Das Bayreuther Landgericht sah keinerlei Beweise, dass Mitglieder eines Motorradclubs einen Wunsiedler schwer verletzt hatten.
Am Ende ging dann alles doch ganz schnell: Neun Verhandlungstage waren angesetzt im Prozess um den angeblichen Rockerüberfall der "Grave Diggers" auf die "Free Easy Riders", bereits am gestrigen sechsten Verhandlungstag wurde das Urteil gesprochen. Es lautete auf Freispruch für alle sechs Angeklagten.
Keinem konnte die Anwesenheit nachgewiesen werden
"Jedem einzelnen Angeklagten muss die Anwesenheit am Ort des Geschehens nachgewiesen werden", erläuterte der vorsitzende Richter Michael Eckstein die Entscheidung der Kammer. Als Ergebnis der Beweisaufnahme hielt er jedoch fest: "Wir können das bei keinem einzigen."
Das Gericht benötige immer die vollständige Gewissheit, so Eckstein. "Das ist für uns die Messlatte, das ist Rechtsstaat", sagte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung.
In der Zusammenschau sei ein Tatnachweis nicht durchführbar, bei dieser Sachlage sei an eine Verurteilung nicht zu denken, so Eckstein.
Wie ein Rollkommando
Wie berichtet war vier der sechs Männer im Alter zwischen 29 und 54 Jahren aus Bayreuth, Erbendorf, Kirchenlamitz, Röslau, Thierstein und Untersteinach ursprünglich versuchter Totschlag vorgeworfen worden, den anderen beiden gefährliche Körperverletzung. Einem Rollkommando gleich sollen die Mitglieder des Motorradclubs "Grave Diggers" aus dem Raum Bayreuth/Wusiedel am 10. September 2010 den Chef der "Free Easy Riders Gold City" am Vereinsheim in Goldkronach brutal zusammengeschlagen haben.
Das Opfer, ein mittlerweile 52-jähriger Mann aus Wunsiedel, konnte seitdem nicht mehr richtig Fuß fassen.
Er hatte einen komplizierten Bruch seines Halswirbels erlitten, mehrere Rippenfrakturen, viele Prellungen und offene Wunden. Viele Monate war das Opfer arbeitsunfähig krankgeschrieben, mittlerweile gilt er als krankheitsbedingt nicht mehr vermittelbar.
Auch Staatsanwalt plädiert auf Freispruch
Doch ob wirklich die Angeklagten daran schuld waren, das stellte am Ende sogar Staatsanwalt Daniel Götz in Frage. Gegen fünf der Angeklagten beantragte er in seinem Plädoyer einen Freispruch. Weder die Anwesenheit, noch eine Tatbeteiligung sei den fünf Männern zweifelsfrei nachzuweisen.
Lediglich gegen den sechsten Angeklagten, den 54-Jährigen aus Thierstein, forderte er wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und eine Geldauflage von 2000 Euro.
Der Mann soll laut Zeugenaussagen vor Ort gewesen sein, eine Argumentation, der das Gericht später nicht folgen sollte.
Nahezu unerträglich nannte es der Vertreter des Opfers, Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer aus Bayreuth, dass ein solches Geschehen praktisch ungesühnt bleibt. Schwemmer räumte ein, dass der Tatnachweis ausgesprochen schwierig zu führen sei und schloss sich der Forderung des Staatsanwalts an.
Sein Mandant, das 52-Jährige Opfer, sprach von einem hinterlistigen, niederträchtigen und feigen Überfall, von unglaubwürdigen Alibis und von einer gefährlichen Gruppierung.
Verteidiger mit ungewohnter Schärfe
Ungewöhnlich scharf gingen die sechs Verteidiger, die naturgemäß alle einen Freispruch für ihre Mandanten beantragten, in ihren Plädoyers das Opfer an.
Jochen Kallert aus Bamberg bezeichnete den 52-Jährigen als Lügner und kündigte an, ihn deshalb strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Rechtsanwalt Marc Brab, ebenfalls aus Bamberg, drohte dem 52-Jährigen sogar an, ein Ordnungsgeld zu beantragen, weil der seinen Unmut über die Vorwürfe halblaut geäußert hatte.
Als frei erfunden bezeichnete schließlich Verteidiger Joachim Voigt die Vorwürfe des Opfers. Es gebe beispielsweise keinen einzigen Zeugen, der irgendwelche Tathandlungen seines Mandanten geschildert habe.
"Falsche Rockerehre"
Von Verunglimpfungen und falscher Rockerehre sprach auch Rechtsanwalt Karsten Schieseck aus Bayreuth. Man wisse nicht einmal, ob das Geschehen wirklich eine Bestrafungsaktion der "Grave Diggers" gegen die "Free Easy Riders" gewesen sei, wie immer behauptet werde. Schieseck war auch der einzige, der auf das DNA-Gutachten von der Kutte des Opfers einging. Das hatte keinerlei Hinweise auf die Angeklagten ergeben, was letztlich entscheidende Wende im Prozess ergab.
Die Kosten der Verhandlung fallen nun der Staatskasse zur Last.