Politisch, kritisch, fränkisch: Wolfgang Hoderlein wird 60

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Wird am Samstag 60: der frühere Vorsitzende der Bayern-SPD, Wolfgang Hoderlein, der sich seit Jahren für seine fränkische Heimat einsetzt. Foto: Stephan Tiroch
Wird am Samstag 60: der frühere Vorsitzende der Bayern-SPD, Wolfgang Hoderlein, der sich seit Jahren für seine fränkische Heimat einsetzt. Foto: Stephan Tiroch
Polit-Radler: Landtagskandidat Wolfgang Hoderlein besucht 1990 bei seiner "Tour de politique" die Rathäuser des Stimmkreises; hier Stadtsteinach mit Bürgermeister Klaus Peter Söllner und Verwaltungsleiter Reinhold Nagel (rechts).
Polit-Radler: Landtagskandidat Wolfgang Hoderlein besucht 1990 bei seiner "Tour de politique" die Rathäuser des Stimmkreises; hier Stadtsteinach mit Bürgermeister Klaus Peter Söllner und Verwaltungsleiter Reinhold Nagel (rechts).
 
1991: Wolfgang Hoderlein empfängt Besuchergruppe aus Oberfranken (Probesitzen: die jetzige Abgeordnete Inge Aures, Mitte) im Landtag.
1991: Wolfgang Hoderlein empfängt Besuchergruppe aus Oberfranken (Probesitzen: die jetzige Abgeordnete Inge Aures, Mitte) im Landtag.
 
Die Spitze der Bayern-SPD kommt im Jahr 2000 aus Kulmbach: Vorsitzender Wolfgang Hoderlein (links) und seine Generalsekretärin Susann Biedefeld zusammen mit Kanzler Gerhard Schröder und Fraktionsvorsitzendem Franz Maget (rechts).
Die Spitze der Bayern-SPD kommt im Jahr 2000 aus Kulmbach: Vorsitzender Wolfgang Hoderlein (links) und seine Generalsekretärin Susann Biedefeld zusammen mit Kanzler Gerhard Schröder und Fraktionsvorsitzendem Franz Maget (rechts).
 
Wolfgang Hoderlein 2004 als Redner im Parlament.
Wolfgang Hoderlein 2004 als Redner im Parlament.
 
Bezirksrat Wolfgang Hoderlein und der Stadtsteinacher Bürgermeister Roland Wolfrum schlüpften für Loriots legendärem Badewannen-Sketch in die Rollen des Herrn Müller-Lüdenscheidt und des Dr. Klöbner - und in eine "fränkische" Badewanne.
Bezirksrat Wolfgang Hoderlein und der Stadtsteinacher Bürgermeister Roland Wolfrum schlüpften für Loriots legendärem Badewannen-Sketch in die Rollen des Herrn Müller-Lüdenscheidt und des Dr. Klöbner - und in eine "fränkische" Badewanne.
 
So sieht sich Wolfgang Hoderlein gern: als Kämpfer für die fränkische Sache, hier 2010 beim Tag der Franken in Kulmbach.
So sieht sich Wolfgang Hoderlein gern: als Kämpfer für die fränkische Sache, hier 2010 beim Tag der Franken in Kulmbach.
 
2009 zieht die SPD die Frankenfahne am Ludwigschorgaster Rathaus hoch - da ist Wolfgang Hoderlein natürlich mit dabei.
2009 zieht die SPD die Frankenfahne am Ludwigschorgaster Rathaus hoch - da ist Wolfgang Hoderlein natürlich mit dabei.
 
Die Frankenfahne hissten (von links) Winfried Hempfling, Bürgermeister Roland Wolfrum, Franz Thierauf, stellvertretender Bürgermeister Franz Schrepfer, Wolfgang Martin, MdL Wolfgang Hoderlein und Günter Hönig vor dem Stadtsteinacher Rathaus (2007).
Die Frankenfahne hissten (von links) Winfried Hempfling, Bürgermeister Roland Wolfrum, Franz Thierauf, stellvertretender Bürgermeister Franz Schrepfer, Wolfgang Martin, MdL Wolfgang Hoderlein und Günter Hönig vor dem Stadtsteinacher Rathaus (2007).
 
Bayerische Verfassungsmedaille: 2005 wird Wolfgang Hoderlein vom damaligen Landtagspräsident Alois Glück ausgezeichnet.
Bayerische Verfassungsmedaille: 2005 wird Wolfgang Hoderlein vom damaligen Landtagspräsident Alois Glück ausgezeichnet.
 
Die Geschwister Wolfgang, Matthias und Christine Hoderlein im Jahr 1962.
Die Geschwister Wolfgang, Matthias und Christine Hoderlein im Jahr 1962.
 
Wolfgang Hoderlein im Tischtennisverein 1977 - wenig später begann seine politische Karriere mit der Wahl in den Stadtsteinacher Stadtrat.
Wolfgang Hoderlein im Tischtennisverein 1977 - wenig später begann seine politische Karriere mit der Wahl in den Stadtsteinacher Stadtrat.
 
Sein Tischtennisteam beim Dreikönigsturnier 1989 in Stadtsteinach - von links: Michael Zrenner, Manfred Korkisch, Matthias und Wolfgang Hoderlein.
Sein Tischtennisteam beim Dreikönigsturnier 1989 in Stadtsteinach - von links: Michael Zrenner, Manfred Korkisch, Matthias und Wolfgang Hoderlein.
 
Wolfgang Hoderleins Tenniskumpels vom TC Stadtsteinach - vorne, von links: Christian Schröppel, Dieter Hildner, Hansi Hümmer, Peter Laaber und Jürgen Hoffmann; oben, von links: Manfred Korkisch, Pavel Hlava, Roland Geist und Gottfried Will.
Wolfgang Hoderleins Tenniskumpels vom TC Stadtsteinach - vorne, von links: Christian Schröppel, Dieter Hildner, Hansi Hümmer, Peter Laaber und Jürgen Hoffmann; oben, von links: Manfred Korkisch, Pavel Hlava, Roland Geist und Gottfried Will.
 
Wolfgang Hoderlein in der BR-Serie "In den Mund gelegt" mit Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP).
Wolfgang Hoderlein in der BR-Serie "In den Mund gelegt" mit Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP).
 
Wolfgang Hoderlein: Chef der Bayern-SPD von 2000 bis 2003.
Wolfgang Hoderlein: Chef der Bayern-SPD von 2000 bis 2003.
 
Der SPD-Landtagsabgeordnete und frühere bayerische SPD-Landesvorsitzende Wolfgang Hoderlein wird 2007 in München von Ministerpräsident Edmund Stoiber mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.
Der SPD-Landtagsabgeordnete und frühere bayerische SPD-Landesvorsitzende Wolfgang Hoderlein wird 2007 in München von Ministerpräsident Edmund Stoiber mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.
 
Coole Achtundsechziger: die Freunde Toni Steinl, Rudi Neumann, Wolfgang Hoderlein und Arno Bauerschmidt (von links). Hinten der kleine Bruder Matthias Hoderlein.
Coole Achtundsechziger: die Freunde Toni Steinl, Rudi Neumann, Wolfgang Hoderlein und Arno Bauerschmidt (von links). Hinten der kleine Bruder Matthias Hoderlein.
 

Der einstige Vordenker der Bayern-SPD wird heute 60. Der Kulmbacher blickt zurück auf eine lange politische Karriere, die vor 35 Jahren in Stadtsteinach begann. Er spricht über sein Verhältnis zu seiner Partei, über deren Funktionäre und über seinen Einsatz für Franken.

Wolfgang Hoderlein war bis vor einigen Jahren Vordenker der SPD in Bayern. Er hat, was es in der Bayern-SPD nur einmal gibt, alle Führungspositionen der Partei bekleidet: Ortsvereins-, Kreis-, Unterbezirks- und Bezirksvorsitzender, General sekretär und Landesvorsitzender (2000 bis 2003). Seit er 2008 nach 18 Jahren - länger war kein anderer Kulmbacher Politiker im Maximilianeum vertreten - auf eigenen Wunsch aus dem Landtag ausschied, ist es ruhiger um ihn geworden. Am Samstag hat der Mann, dessen politische Karriere vor 35 Jahren im Stadtrat von Stadtsteinach begann und der jetzt noch Bezirks- und Kreisrat ist, 60. Geburtstag. Im BR-Interview spricht er über sein Verhältnis zur SPD, über die Agenda 2010 und über seinen Einsatz für Franken.

Herr Hoderlein, erinnern Sie sich noch an Ihren 50. Geburtstag? Hat Ihnen da der Kanzler gratuliert?
Wolfgang Hoderlein: Ja, da kann ich mich erinnern (lacht). Denn fünf Tage danach, am 14. März, verkündete Schröder seine Agenda 2010 im Bundestag. Das war seit der Wiedervereinigung das einschneidendste Ereignis im deutschen Sozialstaat und in der SPD - danach ist alles anders geworden.



Sie waren damals als SPD-Chef in Bayern doch wöchentlich bei den Treffen mit Gerhard Schröder im Willy-Brandt-Haus in Berlin.
Ach Gott, ja, in der Funktion als Landesvorsitzender des damals zweitgrößten SPD-Landesverbandes war ich bei manchen Gremiensitzungen in Berlin. Mein Resümee heute? Der Philosoph Heraklit vor zweieinhalbtausend Jahren hatte schon recht: Alles fließt! Dass die Agenda 2010 unser Land und die SPD so nachhaltig verändern würde, war zu Beginn nicht zu erkennen. Hätte man es erkannt, so hätte man seitens der SPD hoffentlich einiges anders gemacht.

Bedauern Sie es, dass Sie inzwischen mit der großen Politik nichts mehr zu tun haben?
Nein, im Gegenteil, meine Lebensqualität ist heute wesentlich besser. Was ich bedauere, sind die Umstände, die zu meinem Rückzug geführt haben. Die Bayern-Wahl im Herbst 2003 war die erste nach der Verkündung dieser Agenda. Ab 2003 gibt es einen abrupten Knick - da sind die Wahlergebnisse der SPD um 7 bis 11 Prozent im Schnitt abgesunken, und die Partei hat über 200 000 Mitglieder verloren. Kein Mensch hat unsere minus 9 Prozent damals auf die Agenda geschoben. Auch Peer Steinbrück ging es nicht anders, der 2005 in NRW abgewählt wurde. Man hätte die Agenda nicht bei einer großen Rede im Bundestag verkünden dürfen, sondern vorher eine Debatte über den notwendigen Umbau des Sozialstaats anstoßen müssen. Weil in Bayern damals kein anderer zurückgetreten ist (Spitzenkandidat und Oppositionsführer war damals Franz Maget, Wahlkampfmanagerin und Generalsekretärin Susann Biedefeld, Anm. der Red.), bin ich dann gegangen. Es ist schon ein bisschen bitter, dass du die Rübe hinhalten musst, obwohl du für die Sache nichts kannst. Eigentlich war ich das erste SPD-interne Opfer der Agenda.

Was machen Sie heute, wenn Sie sich nicht gerade um Ihre kleine Tochter Helen kümmern?
Ich bin seit drei Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bamberg und dort in einem großen Bildungsforschungsprojekt integriert. Wir untersuchen in einer riesigen Längsschnittstudie mit fast 100.000 Teilnehmern Bildungserwerb und Bildungsverläufe im Werdegang eines Menschen lebens. Das ist eine Frage, die mich schon als junger Pädagogikstudent interessiert hat. Und es macht mir großen Spaß, beim größten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekt, das es zurzeit in Deutschland gibt, mit jungen Wissenschaftlern, die meine Kinder sein könnten, zusammenzuarbeiten.

Haben Sie gerade also keine Zeit, um sich Ihrem Lieblingsthema zu widmen: mit Franken, das von Bayern beherrscht wird?
Von wegen keine Zeit. In jedes Nachtgebet schließe ich die fränkischen Angelegenheiten ein. Das ist wie beim immerwährenden Reichstag - eine vermutlich nie endende Aufgabe. Nämlich, das Fränkische nicht im Bayerischen aufgehen zu lassen, sondern fränkische Geschichte, Sprache und Kultur als solche hochzuhalten und nicht zu verwechseln mit der derzeitigen Zugehörigkeit von Teilen des fränkischen Raums zum Freistaat Bayern.

Wieso Teile?
Weil wesentliche Teile Frankens im Raum Hohenlohe zum heutigen Baden-Württemberg gehören und weil - wie wir erst vor kurzem wieder gehört haben - auch Teile des heutigen Freistaats Thüringen fränkisches Territorium sind und sich die Leute dessen auch wieder besinnen. Ich persönlich glaube, dass wir um das Jahr 2020 - aufgrund verschiedenster Umstände wie demographische Entwicklung, Staatsschulden, Auslaufen des Solidarpakts, Auslaufen des jetzigen Länderfinanzausgleichs, Schuldenbremse im Grundgesetz - wieder neue Debatten bekommen werden über eine Gebietsreform auf kommunaler und Länderebene.

Stichwort benachteiligte Region: Wie sehen Sie die Zukunft Oberfrankens?
Ich sehe zwei besorgniserregende Entwicklungen. Einerseits die soziale Disharmonie bei Einkommen, Vermögen etc., was einer Gesellschaft nicht zuträglich ist. Andererseits der Kontrast zwischen Ballungszentren und ländlichem Raum, wobei Oberfranken der ländlichste aller bayerischen Räume ist. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass es permanente und massive Sondermaßnahmen in und für Oberfranken geben müsste. In jüngster Zeit bin ich da etwas zuversichtlicher, weil die Staatsregierung inzwischen ein bisschen besser reagiert, aber bei weitem nicht ausreichend. Wenn aufgrund der Sonderlage Oberfrankens keine Sondermaßnahmen kommen, wird die Schere immer weiter auseinandergehen. Ich schaue mir nur alle Daten und Fakten an. Doch die Verantwortlichen trauen sich nicht, Konsequenzen zu ziehen. Alles Jubel, Trubel, Heiterkeit - ein Bärendienst an unserer Heimat.

Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Ihrer Partei, nachdem Sie vor zwei Jahren aus- und vor einem Jahr wieder eingetreten sind?
Ich war und bin ein überzeugter Sozialdemokrat. Die Sozialdemokratie ist die Königin aller politischen Philosophien. Ich habe ein gutes Einvernehmen mit der wirklichen Basis, aber ein zunehmend kritisch-distanziertes Verhältnis zur Funktionärsklasse. Das ist eine sich mehr und mehr verselbständigende Personengruppe, die den Organisationsrahmen der SPD zur Erfüllung persönlicher Interessen nutzt.

Es muss Sie schmerzen, dass die Oberfranken-SPD im Bezirk kaum wahrgenommen wird.
Das schmerzt mich auch sehr, denn in ganz Bayern gibt es keine Region, wo die SPD so gute Voraussetzungen für eine kreative eigene Politik und ein kritisches Verhältnis zur Politik der CSU haben könnte wie in Oberfranken. An die neunziger Jahre unter dem Bezirksvorsitzenden Heinz Köhler, als die SPD die absolut dominierender Kraft im Bezirk war, erinnere ich mich ebenso gern wie schmerzlich.

Noch eine persönliche Frage: Scheiden Sie im Herbst auf eigenen Wunsch aus dem Bezirkstag aus? Und wollen Sie bei der Kommunalwahl 2014 wieder für den Kreistag kandidieren?
In die Personalkonstruktion und -diskussion für die Landtags- und Bezirkstagswahl der SPD-Kreisverbände Kulmbach und Wunsiedel war ich nicht eingebunden. Man hat mir Anfang August mitgeteilt, dass ich für den Bezirkstag nicht mehr nominiert werde. Als Zweitstimmenkandidat war ich grundsätzlich bereit anzutreten. Man hat mir Platz 10 angeboten, das habe ich dankend abgelehnt. Und Kreistag? Das will ich bewusst offen lassen. Schließlich habe ich dann 36 Jahre Kommunalpolitik "auf dem Kerbholz".

Was trauen Sie Christian Ude bei der Landtagswahl zu?
Ich wünsche mir, dass es zum Machtwechsel kommt, und Christian Ude ist der Bestmög liche für diese Aufgabe. Das wollte ich schon für 2003, da hat er mir aber abgesagt.

Nach 35 Jahren in der Politik - was halten Sie von dem Spruch: Politik verdirbt den Charakter?
Ich weiß nicht so recht ... (überlegt). Kann es auch umgekehrt sein: Schlechte Charaktere verderben die Politik?