Georges Feyde aus Komödie wird bei den Kronacher Faust-Festspielen eine zwerchfellerschütternde Farce.
Von Anfang an ließ der Regisseur keinen Zweifel aufkommen: Das Stück "Der Floh im Ohr" sei nur lustig, ohne Tiefgang. Daniel Leistner hatte also für die zweite Premiere bei den diesjährigen Faust-Festspielen sein Publikum gleich "eingenordet". Wo in den vergangenen Jahren Tragödien oder Traumspiele das Publikum beglücken sollten, war's diesmal eine Boulevardkomödie reinsten Wassers, "Der Floh im Ohr" des französischen Boulevardkönigs Georges Feydeau. Ein moderner Klassiker also, der bis heute auf den Bühnen der Welt zu Hause ist - jetzt auch in Kronach.
Und hat Leistner sein Versprechen gehalten? Ja und nein. Bei dem heiter gestimmten Publikum und den gelöst auftretenden Schauspielern schlug die Komödie mit Wucht ein. Trotzdem - ein paar kleine persönliche Enttäuschungen könnte man schon anführen.
Da ist zum einen das - für Kronacher Verhältnisse ungewöhnliche - Bühnenbild: eine Holzwand mit drei Lamellentüren, die dem Verwirrspiel im Stundenhotel "Zum galanten Kätzchen" das i-Tüpfelchen aufsetzen sollten.
Die Wand - auf jeden Fall ein gelungener Anziehungspunkt - hat das Faust-Team besonders dem "neuen" Bühnenbauer Otto Heinisch zu verdanken. Das beabsichtigte Spiel mit den verwirrenden Auftritten und Abtritten allerdings geriet dann nicht so spektakulär wie erwartet.
Mühsamer Aufbau Und zweitens: Das Stück hat im ersten Akt nur langsam Fahrt aufgenommen. Die oberflächlichen Witzeleien brachten nicht jeden gleich zum Lachen, der mühsame Figurenaufbau forderte halt seinen Tribut. Eher konventionell eben.
Aber dann - im zweiten Akt im Hotel und beim Finale im Haus der von Küsselgesangs - setzt endlich die beabsichtigte "Lachen-mit-Tränen"-Wirkung ein. Das Verwirrspiel um einen aus dem Stundenhotel zugesandten Hosenträger, den die Herrin (Heidemarie Wellmann - ganz die Furie) in NSA-ähnlicher Postzensur aus dem Päckchen an ihren Gemahl herausfischt, hält sie für ein offensichtliches Zeichen seiner Untreue. Und damit setzt sie einen Mechanismus aus Verwirrung, Intrige und Täuschung in Gang, der zumindest ab dem zweiten Akt durchpowert. In einem muss man dem Programmheft aber widersprechen: Der "unerbittliche Ablauf" der Tollheit ließe sich jederzeit stoppen - wenn nur einer der Protagonisten etwas mehr Vernunft walten ließe. Aber das ist dann wohl nicht gewollt - wie in den unerbittlichen Ehekriegen des richtigen Lebens.
Wie so oft dominieren die Frauen.
Die Herrin ebenso wie ihre Freundin Laura (Melinda Rost - die ehrsame Bürgerliche), die Hotelchefin (Ida Engelhardt mit eigentlich nur Haaren auf den Zähnen) und die lüsterne Dienerin Antonia (raffiniert Julia Knauer). Dominieren? Na ja, sie sind die reinsten Schlägertypinnen, die mit ihren Nahkampftaschen ständig auf die Männer einschlagen.
Man könnte es ja für den Mitleidsfaktor halten, dass die arg gebeutelten Männer am Ende den größten Applaus erhielten. Wie Sven Schenke in einer total gegensätzlichen Doppelrolle als Herr und als geschundener Hoteldiener Max, der seinen starken Auftritt vom Vorjahr wiederholt. Wie Daniel Leistner als arroganter Frauenschwarm Tournel und als wienernder Quacksalber. Die reinste Leistner'sche Bühnencomicfigur darf Manuel Koch als spanischer Hagestolz Herr Hominides verkörpern.
Doch den "Floh" abgeschossen hat "Romeo" Halil Yavuz als Küsselgesangs Neffe, dem die Hosenträger in Wirklichkeit gehörten: Erst punktet er mit seinem Sprachfehler und der Gaumenprothese genialisch - dann haut er die Leute beim Finale mit einem Avici-Auftritt von den Socken.
Ein Sonderlob gilt den beiden, die jahraus, jahrein die Kasse hüten: Gerald Fischer und Anja Schindler, die diesmal mit etwas größeren Nebenrollen und ihrem frankenwäldlerischen komödiantischen Talent das letzte Herz erobert haben.
Fazit: Das Stück taugt. Vielleicht sollte es wegen überbordender weiblicher Brutalität eine Freigabe erst ab 18 erhalten.