Musiker Werner Schmidbauer kommt am 7. November mit Kompagnon Martin Kälberer und neuem Album in die Stadthalle. Im Gespräch redet er über die Leere im Kopf, Flüchtlinge und eine besondere Kulmbacher Oma in seinem Leben.
60.000 Konzert-Besucher, vier Länder - und zum Abschluss das fulminante Open-Air in der Arena von Verona vor 10.000 Fans. Was soll danach noch kommen? Das hat sich Liedermacher Werner Schmidbauer auch gefragt nach den exakt 100 Auftritten auf der "Süden"-Tour mit Pippo Pollina (51) und Martin Kälberer (47).
"Ich war raus aus der Musik, völlig leer im Kopf", bekennt der 52-Jährige. Vor einem Jahr entschließt er sich zu einem Vier-Tage-Trip nach Istanbul für eine Auszeit. Eigentlich. Zurückgekehrt ist Schmidbauer mit einer Idee für ein komplettes Album. Titel: "Wo bleibt die Musik?" Damit gastiert der 52-Jährige am 7. November in der Dr.-Stammberger-Halle.
Ein Bayer in Istanbul - wie konnte es dazu kommen?Werner Schmidbauer: Eigentlich wollt ich schon immer nach Istanbul, war aber noch nie dort gewesen.
Nach der großen "Süden"-Tour war ich erschöpft, raus aus der Musik und völlig leer im Kopf. Verona war ein wunderbares Erlebnis, aber natürlich ist das Loch umso größer, wenn so etwas Großes vorbei ist. Sozusagen zum Abschalten von der Musik bin ich vergangenen September alleine zum ersten Mal nach Istanbul gereist - und fand mich tiefer in der Musik denn je. Dort wird an jeder Ecke gespielt, getanzt, musikalische Einflüsse aus allen Ecken der Welt fließen hier zusammen.
Und wie wichtig war Istanbul für das neue Album?
Ich wollte eigentlich ja weg vom Süden und hab' in dieser Stadt, in der alle 20 Meter ein anderer mit irgendeinem Instrument spielt, in der 24 Stunden am Tag gesungen und getanzt wird, gemerkt: Oida, jetzt bist du tiefer im Süden als je zuvor! Die Lebensfreude und die Musikbesessenheit in diesem Schmelztiegel zwischen Europa und dem Orient haben mich
völlig infiziert. Das war extrem spannend, plötzlich war mein Energieloch weg, eine andere Energie war da. Das war erst der Impuls wieder zu musizieren. Ich habe noch in Istanbul angefangen, an Songs zu schreiben.
Sie haben also in Istanbul die Musik wiedergefunden?
Für mich selber war sie nie weg, sie hat offenbar nur ein wenig geschlafen und sich ausgeruht. Zurückgekommen ist sie, wie oben erzählt, in Istanbul, und hat dann Martin Kälberer und mich inspiriert, noch mehr Musik zuzulassen, uns musikalisch zu öffnen.
Wie kommt es, dass jemand wie Sie, Musiker seit über 30 Jahren, fragt: Wo bleibt die Musik? Und dass diese Frage sogar zum Titelsong der neuen CD wurde?
Als ich, voll mit musikalischen Eindrücken, heimkam, ging ich durch die Münchner Fußgängerzone und war schockiert über die geschäftige, nüchterne Stille.
Hier pfeift keiner mehr ein Lied, die Leute scheinen verlernt zu haben, miteinander zu musizieren. In unserer doch eher satten Wohlstandsgesellschaft lassen wir uns mittlerweile wohl lieber von riesigen Soundanlagen oder iPods beschallen... Vor allem, weil ich jetzt weiß, wo die Musik daheim ist, habe ich mich gefragt: "Wo bleibt die Musik?" Und zwar hier bei uns zu Hause.
Was dürfen die Fans vom neuen Album erwarten? Martin und ich waren gemeinsam noch einmal im April dieses Jahres für vier Tage in Istanbul, haben dort mit den Straßenmusikern musiziert und improvisiert. Und uns zusammen weiter inspirieren lassen. Danach haben wir die Lieder des Albums gemeinsam mit vielen Musiker freunden und großer Spielfreude eingespielt. Das Album ist absolut ein Wendepunkt und ein Meilenstein in unserer gemeinsamen Geschichte.
Die Grenzen von einst - mit Liedern und Texten aus meiner Feder und Martins Klangwelten sind ineinander geflossen. Martin ist der musikalische Mastermind, viele Kompositionen auf dem neuen Album gehen auf ihn zurück - und meine Worte passen wie unsichtbar zusammengefügt darauf. Außerdem haben wir uns nach 20 Jahren zu zweit, allein auf der Bühne und im Studio auch in eine andere Richtung geöffnet und Kollegen und Freunde ins Studio eingeladen, um musikalisch mehr Spielraum zu bekommen: Das waren Dorino Goldbrunner (Schlagzeug), Alex Klier (Bass) und Beni Dorn (Gitarre). Und ich denke, wir sind experimentierfreudiger geworden.
Sie haben ein Lied für Nelson Mandela geschrieben. Warum?Nelson Mandela war für mich eine der letzten aufrichtigen, positiven und motivierenden Gestalten in der politischen Welt. Ich war sehr traurig am 5. Dezember 2013, als Mandela starb.
Und ich finde, es ist höchste Zeit, dass jemand diesem wunderbaren Menschen mit seiner ungewöhnlichen Wirkung auf die Welt ein Abschiedslied schreibt. Und das hab ich dann auf eine sehr persönliche Art getan. Es ist ein fröhliches Lied geworden, mit einem Text in Bayrisch und Swahili, auf das Mandela sicher getanzt hätte.
"Sie kumman ausm Süden, se san fast am Dafriern - und se ham nix zum Verliern": So beginnt Ihr Song "Die ganz große Kunst", ein Lied über Flüchtlinge. Der Titel ist zwei Jahre alt, aber aktueller denn je. Jetzt sammeln Sie mit einem Gratis-Song im Internet Geld.Ja, aber eben auf freiwilliger Basis.
Wir schenken den Menschen ein Lied, und die sollen überlegen, was Ihnen dieses Lied als Anlass für eine Spende für Flüchtlinge wert ist.
Jüngst sendete das Bayerische Fernsehen die lange "Live aus dem Schlachthof/Alabama/Nachtwerk"-Nacht. Für Ihre Moderation bekamen Sie 1984 den Grimme-Preis. Wenn Sie sich selber aus jener Zeit sehen: Was geht Ihnen da durch den Kopf?Dass ich ganz schön jung war damals und Gott sei Dank sichtbar älter geworden bin. Und dass es eine wunderbar spannende und sehr politische Zeit war.
Werner Schmidbauer und Kulmbach - gibt es da eine besondere Verbindung?Wir haben schon in Kulmbach gespielt, unter anderem im vergangenen Jahr. Ich kann mich an einen sehr schönen Konzertabend mit einem höchst angenehmen und begeisterungsfähigen Publikum erinnern. Außerdem hat die Oma meiner ersten Freundin in Kulmbach gewohnt. Damals, vor gut 35 Jahren, war ich auch das erste Mal hier.
Die Fragen stellte Jochen Nützel.
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