Begnadeter Boogie-Pianist verzaubert Lichtenfels

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Thomas Scheytt schien die Zeit in der einstigen Synagoge zu genießen. Foto: Markus Häggberg
Thomas Scheytt schien die Zeit in der einstigen Synagoge zu genießen. Foto: Markus Häggberg

Mit Thomas Scheytt war ein begnadeter Boogie-Pianist in der ehemaligen Lichtenfelser Synagoge zu Gast.

Thomas Scheytt saß kurz vor seinem Auftritt in der ehemaligen Synagoge im Auto und wartete. Wer ihn erkannte, wurde angelächelt. Überhaupt darf man sich den Mann, der als einer der besten zeitgenössischen Blues- und Boogie-Pianisten gilt, sehr freundlich vorstellen.

Freiburger Musikpreis, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, zweimaliger Gewinn des German Blues Award und jetzt hier in diesem kleinen Raum, den Scheytt aber loben sollte. So nahm er denn für knapp zwei Stunden eine für Boogie-Pianisten typische Körperhaltung ein, setzte den linken Fuß auf das rechte Pedal, wurde zuckendes Bündel voll expressiver Genauigkeit und Interpret launiger Spieleinfälle.


Stehende Ovationen

Wohl an die 40 Blues- und Boogie-Freunde waren gekommen. Viel oder wenig für Lichtenfels? Egal, gehen sollten die meisten von ihnen erst nach stehenden Ovationen. Vorher erlebten sie, dass aus dem Boogie-Woogie Grundstrukturen des frühen Rock 'n' Roll herauszuhören sind inklusive Ragtime von entzückender Melodiösität.
Was Scheytt aber besonders deutlich rüberbrachte, waren all die Subtilitäten einer Musik, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts von der Gitarre auf das Klavier übertragen wurde und dort wuchs.

Im "Suitcase Blues" gab es diese Passagen, die wie ein Spiel um Frage und Antwort klangen. Eindrucksvoll auch, wie Scheytt klangliche Effekte durch den Drucks des Anschlags hervorrief. Noch eindrucksvoller, wie die Moll-Tonlagen der rollenden Bässe oftmals Melodien anklingen ließen, die gar nicht so bluestypisch simpel waren, dann aber auch noch von in Dur gesetzten Phrasierungen beträufelt wurden. Scheytts Spiellaune war greifbar, kein Wunder also, dass der Mann am Klavier selbst mehr als nur einmal lächelte. Für sich, fürs Publikum, für die Musik und diesen Abend.


Lackschuhe mit roten Schnürsenkeln


Zum Auftreten Scheytts gehören auch die Schuhe. Vielmehr die Geschichte um die Schuhe. Diese Lackschuhe mit roten Schnürsenkeln wollen gedeutet werden. Tatsächlich, so Scheytt im Nachgang zum Konzert, haben die Treter Tradition - auch als ein Sich-Freisprechen von Smoking oder Jackett und Förmlichkeit. Dem guten Stil ist so genüge getan, was oberhalb der Pedale passiert, darf auch leger daherkommen.

Neben all den Noten gab es auch Anekdoten. So wie die von der Dame, die ihn immer anruft, sobald sie ein bestimmtes Klavierstück von ihm im Radio hört. Und er sagte auch: "Wenn wir uns mal begegnen, sagen Sie mir, woher wir uns kennen. Das freut mich immer."

Ein großer Künstler, ein begnadeter Pianist, ein überraschend umgänglicher Zeitgenosse. Und jemand, der den Begriff vom wohltemperierten Klavier in den Blues und Boogie-Woogie hineinspielt.