Ein Facebook-Post verärgert OB Lehmann - und die Tierschützer sehen in der Anzeige der Stadt eine Eskalation.
Verstörende Aufnahmen aus dem Kulmbacher Schlachthof hatten im Juni bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatte die Tierrechtsorganisation "Soko Tierschutz" die Bilder über die Fernsehsendung "Report Mainz" öffentlich gemacht.
In der Folge hatte es auch wechselseitige Anzeigen gegeben: "Soko Tierschutz" hatte die Stadt Kulmbach als Betreiberin des Schlachthofs wegen Verstößen gegen den Tierschutz angezeigt - die Stadt wiederum hatte die Vorstandsmitglieder von "Soko Tierschutz" angezeigt, weil sie für die Veröffentlichung der Filmmaterialien verantwortlich waren. Nach Auskunft der ermittelnden Staatsanwaltschaft Bayreuth ist vor Jahresende mit keinem Abschluss des Verfahrens zu rechnen.
Anfang der Woche postete "Soko Tierschutz" nun auf seiner Facebookseite einen Beitrag unter der Überschrift "Bürgermeister Lehmanns 'Rache'". Darin heißt es unter anderem: "Nun nach fast sechs Monaten und konstanter kritischer Berichterstattung um das Weiter so in Sachen Erstickungsfolter, hat der Bürgermeister nichts besseres zu tun als den gesamten Vorstand von Soko Tierschutz anzuzeigen. Und zwar wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die Veröffentlichung der Aufnahmen einer Kamera, die auf den im Betrieb verbotenen Elektroschocker ausgerichtet war."
Bisher keine Anzeige des OB
Die Stadt Kulmbach teilt dazu mit: "Die Anzeige, verfasst und an die Staatsanwaltschaft Bayreuth verschickt am 10.06.2021, stammt von Oberbürgermeister Ingo Lehmann als gesetzlicher Vertreter der Stadt Kulmbach. In dieser Anzeige hat der Oberbürgermeister nie den zitierten ,höchstpersönlichen Lebensraum' erwähnt. Es wurde lediglich gegen das Vorgehen der Tierschützer (in diesem Falle "Anzeige gegen Unbekannt") und Anzeige gegen Soko Tierschutz erstattet und in diesem Rahmen erfolgte eine Auflistung der einzelnen Vorgänge (mehrfaches Eindringen in den Schlachthof und Anbringen von Kameras durch Tierschützer, Förderung und Billigung dieser Aktivitäten durch Soko Tierschutz). Obwohl Herr Lehmann als Privatperson auch vermehrt beleidigt, diffamiert und auf das Übelste beschimpft wurde - sowohl in Briefen als auch auf seinen privaten Social Media-Kanälen, hat er dagegen keine rechtlichen Schritte eingeleitet."
Jedenfalls bis jetzt nicht. Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) behält sich inzwischen rechtliche Schritte vor, wie er im Gespräch mit der Bayerischen Rundschau erklärte. Grund dafür sind die Kommentare unter dem Post auf der Facebook-Seite von "Soko Tierschutz". Da wird von Aktionen fantasiert wie der, den Oberbürgermeister mit Tierblut zu übergießen - und dort sind auch unverhohlene Gewaltandrohungen zu lesen.
Warum "Soko Tierschutz" diesen Post jetzt erst abgesetzt hat, erklärt Friedrich Mülln von der Tierschutzorganisation. Die drei Vorstandsmitglieder haben erst Ende November einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten, wie er sagt. Ein entsprechendes Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, ist auf den 17. November datiert. Darin ist auch der mutmaßliche Straftatbestand, nämlich "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen", konkret benannt.
Ganz langsam, aber sicher: Bei solchen Bildern werden wir zu Vegetariern. Ausnahme OB Lehmann, den beeindrucken diese Bilder nicht.