Rosa Krämer liebt Puppen - zu übersehen ist das nicht. Die zierlichen Figürchen "wohnen" im gesamten ersten Stock ihres Hauses. Zu Weihnachten gibt es für viele neue selbst genähte Kleidungsstücke.
Am weihnachtlich gedeckten Tisch sitzen alle brav auf ihren Stühlen. Mit einem verhaltenen Lächeln begrüßen sie den Besucher. Nur eine reißt den Mund weit auf: die süße Pummelige mit der kessen roten Schleife im Haar. Vorne, im historischen Kinderwagen gluckst ein kleines Baby fröhlich unter seiner kuscheligen Strickmütze. Es ist so knuddelig und weich, dass man es immerzu drücken und streicheln möchte. Im Kinderzimmer hat sich ein kleines schwarzes Mädchen an ihren Bettstäbchen hochgezogen. Sie steht stolz auf ihren Füßen und lacht einen unwiderstehlich an.
Das Haus der Familie Krämer im Markgrafstädtchen Mainbernheim ist längst überregional bekannt - bislang allerdings eher für sein Äußeres als für sein Innenleben. Zur Adventszeit präsentiert sich das Haus märchenhaft dekoratiert. Weihnachtsmänner leuchten den Weg zur Krippe.
Riesengroße Plastikkerzen thronen auf dem Dach. Überall funkeln und blitzen Lichterketten zwischen Tannenzweigen und Moos. Auch im Inneren des Hauses wird an allen Fenstern und Ecken dekoriert und glitzernd beleuchtet. Eine Krippe neben der anderen schmückt den Aufgang im Treppenhaus.
Auch Sohn half beim Puppenkleider nähen Doch etwas ganz Besonderes empfängt den staunenden und stets willkommenen Besucher im ersten Stock: Rosa Krämers Puppensammlung. Bei neun Kindern sollte es keinen Streit geben. Jedes hatte seinen eigenen Spielkameraden. Alle wurden liebevoll gepflegt, keine wurde entsorgt oder weiter gegeben. "Nach drei Töchtern kam der erste Sohn. Doch auch er beschäftigte sich bald mit den Puppen und half sogar beim Kleider nähen", erzählt Marion Gatzke, die älteste Tochter.
Sie kümmert sich heute um den größten Teil der Weihnachtsdekoration und, ganz besonders, um die vielen Besucher. Mit Liebe und Stolz erzählt sie von ihrer Familie und der Leidenschaft ihrer Mutter.
"Viele Puppen wurden beim Brand des Hauses vor einigen Jahren zerstört. Es war eine schlimme Zeit für uns alle", erzählt Marion Gatzke. Nach dem Wiederaufbau zogen auch bald neue Puppen ein. Besonders auf den Flohmärkten wurde Rosa Krämer gerne fündig. Dort fand sie auch die passenden Stoffreste, um neue Kleider zu nähen. Denn, zu Ostern und zu Weihnachten brauchen auch ihre Lieblinge mal was Neues zum Anziehen. Freunde und Familie helfen beim Schneidern und Stricken.
Multi-Kulti auch in der Puppensammlung Solidarität ist das Leitmotiv dieser Großfamilie. Sie gehören zusammen. Sie halten zusammen. Sie geben Geborgenheit.
Da gibt es keine Unterschiede zwischen Rassen und Farben. Multi-Kulti gehört auch in die Puppensammlung. Gebräunte Indianerinnen, dunkle Zigeunerinnen, viele dunkel- bis schwarzhäutige Puppen lachen und umarmen sich mit hellhäutigeren bis blassen Zimmergenossinnen. Nur eine Minderheit fällt ins Auge: Ein Bräutigam hält schüchtern die Hand seiner Braut, ein Junge in Lederhosen und Filzhut reicht ein paar Blümchen, zwei weitere stehen etwas schüchtern oder beschützend neben ihren "Mädchen". Ein kleinerer Kerl in Lederhose sitzt kess auf dem großen Bett im Schlafzimmer. Da könnte noch jemand dazu kommen, zur Gleichberechtigung der Geschlechter.
Jedoch, in jedem Raum steht auch ein Engel zwischen all diesen ausdrucksstarken Kindergesichtern. Zum Schutze der Gemeinschaft. Es erfordert viel Liebe und Geduld, eine solche Sammlung zu pflegen, zu erhalten und weiter zu führen.
Gerade diese Eigenschaften spürt man in jedem Wort von Marion Gatzke, wenn sie von ihrer großen Familie erzählt. Und auch von ihrem persönlichen Anliegen. Draußen, vor dem stimmungsvoll beleuchteten Haus wird Glühwein ausgeschenkt. Wer möchte, lässt eine Spende da - für eine Krankheit, Mukoviszidose, heimtückisch, vererblich und (noch) nicht definitiv heilbar.