Zum zweiten Mal gewährten die Schausteller Interessierten einen Blick hinter die Kulissen des Kronacher Freischießens.
Backstage informierten sie am Samstag über ihre Probleme und Anliegen. Damit alle Besucher ausgelassen feiern können, ist ein immenser Aufwand notwendig.
Die Schausteller kämpfen mit überbordender Bürokratie, immer strengeren Auflagen und steigenden Kosten. "Über die Einnahmen können wir uns nicht beschweren, wohl aber über die Kosten", bedauerte Lorenz Kalb, Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellerverbands. Mit Platzmeister Charly Wittig unternahm er mit Medienvertretern, einer Abordnung aus der Kronacher Partnerschaft Kiskunhalas, Mitgliedern des Lions-Clubs Kronach und weiteren Interessierten einen Rundgang durch die bunte Welt des Freischießens.
"Es ist einiges los im Gewerbe"
"Es ist derzeit einiges los in dem Gewerbe", bestätigte Wittig, der den Gästen einen Einblick in seinen Aufgaben- und Verantwortungsbereich gab. Die Einteilung des Platzes, das Marketing, die Umsetzung von Sicherheitsbestimmungen: Alles läuft bei ihm zusammen. Wichtig seien in seinem Amt vor allem gute Nerven und Durchsetzungsvermögen, da er sich hin und wieder auch mit Schaustellern anlegen und "Nein" sagen müsse.
Beschäftigt sei er das ganze Jahr hindurch. Die Vorbereitungen für das Freischießen 2017 liefen bereits im November an. Einmal im Jahr finde mit den Platzmeistern aus Coburg und Lichtenfels ein Abstimmungstreffen statt, ob und welche Geschäfte an allen drei Volksfesten vertreten sein sollen. Sein Amt übernahm er 1998 gemeinsam mit Mitstreitern, nunmehr ist er "Einzelkämpfer" - seiner Meinung nach die bessere Variante. Er habe so mehr Freiraum, und auch die Koordination sei einfacher.
Viel Verantwortung und mancher Ärger
Sein Amt sei mit großer Verantwortung und manchem Ärger verbunden. Vor zwei Jahren sei er von der Staatsanwaltschaft Coburg wegen Fehleinleitung von Abwasser angeklagt worden. Man habe zwar nachweisen können, dass die Schuld bei einer früheren Baufirma lag, aber dennoch: "Da heißt immer, das Ehrenamt werde gestärkt, stattdessen bekommt man noch eines drauf."
Sein Amt mache ihm aber viel Spaß. "Man muss begeistert und im Kopf dabei sein, immer auf Augenhöhe und im fairen Miteinander mit den Schaustellern", stellte er klar. Heuer sei er beispielsweise dabei gewesen, als man das Breakdance-Fahrgeschäft von Hof nach Kronach gefahren habe - einfach, um das einmal mitzuerleben.
"Kronach ragt in Oberfranken heraus"
"Kronach ragt bei den oberfränkischen Volksfesten heraus, insbesondere, weil es weiterentwickelt wurde", betonte Lorenz Kalb an "Heidis Bar", wo der Rundgang startete. Beim Kronacher Freischießen sei er zum 61. Mal. "Meine Großeltern waren hier schon vor dem Krieg. Meine Tochter ist die sechste Generation, und wir haben Enkel, die das vielleicht fortführen", sagt er. Man brauche Familienfeste, zu denen der Opa mit seinen Enkeln gehen könne. Es müssten aber auch Hightech-Geräte vertreten sein. "Der Gag ist der Mix", zeigte er sich sicher.
Über mangelnden Zuspruch brauche man sich nicht zu beschweren. Die deutschen Volksfeste würden alljährlich von 150 Millionen Menschen besucht. Ein großes Problem in Deutschland sei es, dass alles reglementiert werde, "sogar, was ein Hauptgewinn kosten darf". Kein Gewerbe werde mehr überwacht als die Reisegastronomie. Jeder Wasserschlauch benötige zwei Zertifikate. Ein großes Ärgernis sei es, das reisende Gastronomen auf jedem Festplatz eine Gebühr für die Erlaubnis zum Alkoholausschank bezahlen müssen. Diese werde von den Kommunen erhoben, die diese wahllos festlegen können. "Ein stationärer Wirt zahlt einmal, wir zahlen alle zehn Tage auf einer anderen Veranstaltung", monierte Kalb. Trotz der enormen Kosten versuche man, bei den Preisen moderat zu bleiben.
"Vom Laptop bis zum Waschlappen"
Probleme bereite auch die Dokumentation des Mindestlohns. "Die Arbeit ist in acht Stunden nicht zu schaffen und in zehn auch nicht. Wir müssen halt zehn bis zwölf Stunden ran", verdeutlichte er. Aushilfskräfte seien schwer zu bekommen. Die Leute wollten feiern und nicht arbeiten. Zudem brauche man fachkundiges Personal. Deshalb gingen die Mitarbeiter mit Küche, Dusche und Fernseher mit auf Reisen. Das sei für alle Schausteller ein Riesenstress, da stets die komplette Wohneinheit umziehe - "vom Laptop bis zum Waschlappen". Manche Schausteller könnten vor Aufregung schon einige Tage davor nichts mehr essen.
Die nächste Station ist der Märchenverkehrsgarten, ein altes Geschäft, das von seinem Besitzer Michael Kollmann nur noch ein- oder zweimal im Jahr aufgebaut wird, in Kronach aber nicht fehlen darf. "Das Gerät ist Baujahr 1958. 1959 war ich das erste Mal hier", erzählte Kollmann, der aus einer alten italienischen Zirkus- und Schaustellerfamilie stammt. Dass es nur noch wenige Male im Einsatz sei, liege an der sehr aufwendigen Instandhaltung und am zeit- und arbeitsintensiven Aufbau, der von Hand über mehrere Tage erfolge.
"Wir kommen gerne nach Kronach"
"Wir kommen gerne nach Kronach. Wir verbinden damit vielen Erinnerungen", freute sich Kollmann. Scheinbar nicht nur er. Öfters kämen Großeltern mit ihren Enkeln und zeigten Bilder, die sie selbst im Märchenverkehrsgarten zeigten. Das sei immer wieder schön. "Ich liebe diesen Beruf", versicherte er und ergänzte: "Gefragt wurde ich aber nicht. Ich war halt der einzige Sohn." Heute habe er selbst zwei Söhne, die derzeit auf anderen Volksfesten unterwegs seien.
Weiter geht es zum Breakdance. "Insgesamt sind 50 verschiedene Breakdance-Anlagen unterwegs. Das bedeutet 50 Mal direkte Konkurrenz", verdeutlichte Michael Wolf, der nicht nur mit diesem Fahrgeschäft auf dem Freischießen vertreten ist, sondern auch mit einer Holzhütte zum Verkauf von Fleischspießen sowie einer Beachbar. Sein Breakdance sei sehr modern und laufe lautlos. Die Umrüstung alleine habe 70.000 Euro gekostet.
Vor einigen Jahren übernahm Julia Müller die "Hawaii-Früchte". Oberstes Gebot seien hier Qualität und Frische. Alles werde sofort gekühlt. Neu im Angebot habe man in Alkohol eingelegte Früchte, die bei anderen Volksfesten auf große Begeisterung stießen. In Kronach sei man zurückhaltender. "Die Kronacher sind da etwas eigen", lacht sie und ergänzt: "Hier ist es einfach am schönsten, hier gibt es die freundlichste Kunden. Wir werden hier immer herzlich empfangen und fühlen uns hier wie zu Hause", strahlte sie.
Im Frühjahr zieht es einen wieder raus
Sie habe fünf feste Mitarbeiter, in Kronach seien neun im Einsatz. Die Einnahmen seien auf allen Festen relativ gleich. Man versuche, so wenig wie möglich wegzuschmeißen, ganz vermeiden lasse sich das aber nicht. Übriggebliebenes esse man meist aber selbst oder man spende es an soziale Einrichtungen. In der volksfestlosen Zeit ist die Mutter eines dreijährigen Kindes in Nürnberg daheim. "Die Leute sehen immer nur das Geschäft und einige Verkäufer. Was für ein Fuhrpark das ist, können sie sich nicht vorstellen", meinte sie. Früher hätten mehr Schausteller-Kinder ein Internat besucht. Das habe sich aber geändert. "Es gibt einen Schulbus für reisende Kinder, der vor Ort unterrichtet. Sie haben vormittags Schule und bekommen auch Hausaufgaben auf", informierte sie. "Die Zeit im Winter zu Hause ist schön. Aber wenn das Frühjahr kommt und die Sonne scheint, treibt es einen einfach wieder raus", gesand Müller.
Anschließend ging es zum 48 Meter hohen Riesenrad "Roue Parisienne". Michael Burghard erklärte, dass er für den Auf- und Abbau jeweils nur einen Tag brauche. Sein Riesenrad habe 36 Gondeln. Eine Fahrt dauere zwischen sieben und acht Minuten. Er sei europaweit unterwegs. Nach einer Fahrt und einer grandiosen Aussicht über den Festplatz und zur Festung Rosenberg ging es zur letzten Station - zu Julia Müllers Mutter Jaqueline am Eispalast am hinteren Eingang. "Wir sind die einzige Firma auf Reisen, die ausbildet", informierte Müller, die Wurzeln in Johannisthal und dort auch Verwandte hat. Seit 2009 konnte man sechs junge Leute als Speiseeishersteller ausbilden. Leider habe man die Ausbildung für die jungen Leute erschwert. So erfolge jetzt die schulische Ausbildung in Berlin, was für den fränkischen Nachwuchs weit weg sei.
Ganz neu im Angebot sei ein Vanille-Eis mit besonders viel Fettgehalt, also Sahne. Daher sei es auch besonders weich. Die Probe fällt in der Tat sehr lecker aus. Während sich die Teilnehmer nach dem Rundgang mit einer Maß Bier stärkten, war für alle Schausteller Arbeit angesagt. Der Festplatz war voll und der Tag noch lang.