Ein 45-jähriger Mann aus dem Raum Kronach wird beschuldigt, die Tochter seiner Verlobten im Alter von elf Jahren sexuell missbraucht zu haben. Nun muss er sich vor Gericht verantworten.
Die Mutter schoss Fotos von verschimmelten Essensresten und verdorbenem Brot im Zimmer der Tochter. Die Fotos sollten belegen, dass das Mädchen zu Übertreibungen neigt oder gar lügt. Diese "Beweisfotos" dafür, dass es seine Pausenbrote wie versprochen gar nicht gegessen habe, legte der Lebensgefährte der Mutter, ein 45-Jähriger aus dem Landkreis Kronach, der vom Gericht bestellten Gutachterin auf den Tisch. Letztere soll die Glaubwürdigkeit des Opfers.
Richter Michael Knoch forderte das Bildmaterial sogleich zur Einsicht ein. "Wer fotografiert denn so was?", wollte er wissen und hakte dann nach, ob das die Mutter vor oder - wie sich schließlich herausstellte - nach der polizeilichen Anzeige gegen ihren Lebensgefährten fotografiert habe.
Im August 2013 wurde der Mann von dem Mädchen, das die Tochter seiner Verlobten ist, angezeigt. In zehn Fällen soll der Mann das Kind, das damals zwischen elf und 13 Jahre alt war, schwer sexuell missbraucht haben. "Das, was in der Anklage steht, muss ich vehement bestreiten", sagte der Mann, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin ein zweites Domizil im 500 Kilometer entfernten Mecklenburg-Vorpommern gekauft hat und dort viel Zeit verbringt. Sowohl dort als auch in der Wohnung der Familie im Landkreis Kronach soll es zu den Übergriffen gekommen sein.
Das sah der Angeklagte anders: Die Tochter seiner Verlobten habe Interesse gehabt, ihn anzufassen, äußerte er sich zu der Tat. Allerdings sei das erst nach ihrer Konfirmation passiert, als sie bereits 15 Jahre alt war. Er habe sich vorzuwerfen, ihr keinen Einhalt geboten zu haben: "Da bin ich meiner Verantwortung nicht nachgekommen." Vor Gericht gestand er allerdings, das Mädchen sexuell berührt und es geküsst zu haben. Zum Geschlechtsverkehr sei es allerdings nicht gekommen.
Harmonisches Familienleben Anfangs sprach der Mann vom harmonischen Familienleben: Es fielen Sätze wie "Wir gehen durch dick und dünn" und "Ich fühle mich als ihr Vater". Die zwei Kinder seiner Lebensgefährtin bezeichnete er als ein "Geschenk Gottes", weil seine eigenen fernab von ihm bei seiner geschiedenen Frau lebten. Er erklärte, wie selbständig das Mädchen schon immer gewesen sei, wie sie im Haushalt mit angepackt habe. Konflikte habe es keine gegeben, beteuerte er. Später wies er darauf hin, dass sie schon als Kind zu Übertreibungen und auch Lügen geneigt habe. Ihre Freundin, die er ebenfalls geküsst und angefasst haben soll, sei der falsche Umgang für sie gewesen.
Die mittlerweile 18-Jährige berichtete über den langjährigen Lebensgefährten ihrer Mutter, die zu ihm steht: "Er ist einer, der die Familie zusammengehalten hat." Er sei ihre Bezugsperson gewesen, mit dem sie über ihr schlechtes Verhältnis zum leiblichen Vater habe sprechen können. Auch dass er sie nie zu etwas gezwungen habe, betonte sie. Genau kann sie sich an die Übergriffe nicht erinnern: Sie weiß nur, dass sie elf Jahre alt gewesen sei und nicht gewusst habe, was da passiert. "Ich war so jung, ich habe es nicht als falsch empfunden." Erst als sie älter geworden sei, habe sie gemerkt, dass es sich um strafbare Handlungen gehandelt habe. "Ich bin nachts aufgewacht, hatte Bilder im Kopf und war so geschockt, dass das passiert ist." Sie habe geschrien im Schlaf, sich einer Freundin anvertraut. "Ich habe gewusst, dass niemand in der Familie mir glauben würde", erzählte sie: "Weil man es ihm nicht zutraut." Ihr einziger Ausweg sei eine Anzeige gewesen.
Der Angeklagte habe die Taten auch nicht abgestritten, sagte sie aus. Als Täter-Opfer-Ausgleich bot er ihr vielmehr einen vierstelligen Geldbetrag an, den sie auch angenommen habe. Da hakte Richter Michael Knoch nach: In dem dazugehörigen Text, den die junge Frau auch unterschrieben hat, habe der Angeklagte lediglich das Küssen und Streicheln der Genitalien zugegeben. Von Geschlechtsverkehr sei darin keine Rede. Ob ihr bewusst sei, dass damit Aussage gegen Aussage stehe? Und warum habe sie ihren Termin für ein Glaubwürdigkeitsgutachten nicht wahrgenommen? Als ihr klar geworden sei, was sie mit ihrer Aussage alles aufs Spiel gesetzt habe, sei ihr der Termin nicht mehr wichtig gewesen und sie habe versucht, ihre Anzeige bei der Polizei zurückzuziehen, antwortete die junge Frau. " Ich weiß, dass mir zu Hause immer noch niemand glaubt", sagte sie, "aber ich wollte nicht, dass die Familie zerbricht."
Am Dienstag wird die Verhandlung fortgeführt.