Ein Paar bedroht sich - mit einer Glasscherben und fliegenden Gegenständen. Den Prozess wollte keiner von beiden. Die Staatsanwaltschaft sah das anders.
Als die junge Frau am Donnerstag im Zeugenstand Platz nahm, lächelte sie ihrem Freund aufmunternd zu. 13 Monate zuvor wurde sie von ihm aufgesucht und mit einer Eisenstange geschlagen. "Es hat mir nicht weh getan", sagte die 26-Jährige aus dem Altenkunstadter Raum. Auch drang sie schon zweimal darauf, das Verfahren doch gar nicht stattfinden zu lassen. Verhandelt wurde trotzdem.
Was genau den Streit zwischen der jungen Frau und ihrem 29-jährigen Coburger Freund am 24. Februar 2015 auslöste, darüber schwieg das Paar. Stattdessen: Umschreibungen. Es seien an diesem Tag Gemeinheiten vorgefallen, sagte der Coburger, der wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt war. Auf jeden Fall fand die Begegnung in der Arbeitsstätte der Frau statt - kurz vor Feierabend und ohne weitere Zeugen.
"Zu der Zeit waren wir getrennt", sagte das Opfer vor Staatsanwältin Daniela Möhrlein und Richter Stefan Hoffmann aus.
Hat es Schläge gegeben?
Nicht nur der 29-Jährige soll in Rage gewesen sein, auch seine Freundin, so der Mann während der Befragung, hätte ihm eine Glasscherbe an den Hals gehalten. Mit den Worten "Stirb!" und "Du Bastard!" umrahmt, habe sie ihn bedroht. "Wir sind zwei sehr dominante Personen", erklärte die junge Frau.
An Schläge, die er laut Anklageschrift mit der flachen Hand ausgeteilt haben soll, konnte oder mochte sich der Angeklagte nicht erinnern. Auch seine Freundin hielt sich diesbezüglich bedeckt. Bei der Frage, woher sie die Scherbe gehabt habe, blieb unklar, ob dieser Vorfall sich überhaupt am selben Tag wie der der Anklage abspielte.
Möglicherweise aber tat er das.
Denn als die Frau damals von ihrem Freund Besuch erhielt, soll viel zu Bruch gegangen sein. "Wir haben Gegenstände hin- und hergeworfen", erzählte die Frau.
"Ich habe versucht, ihr Angst zu machen", sagte der Beschuldigte. Dabei gingen Gläser zu Bruch. Und das Handy der Frau. Das habe ihr Freund mittlerweile ersetzt. Dabei merkte die Frau auch an, dass ihr neues Modell sogar moderner sei.
Zweimal, so die 26-Jährige, habe sie bei Gericht darum gebeten, dass ihrem Freund nicht der Prozess gemacht werde - auch weil sie ja keine Schmerzen gehabt habe und nicht sonderlich gehauen worden sei. Es schien beinahe so, als sei die Frau von der Vorstellung bewegt gewesen, ihrem Freund Unannehmlichkeiten zu bereiten. Die Staatsanwaltschaft entschied aber anders und so kamen alle im Gerichtssaal in Lichtenfels zusammen.
Auch der Vater der 26-Jährigen, ein 50-jähriger Arbeiter aus Altenkunstadt, wurde zur Anhörung geladen.
Der konnte zum damaligen Geschehen allerdings nicht viel sagen und schien überhaupt erst in dieser Gerichtsverhandlung davon erfahren zu haben, dass seine Tochter trotz des gewalttätigen Vorfalls wieder mit ihrem damaligen Freund zusammen ist.
Aggression auf beiden Seiten
Immer wieder betonten das vermeintliche Opfer und der Angeschuldigte, dass das Geschehene nicht weiter weh getan habe und dass auf beiden Seiten Aggression geherrscht habe. Ein derartiger Streit habe sich aber seitdem nicht mehr zugetragen. Nun war es sogar die Staatsanwaltschaft, die - auch weil es sich beim Angeklagten um einen nicht vorbestraften Mann handelte - eine Einstellung des Verfahrens anregte: gegen eine 2000 Euro Geldzahlung seitens des Anklagten allerdings.
Der wies darauf hin, dass er sich diesen Betrag nicht leisten könne. Also wurde bald eine andere Summe genannt: 900 Euro. "Kann man nicht runter gehen?", erkundigte sich der 29-Jährige bei dem hohen Gericht und erhielt ein Kopfschütteln von Richter Hoffmann als Antwort. Nun willigte er ein.