Wo ist eigentlich Hermann hin?

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Foto: Kai Remmers/dpa
Foto: Kai Remmers/dpa

Kennen sie noch "Hermann"? Der fehlte vor einigen Jahren in kaum einer Küche. Und dann war er plötzlich verschwunden.

Auf der Suche nach einem ganz bestimmten Kochrezept bin ich am Wochenende nach langer Zeit wieder mal ganz tief eingedrungen ins hinterste Fach meines Küchenschranks. Das bewusste Rezept habe ich dort nicht gefunden. Aber einen Zettel in einer mir fremden Handschrift.
Auf dem stand: "Hallo, ich bin Hermann, dein neuer Hausgenosse. Wenn du mich regelmäßig fütterst und mit viel Liebe behandelst, wirst du lange Freude an mir haben."
Erinnern Sie sich? "Hermann" war jener merkwürdige Sauerteig, der einige Zeit lang groß in Mode war. Bekam man zum ersten Mal von jemandem einen "Hermann" geschenkt, freute man sich noch. Man stellte den Behälter mit der zähflüssigen hellbraunen Masse mit dem leicht säuerlichen Geruch irgendwo in die Nähe der Heizung und rührte nach einem vorgegebenen Plan alle paar Tage Zucker, Wasser und Mehl dazu.
Nach einer gewissen Frist teilte man "Hermann" in drei Teile.
Aus einem entstand mit noch mehr Mehl, Zucker, Milch und Eiern eine Art Kuchen. Aus dem zweiten Teil wurde ein neuer Ansatz, der wieder gefüttert werden musste.
Den dritten Teil verschenkte man mit einem netten Zettel, wie ich ihn auch gefunden hatte, an gute Freunde. Das ging solange gut, bis man selbst des Hermann-Kuchens überdrüssig war und keine Freunde mehr hatte, die sich ehrlich über "Hermann" freuten.
Einige Zeit erhielt "Hermann" bei mir noch Küchen-Asyl, verkam aber irgendwann zur übel riechenden bröckeligen Pampe. Ich ließ ihn in Frieden sterben.
Den Zettel mit dem Appell, ihn gut zu behandeln, habe ich trotzdem aufgehoben. Man weiß ja nie....