Streit über die Ausbaubeiträge in Westheim

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Auf der einen Straßenseite ist der Bürgersteig in Westheim breit, auf der anderen sehr schmal. Fußgänger müssen im Kurvenbereich auf die Straße ausweichen oder die Straßenseite wechseln. Foto: G. Bauer
Auf der einen Straßenseite ist der Bürgersteig in Westheim breit, auf der anderen sehr schmal. Fußgänger müssen im Kurvenbereich auf die Straße ausweichen oder die Straßenseite wechseln.  Foto: G. Bauer
Gemeindeeigenes Grundstück mit Spielplatz neben dem Feuerwehrhaus: Wer muss hier zahlen? Foto: G. Bauer
Gemeindeeigenes Grundstück mit Spielplatz neben dem Feuerwehrhaus: Wer muss hier zahlen?  Foto: G. Bauer
 

96 Bürger sehen nicht ein, warum sie Beiträge zahlen sollen, wenn früher nur von Reparaturen an den Straßen gesprochen wurde. Alte Protokolle sollen jetzt zeigen, ob die Grundlage für die Bescheide richtig ist.

Werner Mulzer aus Westheim ist sauer auf seine Gemeinde - und er ist nicht der Einzige. Kurz vor Jahreswechsel hatten die Bürger der Biebelrieder Orsteile Beitragsbescheide für den Straßenausbau bekommen - knapp vor der Verjährungsfrist. 122 Bescheide waren ergangen, fast 100 Bürger hatten Widerspruch eingelegt. In einer Informationsveranstaltung in Kaltensondheim versuchte Bürgermeisterin Renate Zirndt (Allgemeine Bürgerliste) am Donnerstag die Wogen zu glätten.

Werner Mulzers Hofeinfahrt wurde gepflastert, der Gehweg neu angelegt. "Die Situation am Haus ist jetzt sogar schlechter als sie vorher war", beklagt er. Der Gehweg fiel nämlich nach einer Verschiebung der Straßentrasse deutlich schmäler aus als vorher. So viel schmäler, dass die Benutzung zur Gefahr für Kinder auf dem Weg zum Kindergarten in der Lindelbacher Straße wurde.

"Seitdem müssen Fußgänger und auch Kinder den Gehweg verlassen und auf der Dorfstraße gehen oder die Straßenseite wechseln", sagt Mulzer.

Der Umbau war 1994 - die Rechnung dafür bekamen die Bürger erst jetzt. Bis 2008 gab es in der Gemeinde keine Straßenausbaubeitragssatzung, die beschloss der Gemeinderat erst im August 2008, legte aber zugleich eine Rückwirkung bis 1993 fest. Eine Änderung scheiterte 2012.

Von Reparaturen gesprochen

Werner Mulzer ärgert sich nicht nur darüber, wie ausgebaut wurde. Der damalige Bürgermeister Wilhelm Kreuzer habe immer nur von Reparaturen gesprochen, die nicht umgelegt werden sollten und auch nicht umgelegt werden könnten. Zum Beweis nennt Mulzer die vielen Ausbesserungen, die als Flicken im Asphalt erkennbar sind und von denen einige schon wieder reparaturbedürftig sind. Das sei niemals ein Ausbau gewesen. "Daher hat auch kein Mensch über die Jahre daran gedacht, dass er hier noch an den Kosten beteiligt wird", sagt Mulzer, der selbst einen höheren vierstelligen Betrag überweisen soll, wie 96 andere Betroffenen aber zunächst Widerspruch eingelegt hat.

Bei den damaligen Arbeiten seien Baumpflanzungen und Baumversetzungen durchgeführt und eine Mauer neu errichtet worden, sagt der Westheimer. Der von Bürgern beauftragte Rechtsanwalt habe darüber in den Rechnungen jedoch keine Hinweise gefunden. Diese Teilmaßnahmen hätten unbedingt herausgerechnet werden müssen, so Mulzer.

Kritisch betrachtet wird auch ein Stück Gemeindegrund neben dem Feuerwehrhaus, für dessen Anteil die Gemeinde selbst aufkommen müsse.

Betroffen sind weit mehr als ein Dutzend Bürger in Westheim, allesamt Anlieger an der Dorfstraße und in der Pfarrgasse. Die Bürger beharren auf der Feststellung, dass Bürgermeister Kreuzer Schäden sämtlich kostengünstig und ohne viel Wirbel reparieren lassen wollte.

Nach Vorschriften richten

In der Informationsveranstaltung mussten die Westheimer wie die Betroffenen aus den anderen beiden Ortsteilen Hinweisen der Bürgermeisterin und von Dieter Pfister von der VG Kitzingen entnehmen, dass eine Beitragspflicht eher untermauert sei. Nach der Gemeindeordnung hat die Gemeinde Einnahmen wie besondere Entgelte für erbrachte Leistungen zu beschaffen. Nach dem Kommunalabgabengesetz sollen Beiträge für Verbesserungen oder Erneuerungen von Ortsstraßen erhoben werden. Das Soll steht dabei für ein Muss, denn, so Bürgermeisterin Zirndt, es seien nur sehr eng gesteckte Ausnahmen zulässig.

Im Sommer 2012 beschäftigte sich der Gemeinderat mit der 2008 besiegelten Rückwirkung bis 1993. Er hätte die Rückwirkung mit Billigung der Rechtsaufsicht im Landratsamt streichen oder abmildern können. "Ob das ein Staatsanwalt oder ein Gericht bei einer Anzeige eines streitlustigen Bürgers auch so gesehen hätte, steht auf einem anderen Blatt", machte Zirndt deutlich.

Alte Protokolle prüfen

Die Verwaltung steht nun in einigen Bereichen vor dem Dilemma, über den Unterschied vor und nach eine Maßnahme entscheiden zu müssen, ohne dass ausreichende Unterlagen vorhanden sind.
Keine Hilfe war der Hinweis von Bürgern auf die Zusagen des früheren Bürgermeisters. "Eine mündliche Zusage ist mangels Schriftform ungültig", ließ Pfister die Versammlung wissen. Aber selbst in Schriftform sei nicht jeder Abgabenverzicht rechtswirksam. Die Gemeinde könne jedoch Aussagen des Bürgermeisters über den Zustand vor der Maßnahme heranziehen. Voraussetzung für die Änderung eines Bescheides sei für die Verwaltung eine schlüssige Beweisführung.

Bürgermeisterin Zirndt will zur Klärung offener Fragen alle Protokolle und Berichte aus Bürgerversammlungen und Ratssitzungen heranziehen. Wenn bei der Bescheiderteilung für eine Straße eine unzutreffende Grundlage gewählt wurde, könnten Bescheide abgeändert oder aufgehoben werden, neue Bescheide werden nicht erteilt.
Die Behandlung der 96 eingegangenen Widersprüche wird den Gemeinderat in den kommenden Wochen und Monaten in nichtöffentlicher Sitzung beschäftigen; bislang liegen jedoch in den meisten Fällen nur fristwahrende Widersprüche vor, zu denen Begründungen nachgereicht werden.

Der Straßenausbau:
Zeitlicher Ablauf: 1971 Erlass einer Ausbausatzung, 1979 Umsetzung auf unbestimmte Zeit verschoben,1980 Vorhaben wieder aufgehoben,1983 Aufforderung des Landratsamtes zum Neuerlass, 1995 Neuerlass im Gemeinderat behandelt, 2001 Verzicht auf eine Beitragssatzung beschlossen, da die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt schuldenfrei war, 2002 Beitragspflicht in einer Bürgerversammlung öffentlich unterstrichen, 2007 Auftrag zur Vorbereitung einer Beitragssatzung, die Behandlung aber auf 2008 vertagt, 3/2008 Satzungsbeschluss mit Rückwirkung bis 1. Januar 1993, 8/2008 Erhebungsauftrag an die VG in Kenntnis der Problematik kaum nachvollziehbarer und unübersichtlicher Rechnungen und Belege mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, 2012 Rückwirkung konnte in namentlicher Abstimmung wegen Patt-Situation im Gemeinderat nicht gestrichen werden.

Umlegungen: Auf die Bürger der Großgemeinde Biebelried wurden die Kosten für folgende Ausbauten umgelegt: Biebelried: Gehweg Kellerbergstraße (11 100 Euro); Weg zum Sportplatz (3400 Euro); Kaltensondheim: Dorfgraben (Innenbereich 11 900 Euro); Eibelstadter Weg (4500 Euro); Pförtleinsgasse (Gehweg, 6800 Euro); Pförtleinsgasse (Stichweg, 2000 Euro); Westheim: Dorfstraße (Gehweg, 38 600 Euro); Dorfstraße (Stichweg, 12 400 Euro); Pfarrgasse (13 900 Euro).