Euphorie pur bei der Grünen-Kandidatin Dagmar Keis-Lechner: "Ich bin mega-glücklich!" Das Ergebnis erfülle sie durchaus mit ein wenig Stolz. Ich denke, es wurde belohnt, dass wir einen fairen Wahlkampf gemacht haben."
Im Vergleich zu Hans-Dieter Herold bei der OB-Wahl 2012 habe sie das Grünen-Ergebnis verdreifacht. Dies sei aber auch der aktuellen Situation geschuldet: "Wir leben in einer anderen Welt: Die Klimakrise beschäftigt die Menschen, grüne Themen sind fassbarer und fühlbarer geworden. Ich lebe dafür, dass diese Themen noch stärker ins Bewusstsein kommen."
Ganz und gar nicht zufrieden ist dagegen Hagen Hartmann: "Ich bin etwas enttäuscht, ich hatte mir wesentlich mehr erhofft." Die Ursache sieht der AfD-Mann nicht in seiner Person. "Die Berichterstattung über den Höcke-Besuch war für uns nicht besonders förderlich", sagt er. Und wegen der "Vorgänge rund um Henry Schramm" habe die AfD wenig Aufmerksamkeit bekommen, weil sie unbeteiligt gewesen sei. Im übrigen habe die AfD in der Wahlwerbung weniger Möglichkeiten, "weil wir nicht so viel Geld für Plakate haben wie die anderen".
Kommentar: Überraschung, die keine ist
Kulmbach hat gewählt, doch wer Chef im Rathaus sein wird, das ist noch nicht entschieden. Oberbürgermeister Henry Schramm, seit mehr als 13 Jahren im Amt, ist es nicht auf Anhieb gelungen, alle Mitbewerber aus dem Feld zu schlagen. Es ist ein Ergebnis, das in seiner Deutlichkeit manche überrascht hat, das aber keine echte Überraschung ist.
Bis vor kurzem hatten viele Kulmbacher Schramm den Sieg im ersten Anlauf zugetraut, was ihm ja 2012 schon einmal gelungen war, allerdings gegen nur zwei Mitbewerber. Bei drei Gegenkandidaten in die Stichwahl zu müssen, ist zwar keine Schande, aber sicher doch eine Enttäuschung für den CSU-Mann.
Dass die wochenlangen Debatten um die Grundstücksaffäre und andere Vorwürfe Schramms Image geschadet und ihn Wählerstimmen gekostet haben, ist spekulativ, aber doch wahrscheinlich.
Vielleicht hat mancher Wähler, der eigentlich mit der bisherigen Arbeit des Kulmbacher Oberbürgermeisters zufrieden ist, im ersten Durchgang sein Kreuzchen bei einem anderen Kandidaten gemacht, um die Stichwahl zu erzwingen und deutlich zu machen, dass er Dinge, die strafrechtlich nicht relevant sein mögen, moralisch dennoch nicht in Ordnung findet.
Vielleicht werden diese Denkzettel-Wähler im zweiten Durchgang dann doch Schramm wählen. Immerhin hat der OB in den vergangenen beiden Amtszeiten bewiesen, dass er etwas bewegen kann und seine Ziele erreicht.
Mit Ingo Lehmann steht ebenfalls ein erfahrener Kommunalpolitiker zur Wahl, der seit vielen Jahren im Stadtrat für seine Heimat arbeitet, der sich in vielen Themen auskennt und dem ein großer Teil der Wähler ganz offensichtlich zutraut, das Amt ausfüllen zu können. Daran lässt das respektable Ergebnis des gestrigen Wahltags keinen Zweifel.
Es wird also auch in der Stichwahl noch einmal richtig spannend. Die Frage ist: Was tun die 20 Prozent, die gestern die Grünen oder die AfD gewählt haben. Ist für sie Schramm oder Lehmann der bessere Mann fürs Amt?
Beide müssen jetzt noch einmal Überzeugungsarbeit leisten. Und die Kulmbacher müssen sich fragen: Wem traue ich als Wähler(in) zu, Aufgaben zu erkennen und anzupacken, Probleme zu lösen, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen?