Einem 26-Jährigen wird vorgeworfen, einen 16-Jährigen im Schlaf missbraucht zu haben. Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten - und einen ärztlichen Notfall.
Die Vorwürfe wiegen schwer: ein 26-jähriger Mann aus dem Landkreis Kulmbach soll an einem schlafenden 16 Jahre alten Jugendlichen sexuelle Handlungen vorgenommen haben. Fast eineinhalb Stunden lang befragte das Gericht den Angeklagten bis am Ende der Verhandlung feststand, dass der Prozess erst einmal geplatzt ist. Aufgrund zu vieler Ungereimtheiten und Widersprüche soll nun ein aussagepsychologisches Gutachten einer erfahrenen Sachverständigen über die Aussage des vermeintlichen Opfers eingeholt werden, ehe die Verhandlung in etwa einem halben Jahr noch einmal ganz von vorne beginnt.
Es geht nicht darum, ob es eine intime Beziehung, ein brüderliches Verhältnis oder eine ganz normale Freundschaft war. Es geht auch nicht um Sex zwischen einem Erwachsenem und einem Jugendlichen. In dem Verfahren geht es vielmehr darum, ob es der Angeklagte ausgenutzt hat, dass der 16-Jährige schlief, um sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. So lautet die Anklage von Staatsanwalt Roland Köhler deshalb auch auf sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen.
Durchs Angeln verbunden
Der Angeklagte wies in seiner Aussage jegliche Schuld von sich. Ihn und den 16-Jährigen verbinde das gemeinsame Hobby des Angelns. Immer wieder sei man zum Fischen gefahren, mal an Baggerseen im Landkreis Bamberg oder im Nürnberger Land, mal an die Donau nach Kelheim oder Passau. Übernachtungen gehörten da wie selbstverständlich dazu, schließlich beißen die Fische nachts am besten. Und so schlief man im gemeinsamen Zelt, oder im Auto. Im angeklagten Fall übernachtete der Jugendliche Zuhause bei dem 26-Jährigen.
"Er war wie ein kleiner Bruder für mich", behauptete der Angeklagte und sprach von einer "echten Freundschaft", bis die Stimmung irgendwann im Jahr 2016 kippte. Plötzlich war von übermäßigem Alkoholgenuss des 16-Jährigen die Rede, der Angeklagte will von ihm um Geld und um die Angelausrüstung erpresst worden sein. "Er hat gedroht, mich fertig zu machen und zu sagen, dass ich ihn angefasst habe", so der Angeklagte.
Zahlreiche Ungereimtheiten
Warum die beiden in der Folgezeit noch immer zusammen zum Fischen gegangen sind und gemeinsam Zuhause oder im Zelt übernachtet haben, ist nur eine der Ungereimtheiten, die das Gericht jetzt näher beleuchten will. Er sei sehr blauäugig gewesen, beteuerte der Angeklagte und, dass er keinerlei Interesse an Männern habe. Dem gegenüber steht der Chatverlauf, aus dem Richterin Nicole Allstadt zitierte und aus dem hervorging, dass der Angeklagte den 16-Jährigen regelrecht dazu drängte, gemeinsam zu übernachten. Der 16-Jährige stand dem eher ablehnend gegenüber.
Das Gegenteil räumte dann, nach einer kurzen Unterbrechung, der Angeklagte ein. Zwei Mal habe man am Lagerfeuer, auf Initiative des 16-Jährigen, gemeinsame sexuelle Handlungen vorgenommen, jeder an sich, keiner habe den anderen berührt, auf dem Smartphone lief ein Pornofilm. "Mir war das schon sehr suspekt", sagte der Angeklagte, und weiter: "Ich fand es eklig." Am fraglichen Abend habe es aber keinen Sex gegeben, auch keinen Oralverkehr und auch nicht, während der 16-Jährige noch schlief. Der habe vielmehr vorher Schnaps konsumiert und sich übergeben, berichtete der Angeklagte.
Angeklagter kollabiert im Gericht
Zu einem Zwischenfall kam es während der Verhandlung, als sich alle Prozessbeteiligten am Richtertisch dem Chatverlauf auf einem Smartphone ansehen wollten. Der Angeklagte klappte zusammen und ging kurzzeitig zu Boden. Eilig ließ die Richterin einen Notarzt rufen, was sich allerdings schnell wieder erübrigt hatte. "Mein Mandant hatte nur einen kurzen Aussetzer", sagte Verteidiger Hilmar Lampert und die Verhandlung konnte nach einigem Hin und Her fortgesetzt werden.
Für die Einholung des aussagepsychologischen Gutachtens wird der Prozess nun für rund sechs Monate ausgesetzt. "Es geht schließlich um sehr viel", sagte Richterin Allstadt.