Der Gasthof "Zum Schwan" in Rugendorf hat seine Pforten geschlossen. Am 3. Oktober schenkte Sieglinde Nützel ihren Stammgästen das letzte Bier ein.
Kaum ist das Glas leer, greift Sieglinde Nützel in die hohe Vitrine, holt ein Neues heraus und füllt es mit frischem Gerstensaft und perfekter Schaumkrone. "Du trinkst doch noch eins?", fragt sie - wobei die Worte der Wirtin eher wie eine Feststellung klingen als wie eine Frage. Sieglinde Nützel kennt ihre Stammgäste. Doch diese alltägliche Szene ist Geschichte.
Für Sieglinde Nützel ist der 3. Oktober letzte Tag, den sie in der kleinen Ausschanknische verbringen möchte. Im Alter von 81 Jahren setzt sie sich zur Ruhe. "Ja, ich habe mir das gut überlegt", sagt sie.
Abschied fällt nicht leicht
Natürlich fällt der Wirtin der Abschied von "ihren Rugendorfern" nicht leicht. Doch nach dem Tod ihres Mannes möchte und kann sie die Gastwirtschaft nicht alleine weiter betreiben. Die Arbeit ist ihr zu viel.
"Es ist so schade. Wir waren täglich da", sagt Altbürgermeister Dieter Oertel. Die anderen Stammgäste pflichten dem ehemaligen Gemeindeoberhaupt bei. Das Wirtshaus war immer schon Kommunikationsmittelpunkt im Herzen des Dorfes. Zum Abschied schauen alle vorbei: die Nachbarn, die, die nicht jeden Tag kamen, die Karter und natürlich die Stammgäste, die für Sieglinde Nützel wie eine Familie waren.
Mit dem Aus des Gasthauses "Zum Schwan" geht eine Ära zu Ende. Schon seit 1843 existierte das Traditionslokal in Rugendorf. "Früher gab es sogar eine eigene Brauerei. Friedrich Nützel aus Lanzendorf hat hier sein eigenes Bier gebraut", kennt Sieglinde Nützel die Familiengeschichte ihres Mannes.
Nicht aus dem Krieg zurückgekehrt
Allerdings musste der damalige Braumeister und Wirt in den Krieg - und kehrte nicht zurück. "Nach dem Krieg hat die Mutter meines Mannes, die Kuni, die Wirtschaft weitergeführt", erzählt Sieglinde Nützel. Und seit 1956 half ihr ihr inzwischen verstorbener Mann Fritz.
"Ach Gott, was haben wir hier früher für Kerwas gefeiert", erinnert Altbürgermeister Dieter Oertel an die großen Zeiten der Wirtschaft. "Ich habe hier zum ersten Mal Entenjung probiert. Erst traute ich mich nicht ran, dann habe ich es geliebt", schwärmt Dieter Oertel.