Missbrauchsprozess: Darf die Zeugin das Kinski-Buch lesen?

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Im Bayreuther Missbrauchsprozess zieht Verteidiger Johann Schwenn ein vermeintliches Ass aus dem Ärmel - aber sein Trumpf sticht nicht. Foto: Stephan Tiroch
Im Bayreuther Missbrauchsprozess zieht Verteidiger Johann Schwenn ein vermeintliches Ass aus dem Ärmel - aber sein Trumpf sticht nicht. Foto: Stephan Tiroch
In ihrem Buch "Kindermund" hat Pola Kinski mit ihrem Vater, dem berühmten Schauspieler Klaus Kinski (†), abgerechnet und ihm jahrelangen Missbrauch vorgeworfen. Repro: BR
In ihrem Buch "Kindermund" hat Pola Kinski mit ihrem Vater, dem berühmten Schauspieler Klaus Kinski (†), abgerechnet und ihm jahrelangen Missbrauch vorgeworfen.  Repro: BR
 

Auch die schriftliche Abrechnung von Tochter Pola mit ihrem berühmten Vater Klaus Kinski spielt im Bayreuther Verfahren eine Rolle.

Damit will Verteidiger Johann Schwenn im Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Bayreuth einen Trumpf ausspielen. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten nur erfunden und erlogen sein können: Er präsentiert der Strafkammer am Dienstag einen Beleg, dass sich die Tochter des Angeklagten, die ihren Vater der Vergewaltigung bezichtigt, zwei Bücher gekauft hat: Pola Kinskis Enthüllungen "Kindermund" sowie "Wie laut soll ich denn noch schreien?". Zusammen 37 Euro für die Abrechnung mit dem berühmten Schauspieler Klaus Kinski (†), der seine Tochter jahrelang missbraucht haben soll, sowie für die Beschreibung der Missbrauchsfälle in der Odenwaldschule.


45 000 Euro Unterhalt?

Die Rechnung, so der Hamburger Anwalt, habe die Hauptbelastungszeugin im Rahmen ihres Scheidungsverfahrens wohl "versehentlich" vorgelegt. Sie habe vor dem Familiengericht ihren Bedarf dargestellt, um - wie Schwenn genüsslich ausführt - ihre monatliche Unterhaltsforderung von 45.000 Euro zu begründen.

"Vielleicht kommt es gar nicht mehr drauf an", sagt der Verteidiger siegesgewiss. Aber Diplom-Psychologin Gabriele Drexler-Meyer solle diesen Umstand im Hinblick auf ihr Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen kennen. Denn: "Wenn man eine Falschbezichtigung erheben will, muss man auch sehen, dass es authentisch wirkt."


Trumpf sticht nicht

Allerdings: Schwenns Trumpf sticht nicht. Die Sachverständige weiß bereits Bescheid. Die Tochter des Angeklagten sei bei ihr in der Praxis gewesen, so Drexler-Meyer. Und auf die Frage, ob sie fachspezifische Literatur gelesen hat, habe sie die Bücher nicht verschwiegen.

Nebenklage-Anwalt Wolfram Schädler, Wiesbaden, kennt noch eine andere Begründung dafür, sich für das Kinski-Buch zu interessieren: "Auch ein Zeuge, der richtig aussagt, kann so etwas lesen und feststellen: Mir ist es ebenso ergangen. Das haben Sie unterschlagen, Herr Schwenn!"

Welche Lektüre sie bevorzugt, kann die Hauptbelastungszeugin am Dienstag selbst nicht erklären. Die Tochter des Angeklagten hält sich derzeit zu einer stationären Psychotherapie im Krankenhaus auf und erscheint nicht vor Gericht. Laut Aussage ihrer Ärzte sei sie "aktuell nicht vernehmungsfähig".

Der Verteidiger zweifelt das "substanzarme" Attest an: "Ich halte das alles für Theater. Die Zeugin weiß genau, dass man ihr wegen ihrer wahrheitswidrigen Aussagen auf den Zahn fühlen will. Die Kammer darf sich nicht so vorführen lassen", meint er und beantragt die Untersuchung durch einen objektiven Gerichtsgutachter.


"Nicht vernehmungsfähig"

Rechtsanwalt Frank K. Peter, Worms, weist Schwenns "Unterstellungen" zurück. Seine Mandantin, so der Nebenklage-Beistand, habe in dem Verfahren bereits vierzehnmal ausgesagt. "Sie hat sich noch jeder Vernehmung gestellt und wird es wieder tun, wenn es geht."

Vorsitzender Richter Michael Eckstein will bis nächste Woche abwarten, ob die Hauptbelastungszeugin dann kommt.


Zwei Jahre Wartezeit beim BKA

Ein Waffenexperte der Kripo hat den bei der Hausdurchsuchung im Tresor des Angeklagten gefundenen Smith & Wessen-Revolver untersucht. "Kaliber 38 Spezial, eine der häufigsten Handfeuerwaffen, die kriegt man überall", sagt der Polizist. Auffällig sei, dass bei dem voll funktionsfähigen Revolver die Seriennummer entfernt worden ist. Von ihm abgeschossene Patronen, so der Zeuge, seien an das Bundeskriminalamt übersandt worden. Aber das BKA brauche mindestens zwei Jahre, um abzuklären, ob mit der Waffe Straftaten verübt worden sind. Um festzustellen, ob der Angeklagte tatsächlich keinen Waffenschein besitzt, sind weitere Nachforschungen notwendig.

Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Dann soll die Diplom-Psychologin Gabriele Drexler-Meyer zur zentralen Frage des Verfahrens Stellung nehmen: Sind die Belastungszeuginnen glaubwürdig oder nicht?