Digitalisierung in der Schule: Kronacher Lehrer erzählen vom Alltag zwischen Tablet und WLAN

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Das digitale Klassenzimmer ist schon Alltag. Es mangelt aber noch an einigen staatlichen Umsetzungen wie beim WLAN. Foto: KZG
Das digitale Klassenzimmer ist schon Alltag. Es mangelt aber noch an einigen staatlichen Umsetzungen wie beim WLAN.  Foto: KZG
 

Die Klassenzimmer sollen digitalisiert werden. Nur scheitert es derzeit noch an dem komplizierten Programm des Staats. Kronacher Schulleiter und Medienbeauftragte berichten, wie es an ihren Schulen um WLAN und Tablet bestellt ist.

Mit der Pandemie kommt auch die Diskussion um die Digitalisierung der Schulen in Fahrt. Ministerpräsident Markus Söder kündigte im Juni den Digital-Turbo an und die Schulen sollten mithilfe Hunderter Millionen Euro schweren Hilfspaketen in der technischen Ausstattung zueinander aufschließen. Es geht um Laptops, Tablets, WLAN und allgemein: schnelles Internet. Um weiße Wände vor grünen Tafeln.

Eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag Ende November fällt allerdings ernüchternd aus. 10 000 Klassenzimmer, heißt es in der Pressemitteilung, seien noch immer ohne Internetanschluss. Ein Drittel ohne WLAN. 36 Prozent ohne digitale Endgeräte - die gerade so wichtig fürs Homeschooling wären.

Veit Schott ist Lehrer an der Kronacher Gottfried-Neukam-Schule, Informationstechniker und seit 2008 für die technische Kommunikation an den Grund- und Mittelschulen in den Landkreisen Kronach, Lichtenfels sowie Stadt und Land Coburg zuständig. Will eine Schule eine Beratung, welche technischen Geräte gefördert werden, wie viele davon für die Schule sinnvoll ist und überhaupt als Ausstattung beantragt werden soll, dann ist man beim Berater für digitale Bildung, kurz BdB, goldrichtig.

Doch Schule ist nicht gleich Schule, wenn es um Digitalisierung geht. Die Unterschiede, berichtet das Handelsblatt Ende November, sind deutschlandweit gravierend. Und selbst im Landkreis Kronach fällt die Erhebung teils komplett unterschiedlich aus. Veit Schott muss es wissen. Der Lehrer hat in seiner zuständigen Region eine Umfrage gestartet. Während das Kultusministerium die zugewiesene Förderung auf ihrer Seite in Euros misst, wollte der BdB es genauer wissen.

Schule ist nicht gleich Schule

Von 22 Grund- und Mittelschulen im Landkreis haben 14 WLAN. Fünf bis sechs haben in der Umfrage Glasfaser angekreuzt. Wobei sich auch Veit Schott nicht sicher ist, ob die Ergebnisse zu 100 Prozent korrekt sind. Einige Angaben sind für ihn irritierend, wie eine 100 Mbit pro Sekunde "langsame" Glasfaserleitung.

Es scheitert oft an der digitalen Ausbildung der Lehrkräfte, die sich um die Beantragung kümmern müssen, ohne Informatik-Profis zu sein. "Das große Problem ist, dass die Systembetreuung eine Lehrkraft übernimmt, die sich nicht schnell genug geduckt hat." Manche Schule, erklärt er, "krebsen noch mit einer 16 000er-Leitung herum". Für Computerlaien: Das war im Jahr 1999 eine technische Revolution. Heutzutage gilt es schlichtweg als zu langsam.

Die Landtagsfraktion der SPD sieht das Problem vor allem in der Struktur, in den Formularen und den komplizierten Beantragungsprozessen. "Viele Städte und Gemeinden kommen als Schulaufwandsträger nicht hinterher, die vorhandenen Mittel abzurufen." Als der bayerische DigitalPakt Schule 2019 vom gleichnamigen bundesweiten Förderprogramm abgelöst wurde, fehlten vielen Kommunen die Kapazitäten, heißt es in der Pressemitteilung. SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Adelt dazu: "Ein Grund dafür sind die damit verbundenen bürokratischen Hürden und Verfahrensfehler."

Expertise fehlt

Doch das ist nicht allein der Grund, wird im Gespräch mit Veit Schott deutlich. Es geht auch um die digitale Schulung von Lehrkräften, um das Know-How, damit die richtigen Geräte beantragt werden können. Er und seine Kollegin Monika Tremel aus Lichtenfels unterstützen Schulleiter bei Fragen und verweisen auf die Berater und die Erklärvideos der Regierung von Oberfranken.

Thomas Müller ist stellvertretender Schulleiter am Kaspar-Zeuß-Gymnasium (KZG) und kennt die "extrem komplizierten Förderrichtlinien" genauso gut, wie die Ausstattung der Schule. Wegen der weitsichtigen baulichen, aber auch digitalen Sanierung ist das Kronacher Gymnasium beim Bayerntopf nicht zum Zuge gekommen. Dennoch ist die Schule "nordbayernweit beispielhaft ausgestattet". In allen 50 Klassenräumen gebe es PCs mit Internetanschluss. Dazu kommen Fachräume, zwei voll ausgestattete Computerräume und ein Tabletraum. Worauf die Schule noch wartet, sagt Müller, sei das WLAN. Das hat wiederum mit den bürokratischen Hürden zu tun.

Nach Dringlichkeit entschieden

Der zweite Lockdown bedeutet nun auch für das KZG Distanz- und Wechselunterricht. 50 Endgeräte, Tablets und Laptops, kann die Schule derzeit an ihre Schüler ausleihen. Dann ist Schluss. Thomas Müller erklärt, dass es nach Dringlichkeit entschieden werde, welcher Schüler schließlich ein Gerät mit nach Hause nehmen darf. Doch das ist nicht immer einfach herauszufinden, wer tatsächlich dringend ein Tablet benötigt. "Die Nachfrage nach Leihgeräten war schon im ersten Lockdown groß." Auch wenn die Staatsregierung 600 Leihgeräte versprochen hat, geht er nicht davon aus, dass diese auch ankommen. Dennoch war die Beschaffung von Leihgeräten über das Landratsamt reibungslos, sagt er. Es kommt eben darauf an, was die Schule beantragt. Es gibt aber eine zweite Hürde, die bereits Veit Schott beschrieben hat.

Als der Systembetreuer des KZG wegen der Anfrage eines Technikers am Telefon verlangt wurde, musste dem Anrufer auf der anderen Seite der Leitung mitgeteilt werden, dass er gerade keine Zeit habe, weil er im Unterricht sei. Es gibt schlichtweg keine oder kaum professionell ausgebildete Medientechniker an bayerischen Schulen. Die Aufgaben übernehmen Lehrkräfte. Auch das Einrichten und Updaten von mehr als 200 Endgeräten im Fall des KZG wird von den Systembetreuern übernommen. Endlosarbeit.

Das bestätigt auch der Schulleiter des Frankenwaldgymnasiums, Harald Weichert: "Unstrittig ist, dass die Digitalisierung ein Ausmaß erreicht hat, das - trotz Stundenaufstockung der Systembetreuung - mit den derzeitigen Strukturen und Verantwortlichkeiten nicht mehr zu leisten ist." Auch in der Ausstattung gleichen sich die beiden Kronacher Gymnasien: Die Versorgung mit Endgeräten, Beamern, Whitboards ist nicht das Problem, geht aus der Nachricht des Schulleiters hervor. Viel mehr ist es das Internet selbst. Für das WLAN habe das Landratsamt eine Planungsfirma beauftragt. Doch bislang sei eine kabellose Internetverbindung noch nicht nutzbar. Auch das Glasfaser sei zwar verlegt, aber bislang nur im Einzelfall nutzbar.

Internetverbindung, bürokratische Hürden, Mangel an technischer Expertise und Ausstattung mit Endgeräten für Lehrer: Damit das Klassenzimmer digital wird, gilt es, erst die analogen Probleme zu beseitigen.

Der Digitalpakt Schule:

Um den Digitalpakt der Bundesrepublik umzusetzen, mussten Bundestag und -rat erst das Grundgesetz ändern. Seit dem 15. März, als der Bundesrat der Änderung beim zweiten Anlauf zugestimmt hat, ist die Bildungshoheit nicht mehr allein Ländersache.

Im sog. "DigitalPakt Schule" will der Bund die Digitalisierung der Schulen auch in ärmeren Bundesländern forcieren. Dafür stehen etwa fünf Milliarden Euro zur Verfügung, etwa 120 000 Euro pro Schule. Bis zum 30. Juni 2020 sind erst 15,7 Millionen Euro der Mittel abgeflossen.

Zuständig für die Beantragung der Fördergelder sind die jeweiligen Schulträger. Bei der Regierung von Oberfranken laufen wiederum Informationen über die Beantragung zusammen. Infos über den Stand der Beantragung finden sich im Internet auf km.bayern.de und auf schule-oberfranken.de