Wohltätigkeitsverein Kitzingen steht vor dem Aus

2 Min
Aktive Mitglieder aus den 1930er Jahren. Foto: privat
Aktive Mitglieder aus den 1930er Jahren. Foto: privat

Der Wohltätigkeitsverein Kitzingen findet keinen neuen Vorstand. Sollte sich das bis nächstes Jahr nicht ändern ist nach über 100 Jahren Schluss.

Die Mitglieder des Kitzinger Wohltätigkeitsvereins arbeiten lieber im Stillen. Seit über 100 Jahren versuchen sie bedürftigen Kitzinger Bürgern beizustehen. "Es sind oft furchtbare Schicksale", meint Ingrid Kaidel, 1. Vorsitzende des Vereins.

Menschen in Armut, die im Verborgenen leben und manchmal nicht einmal die Hilfe der Tafel in Anspruch nehmen. "Weil sie sich schämen oder es einfach körperlich nicht mehr können", sagt sie.

Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit besucht die 75-Jährige etwa 20 Bedürftige und überreicht ihnen ein kleines Geldgeschenk. "Für mich ist es das wichtigste zu sehen, wie sich die Leute darüber freuen", erläutert sie, warum sie den Verein seit 15 Jahren führt.


Doch alles hat einmal ein Ende, der Verein steht unmittelbar vor dem Aus: Die Mitglieder seien alle veraltet, es fehle der Nachwuchs.

"Wir finden niemanden mehr für den Vorstand. So macht das keinen Sinn." Ingrid Kaidel klingt etwas resigniert. Wenn sich nicht jemand neues für die Vereinsleitung fände, bliebe nichts anderes übrig als den Verein aufzulösen. Die Lage ist ernst: Kaidel hat sich bereits beim Registergericht und beim Finanzamt über die notwendigen Formalien aufklären lassen.
"Ich hänge sehr an dem Verein und es wäre mir sehr schlimm, wenn er aufhören würde", erzählt die Rentnerin. Die Jungen interessierten sich heute eben nicht mehr für den Wohltätigkeitsverein oder hätten neben Beruf und Familie keine Zeit mehr für ein Engagement.
"Ich traue mich gar nicht, den Bedürftigen zu sagen, dass es möglicherweise in diesem Jahr zum letzten Mal ein Weihnachtsgeschenk geben wird" meint sie und bekräftigt dennoch ihren Beschluss: "Nur wenn sich jemand findet, der den Verein führt, können wir uns überlegen den Verein weiterlaufen zu lassen". Ansonsten sei spätestens nächstes Jahr Schluss.

Als alteingesessene Kitzingerin fände sie das Aus des Wohltätigkeitsvereins umso bedauerlicher. "Das ist halt ein Stück gewachsene Kitzinger Tradition", merkt Kaidel an.

Gegründet wurde der Verein am 11. Januar 1909 in den letzten Jahren des deutschen Kaiserreiches. 80 Frauen hoben ihn aus der Taufe, als "werktätige Hilfe für Arme und Kranke", wie der damalige Kitzinger Bürgermeister Ludwig Graff den Zusammenschluss charakterisierte. Der Bedarf im frühen 20. Jahrhundert war groß, die Liste der Wohlfahrtsempfänger dementsprechend lang. Zumeist waren Witwen auf Hilfe angewiesen, weil die staatliche Sozialversicherung zu der Zeit nicht ausreichte. Nur zwei Wochen nach der Gründung zählte der Verein bereits 125 Mitglieder.

Während der Weimarer Republik befanden sich auch Jüdinnen im Vereinsvorstand. Obwohl es später die von den Nazis betriebene Gleichschaltung erforderte, die Jüdinnen auszuschließen, verhielt sich der Verein nicht judenfeindlich.

Aus einem Protokoll vom Mai 1933 geht hervor, dass man abwarten wolle, bis die Damen freiwillig ihren Austritt erklären und man diesen dann genehmigen wolle. Außerdem lehnte der Verein es ab, sich unter die NS-Frauenschaft zu stellen.
Am 5. Juni 1935 musste sich der Verein bis zum Ende des Dritten Reichs gezwungenermaßen auflösen. Das Vermögen ging an die Stadt Kitzingen über und wurde an die Bedingung geknüpft, dass es zum Bau eines paritätischen Altersheims verwendet wird. 1947 erfolgte die Wiedergründung, bei der der Verein sein abgegebenes Vermögen zurück sowie ein Grundstück als Entschädigung erhielt. 1981 verkaufte die damalige Vorsitzende das Grundstück an die Turngemeinde Kitzingen. Erst jetzt war die Unterstützung Bedürftiger in einem größeren finanziellen Rahmen möglich: Zwischen 80 und 100 Menschen wurden an Weihnachten mit einem Geschenk bedacht.

Zuletzt hat der Verein stark mit finanziellen und personellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Rund 70 passive und sechs aktive Mitglieder seien sehr wenig.

Wie Kaidel betont, sei der Verein zum Überleben auf weitere Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen. Für weitere Informationen steht sie telefonisch unter 09321 / 6645 zur Verfügung.