Der Burgkunstadter Internist Peter Schmied beklagt eine Ungleichbehandlung von freien Ärzten und Kliniken. Er befürchtet Konsequenzen für die Patienten.
                           
          
           
   
          Seit 36 Jahren ist der fachärztliche Internist Peter Schmied in seiner freien Praxis in 
Burgkunstadt tätig und hat die Veränderungen im Gesundheitssystem nicht nur miterlebt, sondern auch mitgestaltet - unter anderem als Bundesvorsitzender des Berufsverbands niedergelassener fachärztlich tätiger Internisten. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre bereiten ihm Sorgen.
Sie sagen, in Kliniken wird manchmal nur operiert, um Fallzahlen zu schaffen und Statistiken zu erfüllen. Sie sprechen auch von einer weit verbreiteten Angstsituation und Frust unter den Ärzten in Kliniken.Peter Schmied: Das DRG-System, ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren - in den USA erdacht und in Australien erstmals eingeführt -, wurde in Deutschland trotz erheblicher Kritik von Arztorganisationen installiert. Aus den Fallpauschalen für Leistungen wie Herzkatheter oder Operationen entwickeln sich die Einnahmen für die Krankenhäuser. Die Diagnosen werden nach Schweregrad mit einberechnet. Trotz Kontrolle durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen hat man aber gestalterischen Raum. Das DRG-System begünstigt Kliniken, wenn sie möglichst viele hochpreisige Fallpauschalen abrechnen. 
Zusätzlich können Krankenhäuser Patienten kurzstationär aufnehmen. Sie dürfen dieselben Leistungen im Krankenhaus über Tagespauschalen einschließlich eines Pflegesatzes deutlich höher abrechnen als niedergelassene Fachärzte. Das geht auch aus einem Gutachten des renommierten IGES-Instituts hervor. So wird den Fachärzten nicht nur Konkurrenz gemacht, sondern sie werden deutlich schlechter gestellt. So arbeiten zwar nicht alle Klinikabteilungen, aber zahlreiche - mit steigender Tendenz. Viele, insbesondere ältere Klinik-Abteilungsleiter lehnen das ab, werden aber dazu gezwungen. Jüngere Abteilungschefs können sich Widerstand gegen das System mit Rücksicht auf ihre Familien gar nicht mehr leisten.
Welche Konsequenzen hat das für Ärzte, die das nicht mitmachen wollen?Wer nicht mitmachen will oder Kritik übt, wird entlassen. Mir sind einige Beispiele bekannt. Die recht hohen Abfindungen für ,gegangene' Geschäftsführer oder Abteilungschefs müssen vom Gewinn der Klinik abgezogen werden.
Gleiche Leistungen werden bei niedergelassenen Ärzten von den Kassen anders vergütet als in Krankenhäusern, sagen Sie. Warum ist das der Fall? Was glauben Sie, soll damit bezweckt werden?Das scheint die bewusste Schlechterstellung der freiberuflich tätigen Fachärzte zu sein. Eigentlich setzt die Bundesrepublik damit die Politik der DDR im Gesundheitswesen fort. Nur wird die Funktion des Staatskonzerns zunehmend von Privatkonzernen übernommen. Dort sitzen die Politiker bezahlt in den Aufsichtsgremien. Leidtragende sind Geschäftsführer, leitende Ärzte, Personal und Patienten. Dass immer weniger Ärzte freiberuflich tätig werden wollen, ist die Folge.
Wie sehen Sie die ärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung in der Zukunft?Zunehmend schlechter in den kommenden zwei bis drei Jahren. Trotz alle Spezialisierung sinkt das Niveau.
Sie haben ja kritisiert, dass in Konzernkliniken und den Medizinischen Versorgungszentren Chefärzte und Geschäftsführer oftmals zu schnell ausgetauscht werden und hohe Abfindungen erhalten. Geld, das eigentlich der Institution, Patienten und Mitarbeitern zukommen sollten.Wer dem Gewinnstreben der Klinikverantwortlichen und Politiker entgegentritt, muss zwangsläufig ausscheiden. Aus mehreren Klinikketten wurde mir aus verantwortlicher Quelle die Information zugeleitet, dass zeitintensive Schulung des ärztlichen Nachwuchses Luxus sei. Dadurch wird in Kürze und für nicht absehbare Zeit ein erhebliches Wissensdefizit beim ärztlichen Nachwuchs bestehen. Verstärkt wird das alles - wie mir immer mehr Patienten berichten - durch den zunehmenden Ausländeranteil unter den Ärzten mit schlechten Verständigungsmöglichkeiten. Dazu kommen der permanente Zeitdruck und die zunehmende Bürokratie. Dies hat zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung ernsthaft Kranker.
Weiter sagen Sie, dass die niedergelassenen Ärzte im Gegensatz zu den Kliniken viel schärfer kontrolliert werden.Das Gesetz schafft zum Beispiel die Möglichkeit, ohne Qualitätssicherung ambulant in den Medizinischen Versorgungszentren oder Kliniken zu coloskopieren oder zu operieren.
Was soll die Politik tun, damit sich die Lage für die Ärzte verbessert?Endlich eine ehrliche Fehleranalyse betreiben, dazu stehen und aus Fehlern lernen sowie danach in Absprache mit den Beteiligten einen Ausweg verhandeln. Die Hauptschuld tragen weder Geschäftsführer noch Klinikärzte, sondern die Politiker. Es es geht nicht darum, Klinken die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wir missgönnen auch nicht die bessere Honorierung, aber wir brauchen ebenso eine adäquate Leistungsvergütung.
Auf diese Problematik hat der damalige Gesundheitsminister Markus Söder 2009 hingewiesen.Stimmt. Die Ursache liegt in der falschen Geldverteilung in Deutschland aufgrund unterschiedlicher Arbeitsstrukturen. Facharztpraxen in Nord-/Ostdeutschland haben mehr "Laufkundschaft". Praxen in Süddeutschland bekommen Patienten in der Regel nur per Überweisung vom Haus- oder Facharzt. 
Das Klinikum Kulmbach sieht sich dagegen nicht als Konkurrenz zu den Fachärzten.Das Klinikum Kulmbach sieht sich nicht als Konkurrenz zu den niedergelassenen Fachärzten. Das betont stellvertretender Geschäftsführer Andreas Hacker mit Blick auf das Interview des Burgkunstadter Internisten Peter Schmied. Im Gegenteil: "Wir sind froh, wenn alles Hand in Hand geht. Wenn alles gut funktioniert, ist das ja zum Wohle des Patienten."
In der Regel kenne er ohnehin nur ein Prozedere, was die Aufnahme in einem Klinikum angehe: Der Hausarzt überweist an einen Facharzt, und der weist den Patienten gegebenenfalls stationär ins Krankenhaus ein.
Am Klinikum sind nach den Worten von Hacker auch Ärzte mit Kassensitz tätig. Das sei mit einem niedergelassenen Arzt vergleichbar und normaler Wettbewerb. "Und ich glaube, jeder hat genug zu tun." 
  
  Eine medizinische Entscheidung
 
Hacker stellt unmissverständlich fest: "Was ambulant behandelt werden kann, behandeln wir ambulant. Nur wenn ein Fall so schwerwiegend ist, dass eine stationäre Aufnahme nötig ist, dann nehmen wir den Patienten auch stationär auf." Das sei immer eine medizinische Entscheidung und habe mit der Vergütung nichts zu tun. Zudem überprüfe der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) jede Woche die stationären Fälle. 
Auch den Vorwurf der mangelnden Ausbildung von Ärzten kann Andreas Hacker - zumindest für das Kulmbacher Klinikum - nicht nachvollziehen. "Wir haben Ärzte mit Weiterbildungsermächtigung und bilden Assistenzärzte zu Fachärzten aus." Ob das andere Kliniken auch so handhaben - dazu könne er sich natürlich nicht äußern. "Bei uns funktioniert es jedenfalls."
Die Aussage, dass ohne Qualitätssicherung in den medizinischen Versorgungszentren koloskopiert oder operiert wird, weist er aus Kulmbacher Sicht ebenfalls zurück: "Wir sind zertifiziert. Aber für andere Häuser kann ich nicht sprechen." 
  
  Mehr Studenten nötig
 
Der stellvertretende Klinikums-Geschäftsführer weiß natürlich, dass die ärztliche Versorgung auf dem Land immer schwerer wird. Eine Lösung könnte die Anhebung der Studentenzahlen an den Unis sein. "Dann würde sich die Lage in einigen Jahren etwas verbessern", ist die Einschätzung von Hacker.