Timm Vogler und der beiden Kreisbrandmeister Jochen Bauer und Oliver Schardt eine Arbeitsgruppe gebildet, der die Stützpunktkommandanten angehörten.
Ziel war es, eine Spezialeinheit zusammenzustellen, die bei einem schweren Unwetter schnell reagieren kann.
Zwei auslösende Ereignisse
Auslöser für die Initiative waren die wolkenbruchartigen Regenfälle in Prächting (31. Mai 2013) und Mistelfeld (26. April 2014). Erstellt wurde ein Einsatzkonzept zum Aufbau der landkreisweiten Dispogruppe "Starkwetter", die notfalls rund 200 Einsatzkräfte auf die Beine bringt. Neben der Feuerwehr sind das THW Bad Staffelstein und die Rettungsdienste einbezogen.
Warum eine solche Dispogruppe, die es derzeit in keinem anderen Landkreis gibt. Bislang, sagt Jochen Bauer, habe die Koordination und Einleitung wirksamer Maßnahmen zu viel Zeit in Anspruch genommen.
Weil diese Wetterereignisse keinem bestimmten Ort zuordenbar sind, weil sie in Häufigkeit und Intensität zunehmen und weil auch die Vorhersagen zu ungenau und lokal nicht eingrenzbar sind, sei der Entschluss zur Gründung der Dispogruppe gefallen.
Wann rückt die Dispogruppe aus?
Einsatzszenarien für die Dispogruppe sind mehrere vollgelaufene Keller, ein größeres überschwemmtes Firmengelände, unkontrollierter Wasserabfluss, von Hochwasser bedrohte Häuser, überschwemmte Straßen und erheblicher Schlammeintrag. Die Einsatzabläufe, sagt Jochen Bauer, ähneln sich sehr und würden dadurch auch planbar. Erforderlich seien schnell verfügbare spezielle Einsatzmittel, eine koordinierte Alarmierbarkeit, der zielgerichtete Einsatz der Mittel und das konkrete Wissen über Menge und Qualität dieser Mittel - vor allem Sandsäcke.
Wettlauf gegen die Zeit
Höchst wichtig sei aber auch das Wissen über die topographischen Besonderheiten vor Ort. Deshalb prüfe die Ortsfeuerwehr zunächst die Situation und gebe eine Lagemeldung. Inzwischen würden Wetterdaten abgeglichen. Dafür seien rund fünf Minuten veranschlagt. Ab jetzt läuft die Uhr: "Wir wollen landkreisweit binnen 45 Minuten unter Hinzuziehung von Einsatzmitteln und Logistik Hilfe leisten", sagt Jochen Bauer.
Sobald die Entscheidung gefallen ist, dass die Dispogruppe "Starkwetter" eingesetzt werden soll, erfolgt die Alarmierung über die Integrierte Leitstelle (ILS). Nach der qualifizierten Lagemeldung und Alarmierung rücken bis zu sechs Einsatzzüge aus, die sich aus verschiedenen Wehren des gesamten Kreisgebiets zusammensetzen.
Sie beziehen ihren Bereitstellungsraum vor Ort und werden von hier aus auf die Schwerpunkte verteilt.
Anlieferung von Material
Parallel dazu werden bis zu drei Logistikfahrzeuge losgeschickt, die befüllte Sandsäcke zum Einsatzort bringen. Zudem wird weiteres Material angeliefert, das zum Schutz von Gebäuden geeignet ist: Schaltafeln, Kanthölzer, Baufolie ...
Jede der elf Landkreiskommunen hat eingewilligt, 1000 befüllte Sandsäcke einzulagern, die notfalls schnell verladen und abtransportiert werden können. Leider sind jedoch bisher noch nicht alle Städte und Gemeinden ihrer Verpflichtung vollständig nachgekommen.
"In 45 Minuten wollen wir 2000 Sandsäcke vor Ort haben." Für den Erstangriff sei das ausreichend, sagt der Kreisbrandmeister, denn 100 bis 150 Sandsäcke genügen in der Regel, um ein Haus zu schützen.
Außerdem steht die zentrale Sandsackfüllanlage in Trieb kurz vor der Inbetriebnahme. Dort können künftig zusätzlich 1500 Sandsäcke pro Stunde befüllt und dann an den jeweiligen Einsatzort transportiert werden.
Ob andere Kreise der Region ähnliche Vorbereitungen für die Auswirkungen des Klimawandels treffen wie Lichtenfels? Jochen Bauer lächelt und meint: "Ich denk', dass das bisher einzigartig ist."