Die Schlammmassen begruben die meisten Werkzeuge und Berglampen - bis auf zwei. "Gott helfe uns und unseren armen Frauen und Kinder", murmelten einige Eingeschlossene.
Telegramm nach München
Am Karsamstag erreichte ein Telegramm aus Stockheim das Oberbergamt München: "In Folge zurück gestauter Wasser durch Verstopfung der Abfallrohre im Max Gegenort und der 54. Sohle in Maxschacht in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag Brüche der Grundstrecke und der Mittelstrecke, wobei 12 Mann verunglückt und bis jetzt abgeschlossen. Nächste Ursache Nichtbeachtung der Wasseranstauung von Seiten des Maschinen- und Aufsichtspersonals. Aufräumung und Untersuchung im Gange."
Während Grubenbesitzer Baron Richard Freiherr von Swaine die Verunglückten schon verloren sah, gaben der von Bergdirektor Heinrich George eingesetzte Obersteiger Wilhelm Schröder von der Steinkohlengrube "König Ludwig" in Reitsch und der Oberhauer Sebastian Wich aus Grössau nicht auf. Mit Unterstützung des königlichen Bergamtmanns Johann Carl Hahn aus Bayreuth, des von Swaine'schen Bergverwalters Ernst Julius Funke sowie des Obersteigers Wilhelm Sartorius wurden zwei Zugangsvarianten erarbeitet. Zwei Rettungsmannschaften mit über 50 Bergmännern arbeiteten sich unter Lebensgefahr und mit dem Mut der Verzweiflung vor - unermüdlich, Tag und Nacht.
Wie die Maulwürfe
Und wie war es bei den Verschütteten? Lebendig begraben, nahmen die Bergleute ihre Zuflucht zu den 14 Nothelfern. Alle Knappen, ob katholischer oder evangelischer Religion, versprachen eine Wallfahrt nach Vierzehnheiligen, wenn sie lebend wieder herauskämen. Sich untätig dem Schicksal ausliefern, das wollten die Eingeschlossenen aber nicht. Über dem Querschlag entdeckten sie einen alten Stollen. Verzweifelt versuchten sie, sich in mühsamer Maulwurfsarbeit aus ihrem Gefängnis zu befreien.
Weiter oben kam die rettende Idee von Steiger Sebastian Wich aus Grössau, der auf eigene Verantwortung einen Seitenstollen anlegte. Die Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde, zumal die Retter lediglich mit Keilhaue, Schlägel und Eisen sowie Schaufel ausgerüstet waren. Doch mit dem Mute der Verzweiflung schaffte man bis zum Umfallen.
Klopfzeichen aus der Tiefe
Am Morgen des Ostermontags bahnte sich ein erster Erfolg an. Direktor Heinrich George informierte Bergamtmann Hahn in Bayreuth, dass der Durchschlag des Umbruchs zur Grundstrecke erfolgt sei und dass "frische Wetter kräftig durch die Öffnung einzögen". Als der Vorarbeiter zu diesem Zeitpunkt wieder einmal mit dem Schlägel rhythmisch auf einen Stein klopfte, kam von drinnen auf gleiche Weise Antwort.
"Sie leben, sie leben!" Diese erlösende Meldung verbreitete sich in Windeseile im Bergwerk und erreichte bald darauf den Zechenhof und die umliegenden Dörfer, die Kirchen, in denen Mütter, Ehefrauen und Kinder beteten. Nach kurzer Zeit war eine Verständigung mit den Eingeschlossenen möglich.
Total erschöpft
Und wenige Stunden später war der Durchbruch endgültig gelungen. Zur Mittagszeit zogen die Helfer einen nach dem anderen aus dem Stollen, zuletzt den Oberhauer Konrad Rubel, der wie ein Vater für die elf Knappen gesorgt hatte. Manche waren so ermattet, dass sie kein Wort sprechen und keinen Schritt gehen konnten.
Bergamtmann Hahn schilderte in seinem Bericht an das Oberbergamt München sehr anschaulich die entscheidenden Stunden am Stockheimer Maxschacht. "Uns überwältigte das Gefühl der Freude, wir umarmten uns und weinten. Kein Auge blieb trocken. Das Gefühl, welches uns in diesem Moment erfüllte, vermag ich nicht zu schildern." Am Maxschacht hatte sich unterdessen eine große Menschenmenge versammelt. Grubenbesitzer Richard Freiherr von Swaine bot Getränke und Lebensmittel an.
Gelübde eingelöst
Ihr Versprechen den 14 Nothelfern gegenüber hatten die Bergleute nicht vergessen. Am Samstag, 24. Mai 1879, lösten sie ihr Gelübde ein. Barfuß und mit Grubenlampen machten sie sich auf den 40 Kilometer langen Fußmarsch nach Vierzehnheiligen. Unzählige Menschen säumten damals den Weg der Bergleute und beteten mit ihnen.