Vertreter aus Oberfranken und Südthüringen zeigten Wolfgang Tiefensee in Lauenstein Probleme in der Zusammenarbeit auf.
Dass die Zeiten von "Ossi" und "Wessi" Generation für Generation immer weiter aus den Köpfen der Menschen verschwinden, lässt sich an vielen Beispielen des Miteinanders im ehemaligen Grenzgebiet erkennen. Dass die Bürokratie und die Politik dennoch teilweise in einem Schubladendenken verharren, wurde bei einer Diskussion am Freitagabend mit Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in der Confiserie Burg
Lauenstein ebenso deutlich.
Gute und schlechte Erfahrungen
Die Teilnehmer aus dem Landkreis Kronach machten schnell klar, worauf es ihnen in dem Gespräch über das künftige Miteinander zwischen dem Süden Thüringens und dem Norden Oberfrankens ankommt. Thomas Luger, Geschäftsführender Gesellschafter der Confiserie, begrüßte den Minister mit dem Verweis auf ein gutes Beispiel. In der Initiative "Handwerk und Kultur erleben" werde seit zehn Jahren hervorragend von Beteiligten aus beiden Bundesländern zusammengearbeitet. Für die FOS am Rennsteig hingegen hätten die Franken vergeblich auf Unterstützung und Schüler aus der Nachbarschaft gehofft.
Luger plädierte angesichts dieser Beispiele für ein konsequentes Denken in der Zusammenarbeit: "Eine Kooperation muss einen Nutzen für diejenigen bringen, die Zielgruppe sind, und für diejenigen, die sie umsetzen." Ländergrenzen dürften dabei keine Bremse sein, denn "unsere Kinder fragen nicht nach Grenzen, und unsere Kunden nehmen uns als Region wahr".
SPD-Kreisvorsitzender Ralf Pohl nannte ebenso wie Ludwigsstadts Zweite Bürgermeisterin Eva Jahn (SPD) Ludwigsstadt und Probstzella als Partner, die ein gutes Zusammenwirken entwickelt haben. "Das liegt auch an den handelnden Personen", betonte Pohl. Im Bereich Verkehr habe es an der ehemaligen innerdeutschen Grenze inzwischen ebenfalls Fortschritte gegeben. Pohl hoffte, dass möglichst bald ein IC-Systemhalt mit Stopps in Kronach und Ludwigsstadt realisiert wird.
"Grenzen" in den Amtsstuben
Jahn ergänzte, dass auch der Rettungsdienst bereits länderübergreifend aktiv sei. Dennoch mahnte sie bürokratische und politische "Grenzen" in der Zusammenarbeit an, die weiter abgebaut werden müssten. Es dürfe kein abrupter Schnitt an den Landesgrenzen vorgenommen werden. Und Fördermittel müssten dorthin fließen, nicht in boomende Städte wie beispielsweise Bamberg.
Wolfgang Tiefensee griff viele Anregungen und Kritikpunkte aus der Diskussion auf. "Die Aufgabe der Politik ist es, hier zu harmonisieren", stellte er fest. Auch wenn er einräumte, dass es teilweise leichter sei, eine Kooperation über die Ländergrenzen hinweg anzukurbeln als innerhalb Thüringens, so erkannte er doch an, dass es noch viele Entwicklungshemmnisse zwischen Bayern und seinem Bundesland gibt. Bürokratische Vorschriften oder auch Förderrichtlinien wurden von ihm als Beispiele genannt.
Nicht nur, als Tiefensee den Tourismus ansprach, griff er einen Gedanken auf, der in der Diskussion permanent auftauchte. Immer wieder wurde ein Denken abseits von den Bundesländern angeregt. Wirtschaftsräume beziehungsweise - regionen sollten demnach im Vordergrund stehen.
Gutes Beispiel aus dem Frankenwald
Tiefensee ging auch auf die Zusammenarbeit im Rodachtal ein, wo man erkannt habe, dass der Tourismus aus einer ganzen Region heraus entwickelt werden müsse, um attraktive Angebote zu schaffen. So könnte seiner Ansicht nach auch das Miteinander im ehemaligen Grenzgebiet aussehen.
Im gleichen Stil müssten die Chancen der Digitalisierung ergriffen werden, mit Vernetzungen und einem intelligenten Umgang mit den Daten. "Ich will diese länderübergreifende Tourismusstrategie aufgreifen", versprach er.
Wettbewerb muss auch Zusammenarbeit ermöglichen
Tiefensee machte sich weiterhin stark für bessere Absprachen im Schulwesen. Zudem forderte er, dass sich die Vertreter der Verkehrsverbünde zusammensetzen, ihre Modelle in den Hintergrund rücken und den Kunden in den Mittelpunkt stellen sollten. Insgesamt meinte der Minister, dass es zwischen den Ländern natürlich ein gewisses Ringen um die besten Ideen gebe. Doch dabei müsse immer auch eine unkomplizierte Zusammenarbeit gewährleistet bleiben. "Es ist schön, dass wir föderal im Wettbewerb stehen, aber es braucht auch eine Durchlässigkeit", so Tiefensee. "Das ist die Zukunft!"
Wie entsprechende Fortschritte erreicht werden können, darüber will sich der Minister umgehend weitere Gedanken machen. Auf alle Fälle werde es darum gehen, die länderübergreifenden Wirtschaftsräume genauer abzustecken, deren Verflechtungen zu definieren und "Kümmerer" zu finden.
Stimmen aus den Nachbarregionen
Nicht nur Vertreter aus dem Kreis Kronach, sondern auch aus den Nachbarlandkreisen kamen zum Gespräch mit Minister Wolfgang Tiefensee. Der Saalfelder Landrat Marko Wolfram (SPD) betonte, dass die Partnerschaft zwischen Probstzella und Ludwigsstadt gehegt und gepflegt werde. Es gebe eine enge Zusammenarbeit bis hinein in die Bauhöfe. Dass es dabei auch Schwierigkeiten gibt, "liegt teilweise an banalen Sachen wie dem grenzüberschreitenden Busverkehr". Insgesamt müsse man sich nun in der Politik fragen, wie man das gemeinsame Erbe "Grünes Band" weiterentwickeln will.
Klare Worte fanden auch Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD/Neustadt bei Coburg) und Bürgermeister Heiko Voigt (parteilos/Sonneberg). "Unser Ortsende ist der Ortsbeginn von Sonneberg", unterstrich Rebhan, wie sehr beide Kommunen auf Tuchfühlung sind. In den Bereichen Tourismus, ÖPNV, Kultur oder Krankenhäuser arbeite man eng zusammen. Stellenweise würden die Handelnden Vorort jedoch durch das "Njet" aus Erfurt ausgebremst. So etwa, wenn es um eine Zusammenarbeit bei den Sparkassen gehe. Und auch beim Besuch der Berufsschule komme es zwischen den Nachbarn zu "Absurditäten". Dabei seien die beiden Kommunen doch ein Wirtschaftsraum.
Ausrichtung in Richtung Franken
Voigt bekräftigte diese Einstellung. Er hob hervor, dass die Sonneberger viel mehr nach Süden als beispielsweise nach Suhl ausgerichtet seien. Komplett unterschiedliche Landesentwicklungsprogramme in Bayern und Thüringen seien für sie im Großen jedoch ebenso ein Hemmschuh wie beispielsweise im Kleinen die für die Betriebe vorgeschriebene Nutzung entfernter Zollstellen, bloß weil die nahe gelegene Stelle auf der anderen Seite der Landesgrenze liege.
Bundestagskandidatin Doris Aschenbrenner (SPD) möchte den Bund in der Föderalpolitik stärker in die Pflicht nehmen. Pragmatische Herangehensweisen seien bei Kooperationswünschen erforderlich. Teilweise könne der normale Bürger bürokratische Entscheidungen sonst nicht mehr nachvollziehen. In der Grenzregion bei Coburg und Kronach könnte in Zukunft eine Art Modellregion entstehen, wünschte sie sich Fortschritte nach dem Gespräch mit dem Minister. "Denn nicht nur Worte, sondern auch Taten soll dieses Gespräch mit sich bringen."