Wo kommt das Bauholz von morgen her?

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Zimmerleute sind gefragt: Pierre Mühlfeld deckt für die Schmeilsdorfer Firma Stenglein ein Dach. Problem: Der Baustoff Holz ist knapp.
Zimmerleute sind gefragt:    Pierre Mühlfeld  deckt für die Schmeilsdorfer Firma Stenglein ein Dach. Problem: Der Baustoff Holz ist knapp.
Archiv/A. Hartmann
Gefälltes Fichtenholz gibt es aufgrund von Borkenkäferplage und Trockenheitsschäden bei uns wie Sand am Meer.
Gefälltes Fichtenholz gibt es aufgrund von Borkenkäferplage und Trockenheitsschäden bei uns wie Sand am Meer.
Jochen Nützel

Borkenkäfer, Trockenheit & Co.: Der Wald wird zwangsweise großflächig geerntet - trotzdem schießen die Preise vor allem für Bauholz durch die Decke. Wie kann das sein? Und was bedeutet das für die Wirtschaft, wo Holz doch als nachwachsende Ressource immer beliebter wird? Ein Gespräch mit Kreishandwerksmeister Günther Stenglein.

Günther Stenglein muss lange zurückdenken, wann es das zuletzt gegeben hat. "Es dürfte in den 1990ern gewesen sein, da war die Situation ähnlich, aber nicht so gravierend wie momentan." Der Zimmerei-Inhaber und Kreishandwerksmeister bezieht sich auf einen spürbaren Mangel an Holz - vom Konstruktionsvollholz für Dachstühle bis hin zu Werkstoffen wie Holzweichfaser oder Spanplatten. Der Mangel macht der Branche zu schaffen. Dabei gilt Holz als der nachhaltige Rohstoff schlechthin, ist perfektes Material für diverse Anwendungen - und hilft beim Klimaschutz, weil es dauerhaft CO2 bindet. Aber wo her nehmen, wenn nicht stehlen? Wir haben die Lage mit dem Fachmann erörtert.

Herr Stenglein, überall steht zu lesen: Selten gab es ein derartiges Überangebot an Holz. Und viele Menschen wollen mit Holz bauen. Wie passt es da zusammen, dass nicht nur die Preise deutlich anziehen, sondern Betriebe wie der Ihre bereits mit spürbarer Knappheit zu kämpfen haben?

Es stimmt: Wir spüren diese Entwicklung deutlich. Mein Sägewerker, bei dem ich regelmäßig Schnittholz bestelle, hat mir vor kurzem erst gesagt: Er habe eine Problem, die gewünschten Mengen zu liefern. Derweil marschieren die Preise nach oben. Wir reden hier nicht von den üblichen saisonalen Schwankungen im Bereich von drei bis fünf Prozent, sondern von einem Anstieg von 20 bis 30 Prozent. Das betrifft aber nicht nur Vollholz oder Konstruktionsholz für Balken und den Wandaufbau, sondern auch solche Produkte wie Holzfaserdämmplatten, die als Putzträger geeignet sind oder beispielsweise für die Dachschalung verwendet werden. Bei den Herstellern hat man uns beim Nachschub bereits auf den Herbst vertröstet. Neue Bestellungen würden aktuell gar nicht mehr angenommen, heißt es uns gegenüber.

Wie kann ein Betrieb wie Ihrer reagieren?

Wir haben zum Glück einiges an Material frühzeitig bestellt und können daher unsere Aufträge weitestgehend noch wie geplant erfüllen. Aber wir werden mit unseren Kunden natürlich reden, was die Preisgestaltung angeht.

Der Rohstoff Holz an sich ist derzeit ja alles, nur nicht knapp, oder?

Das ist es ja. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass genug Ausgangsmaterial für die Verwendung im Baubereich vorhanden ist. Deswegen muss man sich fragen: Wo geht das Holz hin? Ein Teil macht sicher der Export aus. Länder wie China oder die USA haben offenbar einen sehr hohen Bedarf, und es scheint vieles ins Ausland zu gehen. Das fehlt hier.

Welche Einkaufsalternativen zum Großhandel hat die Branche vor Ort?

Wir weichen bei Holz - vom Kantholz bis zur rauen Schalung - auf die regionalen Erzeuger aus, das tun wir ohnehin. Die können auch kurze Lieferketten einhalten, das ist der Vorteil. Alles andere, was weiterverarbeitet ist, geht über Großabnehmer. Aber auch dort hören wir unisono: Die Preise rauschen nach oben, Lieferungen sind oftmals schwierig. Gewöhnlich hatten wir unseren Bedarf für die verschiedensten Bedürfnisse nach drei Tagen zusammen - jetzt müssen wir mit drei Wochen kalkulieren. Also da verschiebt sich etwas.

Der Handwerker wird den höheren Preis an seine Kunden weitergeben müssen, oder?

Das ist der Punkt. Wir sind gezwungen, die Preise moderat an unsere Kunden weiterzugeben. Wir haben noch einen Puffer eingebaut, weil wir die Angebote vom vergangenen Jahr abarbeiten. Manche haben wegen der Mehrwertsteuer ihr Material bereits im Dezember eingekauft. Da sah die Situation noch etwas anders aus. Aber dann wird es schon schwierig. Darauf müssen sich die Leute einstellen, wenn sie einen Neubau oder Umbauten planen. Zum Glück ermöglicht es unser Gewerk, kreativ zu sein - und damit auch kreativ solchen Gegebenheiten zu begegnen. Zur Not ließe sich mittels Materialwechsel dem beikommen. Aber klar ist auch: Wenn ich Holz durch einen anderem Werkstoff wie Stahl oder Beton ersetze, muss ich viele Abstriche bei der Nachhaltigkeit hinnehmen. Und die Preise dafür steigen mitunter noch rasanter an.

War diese Entwicklung beim Holz absehbar oder kam sie aus heiterem Himmel?

Ich muss sagen: Das hat uns alle relativ überraschend getroffen.

Bleibt eine Kernfrage: Will man den Rohstoff Holz wieder im Wert steigern? Oder geht der Trend eher dahin: Die Preise sollen anziehen - also wird künstlich verknappt?

Meiner Meinung nach geht das in Richtung gezielte Verknappung. Da greifen klassische wirtschaftliche Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage: Wird ein Gut knapper, steigt es im Wert. Die Frage ist nur: Ist es wirklich knapp? Wir als Verarbeiter sind da nur die Vorletzten in der Kette - dann kommen die Kunden.

Es gibt für Sie als Dienstleister zwei Möglichkeiten: Entweder beseht bereits ein fester Vertrag auf der Basis X - dann muss die plötzliche Preissteigerung der Anbieter, also die Zimmerei, hinnehmen und womöglich als Verlust verbuchen. Oder aber es wird mit dem Bauherrn verhandelt und der muss die Kröte schlucken.

Als Unternehmer muss es mir um eine Mischkalkulation gehen - und damit unterm Strich um Schadensbegrenzung für beide Seiten. Es ist in geringem Umfang möglich, gestiegene Preise mit verschlankten Konstruktionen auszugleichen. Oder aber der Kunde zeigt Verständnis und sagt: Wir können über ein Nachtrags­angebot reden. Wir müssen angesichts der Lage für unsere Kalkulationsmuster prinzipiell umdenken. Die sind bereits modifiziert für die zu erwartenden Preise. Und selbst da können wir nicht sicher sein. Uns jedenfalls ist nicht daran gelegen, als Handwerker die Kosten ungebremst hochschnellen zu lassen.

Wie lautet Ihre Prognose?

Die gute Nachricht ist: Das Handwerk ist und bleibt der Stabilisator der Wirtschaft, ist deren Rückgrat, belastbar, leistungsfähig, innovativ und kann pragmatisch auch mit sich plötzlich verändernden Rahmenbedingungen umgehen. Bei der Holzverfügbarkeit gilt es daher, Ruhe zu bewahren und überlegt zu handeln.

Bayern-Gefälle: Massenhaft Käferholz im Norden, Holzmangel im Süden

Auch im Forstbetrieb Nordhalben kennt man die Problematik. Von dort heißt es: Momentan sei vor allem im Süden das Holz knapp, man halte das aber für eine temporäre und regional begrenzte Geschichte. Das Nord-Süd-Gefälle beziehe sich vor allem darauf, dass unter anderem im Frankenwald Massen an Borkenkäferholz anfielen, das per Bahn Richtung Süden verladen wird, wo Holz fehle (hier sei die Käferplage weit weniger dramatisch). Die hiesigen Sägewerke könnten die Flut nicht verarbeiten und seien am Ende ihrer Kapazitäten. Die Lage könnte sich aber bereits im Sommer schon wieder anders darstellen, heißt es.

Doch es gibt auch eine quasi künstlich erzeugte Verknappung: Die Staatsforsten hätten für ihre Gebiete zum Teil einen Einschlagstopp verhängt, um den Holzmarkt zu stabilisieren. Die Erlöse deckten nicht einmal mehr die Kosten für die langwierige Aufarbeitung.

Die bayerischen Staatsforsten sind eine Anstalt des öffentlichen Rechts, gegründet 2005. Sie bewirtschaften für den Freistaat rund 755000 Hektar Wald und sind damit der größte Forstbetrieb in Deutschland. Der Forstbetrieb Nordhalben stellt nach eigenen Angaben jährlich 115000 Kubikmeter Holz für Dachstühle, für die Nutzung als Papier oder als Energieträger bereit.

Eine erhoffte Wirkung aus der Restabilisierung: Die Sägewerke sollten wieder "vernünftige Preise" zahlen, denn hier sei richtig gutes Geld beim Schnittholz verdient worden - und das bei deutlich gesunkenen Ausgaben für den Rohstoff. Die Gewinnspanne sei enorm.

Auch die privaten Waldbesitzer litten unter der Situation. Hier wurden in jüngster Zeit Schadhölzer nahezu verramscht, klagt die Vereinigung der Waldbesitzer. Man verspüre keine Lust, sich zusätzlich um den Einschlag von Frischholz zu kümmern, um noch mehr Material auf den Markt zu werfen. Es sei überfällig, dass Privatwald­besitzer ordentliche Preise für ihre Hölzer bekommen.jn