Nach dem Unglück im Kulmbacher Freibad ist die Bestürzung groß. Im Internet drücken viele User ihr Mitgefühl aus. In einigen Kommentaren machen sich Nutzer aber auch über die Opfer lustig und verspotten sie.
Das Freibadunglück, bei dem zwei junge Männer vom Sprungturm in Kulmbach in den Tod gestürzt sind, bewegt die Menschen in der Region. Ebenso schnell wie die Nachricht am Sonntagvormittag öffentlich wurde, verbreiteten sich im Internet auch die Kommentare zu dem tragischen Unfall. Alleine auf den verschiedenen Facebookseiten von infranken.de wurden bis zum Montag über 100 Kommentare registriert.
Die meisten User drückten dabei ihr Mitgefühl für die Opfer und deren Hinterbliebenen aus. Doch es gab auch Kommentare, die in die entgegengesetzte Richtung zielten. Teilweise wurde sich über die Verunglückten sogar lustig gemacht. "Wie kann man nur so bescheuert sein?", "Dummheit muss bestraft werden" oder "Die beiden hatten da nichts zu suchen", waren noch die harmlosesten Einträge, die veröffentlicht wurden.
Die Kommentare waren teilweise so zynisch und spekulativ, dass die Online-Redaktion von infranken.de einschreiten musste: "Ein tragisches Unglück ist passiert. Dies ist weder der Zeitpunkt für Spekulationen, Schuldzuweisungen oder schlechte Witze".
"Viele denken, sie können im Netz die Sau rauslassen"
Aus Sicht von Johanna Haberer hat dieses Kommentier-Verhalten viele Ursachen. Grundsätzlich, so die Professorin für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, habe der Medienwandel dazu beigetragen, dass sich die Nutzer im Netz meist anonym austoben können. "Jeder ist heutzutage ein Medienschaffender und kann sich scheinbar ohne Konsequenzen äußern. Viele denken, sie können im Netz die Sau rauslassen."
Aus der Anonymität heraus würden sie sich dann freier fühlen und sich auch ehrlicher äußern. Und da der Großteil die Verunglückten und deren Familien nicht kennt, falle ihnen das ehrverletzende Kommentieren viel leichter. "Der Mensch ist leider so. Wir stellen uns über die anderen und sagen: Das wäre mir nicht passiert."
Ähnlich sieht dies Claus-Christian Carbon vom Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre der Universität Bamberg. Die fehlende Empathie rühre daher, dass bei derartigen Berichten vor allem kognitive Aspekte angeführt werden. "Dieses Phänomen ist nicht auf das Netz beschränkt, sondern ist immer dann vorzufinden, wenn wir die Personen dahinter nicht kennenlernen können." Besonders im Internet könne man gut auf Fakten abzielen und Emotionales ausblenden. Dann seien Menschen, die eigentlich in furchtbarer Weise zu Tode gekommen sind, schnell selber schuld. "Eine sehr schlimme Schlussfolgerungen, aber eben wissenschaftlich nachvollziehbar."
Verhaltensregeln für das Netz
Unabhängig von der wissenschaftlichen Erklärbarkeit fordert Johanna Haberer Benimmregeln für das Internet. Denn derartige Kommentare seien keineswegs die Ausnahme. Besonders die sogenannten Trolle mischen sich online immer wieder destruktiv in Diskussionen ein, vorzugsweise bei beliebten Reizthemen wie Antisemitismus, Homophobie oder Feminismus. "User, die derart Ehrverletzendes posten, müssen gestellt werden", sagt Haberer. Es bedürfe allgemein gültiger Normen und Verhaltensregeln fürs Netz. "Und daran muss sich jeder, der dort unterwegs ist, halten."
Ein erster wichtiger Schritt sei es, dass Online-Redaktionen Diskussionen - auch in sozialen Netzwerken - moderieren, Einträge kontrollieren oder die Kommentarfunktion gänzlich ausschalten. Zudem könne es auch hilfreich sein, wenn die Netzgemeinde bei derart bösen Kommentaren selbst eingreift. "Wenn die Reaktionen argumentativ stichhaltig sind, haben sie teilweise eine größere Wirkung als das Löschen der Einträge."
Jeder ist mal unvorsichtig, und in den meisten Fällen passiert gar nichts oder ein Kratzer, etc. und man hat die Sache drei Tage später vergessen.
Viele Leute haben eine Fleece-Jacke an, wenn sie am Gasherd stehen (da gibt es gute Gründe, ausschließlich Baumwollkleidung zu tragen !!!),
beim Rohre entstopfen sollte man eine Schutzbrille tragen, denn ein Tropfen Rohrfrei-Lauge im Auge bedeutet, dass man wahrscheinlich eine neue Hornhaut braucht (sehr alkalisch!!),
es reparieren Leute ihr Fahrradlicht ewig nicht und fahren trotzdem damit durch die Gegend
usw, usf.
Ganz ehrlich, meine erste Reaktion auf die Meldung dieses Unglücks (denn das ist es trotz allem) war jetzt nicht gerade von Mitgefühl geprägt. Ich verstehe daher durchaus Leute, die der....unbedachten Aktion (um es mal vorsichtig auszudrücken) der beiden Verstorbenen während der Kulmbacher BIERwoche nicht wirklich viel Trauer entgegenbringen. Aber auch das muss in einem freien Land erlaubt sein.
Ob man diese Meinung jetzt in alle Welt hinausposaunen MUSS, steht auf einem anderen Blatt, aber man sollte es immerhin DÜRFEN.
Dass eine Sache als Dummer-Jungen-Streich beginnen und dann im bitteren Ernst enden kann, ist nichts Neues. Das gab es auch schon vor 40 Jahren zu meiner Schul- und Studentenzeit. Ich nehme nur seit dieser Zeit einer immer stärkere Verrohung der Gesellschaft wahr. Es gibt kein Tabu mehr, was nicht reif wäre, endlich gebrochen zu werden. Es gibt offenbar auch keine Geschmacklosigkeit, die nicht reizt, mal so richtig ausgekostet und der Öffentlichkeit vor die Füße geworfen zu werden. Dank Internet ist alles auch so wunderbar spontan und unüberlegt machbar, obendrein so wunderschön anonym. Auf Anstand und Fair-Play wird in unserer Gesellschaft doch immer weniger Wert gelegt. Das Fausrecht ist doch bereits auf dem Vormarsch. Deshalb sehe ich es eher als verzweifelten aber im Ergebnis wirkungslosen Aufruf, neue und strengere Benimmregeln im Internet einzuführen. Benimmregeln gibt es doch schon seit Urzeiten - ich habe sie von meinen Eltern und Großeltern gelernt. ABER: Wo sind denn bitte heute die Eltern und Großeltern, die ihren Kindern und Enkelkindern gutes Benehmen beibringen und vorleben? DA liegt doch der Bernhardiner begraben ... oder ist es schon ein Dinosaurier?
solche zum Teil perversen Kommentare wie sie manche verfassen, sind abscheulich. Eines sollte man aber auch sagen dürfen: Die beiden haben nachts nichts im Freibad verloren gehabt, dann wäre dieses Drama auch nicht passiert!
Es ist einfach beschämend, wie sich manche Menschen in den sozialen Netzwerken verhalten. Und wenn man sie darauf hinweist, argumentieren sie mit "Meinungsfreiheit".
Und letztlich erzählen die beiden Professoren nichts neues, das ist hinlänglich bekannt. Leider gewährt fb z. B. aber auch Narrenfreiheit, weil vieles ja angeblich nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt und demnach nicht gelöscht und auch nicht angezeigt wird. Hier waren es "nur" dumme Kommentare zu einem tragischen Unfall, aber es gbit auch viele andere Hetzpostings zu anderen Themen, auch die sollten wesentlich häufiger mal angeprangert werden.