Meditatives im poetischen Stil

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In der Petrikirche führten der evangelische Kirchenchor Bad Steben und die Kulmbacher Kantorei den Passionszyklus "Membra Jesu nostri" von Dietrich Buxtehude auf. Foto: Stephan Herbert Fuchs
In der Petrikirche führten der evangelische Kirchenchor Bad Steben und die Kulmbacher Kantorei den Passionszyklus "Membra Jesu nostri" von Dietrich Buxtehude auf. Foto: Stephan Herbert Fuchs

Die Kulmbacher Kantorei präsentierte Buxtehudes Passionszyklus "Membra Jesu Nostri" in der Petrikirche. Die meditative Musik zog die Zuhörer in ihren Bann.

"Membra Jesu nostri" von Dietrich Buxtehude gilt als Musterbeispiel der hochbarocken Concerto-Aria-Kantate: formal geschlossen, stark expressiv. Als Kulmbacher Erstaufführung war der Kantatenzyklus am frühen Samstagabend in der Petrikirche zu hören. In einer Co-Produktion mit dem evangelischen Kirchenchor Bad Steben führte die Kulmbacher Kantorei unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Ingo Hahn das für Vokalsolisten, gemischten Chor und Kammerorchester konzipierte Werk auf.


Poetischer Text des Mittelalters


Der dänisch-deutsche Barockkomponist Dietrich Buxtehude schuf seine Passionsmusik in sieben Teilen um das Jahr 1680. Zu dieser Zeit war er bereits zwölf Jahre Organist an der Lübecker St.-Marien-Kirche. Buxtehude galt als einer der führenden Orgelvirtuosen seiner Zeit. Seine Komposition, die im vollen Titel "Membra Jesu Nostri Patientis Sanctissima" heißt, was so viel bedeutet wie "Die allerheiligsten Gliedmaßen unseres leidenden Jesus" ist ein Zyklus von sieben Passionskantaten. Inhaltlich werden jeweils die Füße, Knie, Hände, die Seite, die Brust, das Herz und das Gesicht des gekreuzigten Christus betrachtet.

Wenn ein solches Werk einen Zeitraum von über 330 Jahren überdauert, dann muss es inhaltlich schon einiges zu bieten haben. Der durchwegs poetische Text kombiniert Bibelverse mit Versen einer mittelalterlichen Andachtsdichtung und basiert auf dem Werk "Salve mundi salutare" ("Gegrüßest seist du, Heil der Welt") von Arnulf von Löwen (um 1200 bis 1250). Die Schöpfung dieses dichtenden Mönches aus Belgien war im 17. Jahrhundert nicht nur bei Katholiken, sondern auch bei Protestanten weit verbreitet.

Bei der Kulmbacher Erstaufführung gaben drei Vokalsolisten ihr Kulmbach-Debüt: die Leipziger Sopranistin Susen Schneider, die Dresdner Altistin Alexandra Jakob und der aktuell in Gießen engagierte Tenor Andreas Kalmbach. Die Bass-Partie übernahm Markus Simon, der den Kulmbachern von verschiedenen Oratorienkonzerten her bereits bestens bekannt ist.


Glanzlichter der Aufführung


Alle vier sind gut beschäftigt, denn in allen sieben Kantaten gibt es mindestens zwei Solonummern und jeweils eine Nummer, bei der sich drei Solisten zum Trio vereinen. Das sind auch die stärksten Stellen der Komposition und der Aufführung.

Sopranistin Susen Schneider singt klar und wunderschön, hat aber mit dem starken Nachhall im Kirchenschiff zu kämpfen. Das gilt auch für die Altistin Alexandra Jakob, die ihren Part hervorragend gestaltet. Besonders trumpfen Tenor Andreas Kalmbach und Bassist Markus Simon auf. Kalmbach singt die Höhen makellos aus und kommt dabei überaus textverständlich rüber, was ebenso für den Bassisten gilt, der auch mal so richtig kraftvoll auftritt und seinen Arien damit einen ganz eigenen Glanz verleiht.

Durchwegs barocken Wohlklang präsentierten die Sängerinnen und Sänger des evangelischen Kirchenchors Bad Steben und der Kulmbacher Kantorei, die so viel zu singen haben, dass sie sich während der knapp 75-minütigen Aufführungsdauer kaum setzen können. Natürlich sind die Damen wieder einmal in der Überzahl, während sich die Tenöre und Bässe über weite Strecken zurückhalten.

Insgesamt aber haben Stefan Romanciewicz und Ingo Hahn die beiden Chöre hervorragend einstudiert. Auch hier ist die Textverständlichkeit gegeben, wobei glücklicherweise der lateinische Text auch als ausgedrucktes Programm mit Übersetzung auf allen Plätzen zum Mitlesen lag.


Spiel mit dem Tempo


Dirigent Ingo Hahn wählt bei allen Nummern ein gesetztes, gut zum meditativen Charakter passendes Tempo. Zwischen den Nummern allerdings drückt er aufs Tempo und lässt eine Arie fast nahtlos in die andere übergehen. Selbst zwischen den Kantaten geht es zügig weiter. Nur das Läuten der Kirchenglocken genau zwischen der sechsten und der siebten Kantate sorgt für eine ebenso meditative Ruhepause.

Die neun Streicher des Orchesters Musica Juventa aus Halle mit Stefan Romankiewicz an der Orgel als Basso Continuo hatten eine reine Begleitfunktion, die sie zuverlässig erfüllten, Platz für rein solistische Aktivitäten boten jeweils die kurzen Sonaten am Beginn einer jeden Kantate.

Schade nur, dass in etwa so viele Aufführende, also Mitglieder der beiden Chöre, Musiker und Solisten, in der Kirche waren wie Zuhörer auf den Bänken. War es der ungewöhnliche Termin am frühen Samstagabend oder das außergewöhnliche Werk, das die Kirchenmusik freunde vom Besuch abhielt? Am Sonntagabend war "Membra Jesu Nostri" in der gleichen Besetzung, nur mit Stefan Romankiewicz als Leiter und Ingo Hahn als Organist, noch einmal in der Lutherkirche in Bad Steben zu erleben. In Kulmbach war der Applaus kurz, aber herzlich.