Die Erneuerbaren Energien boomen - auch im Landkreis Kulmbach. Landrat Klaus Peter Söllner spricht im Interview über die Pilotregion, die Kritik am Wildwuchs von Windkraftanlagen und über den Einfluss der Kreisbehörde.
Ob großflächige Freiland-Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen oder Windräder: Die Energiewende ist im Landkreis Kulmbach in vollem Gang. Es gibt glühende Verfechter, aber auch Kritiker, die etwa den Flächenverbrauch und die immensen Eingriffe in die Landschaft anprangern. Dass das Landratsamt etwa bei Windrädern nur die rechtlichen Kriterien prüfen, aber nicht anhand ästhetischer Gesichtspunkte Bauanträge bewerten kann, stellt Landrat Klaus Peter Söllner (Freie Wähler) fest.
Nachfolgend das Interview:
Der Landkreis Kulmbach schickt sich an, eine Pilotregion der Energiewende zu werden. Macht Sie das stolz?Klaus Peter Söllner: Wir gestalten die Energiewende im Gegensatz zu vielen anderen schon seit mehr als einem Jahrzehnt.
Der Landkreis Kulmbach hat beispielsweise ein Klimaschutzkonzept mit hohen Anforderungen erstellt, nimmt in der Kälte- und Klimatechnik eine Spitzenstellung ein. Nicht vergessen darf man, dass wir auch die Energieagentur Nordbayern mit auf den Weg gebracht haben, die in Kooperation mit Nürnberg heute die größte kommunale Energieagentur in Bayern ist.
Auch in der Fläche werden Projekte auf den Weg gebracht. Photovoltaik und Windkraft boomen in vielen Gemeinden.Es tut sich in der Tat viel. Ein Musterbeispiel ist für mich der Pressecker Ortsteil Heinersreuth, der sich anschickt, ein energieautarkes Dorf zu werden. Dass viele Ortschaften autark werden, das ist eine Zukunftsvision. Die besten Vorhaben sind die, die wie in Heinersreuth von einer breiten Basis getragen werden.
Es ist schade, wenn es bei Projekten Streit gibt und der Dorffrieden gestört wird.
Es gibt aber auch Kritiker, die etwa den Wildwuchs von Windkraftanlagen im Visier haben. Haben Sie für deren Sorgen Verständnis?Es gibt glühende Verfechter der Windkraft, aber auch vehemente Gegner. Die zusammenzubringen, ist schier unmöglich. Wir dürfen als Genehmigungsbehörde nicht Schiedsrichter spielen, müssen uns an den rechtlichen Vorgaben orientieren. Ich habe immer gesagt, dass es Sinn macht, Windkraftanlagen an windhöffigen Standorten zu bündeln, um eine Verspargelung der Landschaft zu verhindern. Die Flächen, auf denen die Windkraft einen Beitrag zur Energiewende leisten könnte, sind im Regionalplan als Vorrangflächen vorgesehen. Es ist der Plan, der eben auch den Wildwuchs verhindern soll.
Nicht auf allen Flächen, die Vorranggebiete sind, werden aber Windräder gebaut.
Sie haben erklärt, dass dort, wo es sinnvoll ist, auch drei bis vier Windräder stehen können. Sind zehn Windräder, wie sie im Thurnauer Oberland geplant sind, oder 16 Windräder, die an der A 70 bei Wonsees entstehen könnten, noch mit dem Landschaftsschutz in Einklang zu bringen?Ob ein Windrad das Landschaftsbild stört oder nicht, darüber wird jeder Einzelne anders urteilen. Im Landschaftsschutzgebiet werden sich in aller Regel keine Windräder drehen. Der Regionalplan gibt exakte Vorgaben. Als Genehmigungsbehörde werden wir bei jedem Bauvorhaben genau prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, etwa der Abstand einer Anlage zur Wohnbebauung, der Natur- und Menschenschutz.
Auch ein Lärm- und ein ornithologisches Gutachten müssen vorgelegt werden. Dort, wo der Kriterienkatalog eingehalten wird, dürfen aber auch Windräder gebaut werden. Wir könnten diese gar nicht verhindern, dürfen wir sie im Rechtsstaat doch nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten bewerten.
In vielen Gemeinden wird für Bürgerwindräder geworben. Begrüßen Sie das? Von den acht Windrädern, die es bei uns gibt, sind sechs Bürgerwindräder. Wir freuen uns natürlich, wenn möglichst viele Windräder entstehen, die von den Bürgern getragen werden, von denen die Allgemeinheit profitiert. Das ist aber nur ein Wunsch.
Der Kreis kann auch darauf keinen Einfluss nehmen.
Millionenprojekte werden geplant, genaue Aussagen über die Windhöffigkeit einer Region gibt es aber nicht. Der Bayerische Windatlas gibt nur Schätzungen ab. Müsste der Nachweis der Windhöffigkeit, die einen wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage zumindest in Aussicht stellt, nicht vor der Ausweisung von Vorranggebieten erfolgen?Die Windhöffigkeit zu prüfen, das ist alleinige Aufgabe des Projektentwicklers oder Betreibers, nicht die des Regionalen Planungsverbandes oder des Landkreises. Ob ein Windrad wirtschaftlich betrieben werden kann, wird im Genehmigungsverfahren auch nicht geprüft.
In örtlichen Projektgruppen verhandeln Grundstückseigentümer meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den Projektierern um die Standorte der Windräder und Pachtverträge. Bürger, die in den Prozess nicht eingebunden werden und nicht wissen, ob auf dem Vorranggebiet in ihrer Gemeinde drei, sieben oder 15 Windräder geplant sind, fühlen sich nicht richtig informiert. Wäre nicht mehr Transparenz wünschenswert?Transparenz ist grundsätzlich immer begrüßenswert, Eigentum aber eines der höchsten Rechtsgüter. Wir können einem Grundstückseigentümer nicht vorschreiben, wie und was er mit seinen Flächen macht, wenn er sich an rechtliche Vorgaben hält.