"Unser Wirtshaus soll leben": Friedhelm und Marion Neubauer ziehen an vielen Hebeln, damit ihr Landhotel und Weingasthof "Schwarzer Adler" in Wiesenbronn weiter bestehen kann.
In der Disko ist es passiert, ausgerechnet. Marion aus dem Casteller Ortsteil Wüstenfelden lernte Friedhelm Neubauer aus Wiesenbronn kennen. Damals, vor fast 30 Jahren, haben sich die Weichen für Marions Zukunft als Wirtin im Landhotel und Weingasthof "Schwarzer Adler" gestellt.
An ihre Lehre als Metzgereifachverkäuferin hängte Marion die Ausbildung zur Hotelfachfrau an. "Es hat mir nie was ausgemacht, wochenends zu arbeiten", stellt die heute 44-Jährige mit fröhlichem Lachen fest. "Ich liebe meinen Job." Doch der sei im Laufe der Jahre leider eher schwerer als einfacher geworden: "Das Wirtshaussterben hat schon seine Gründe."
Jedes dritte Dorf in Bayern hat mittlerweile keine Wirtschaft mehr. Tendenz steigend. "Eine Dorfgaststätte hat's heute schwer", erklärt Marion Neubauer. Kartpartien, Stammtische - alles, was die Räume früher gut gefüllt habe, sterbe aus. "Vor 15 oder 20 Jahren war die Wirtshauskultur noch ganz anders." Einfach nur zusammensitzen, reden, etwas essen - "das gibt es in der Form nicht mehr".
"Früher war's persönlicher", ist der 80-jährige Seniorchef Heinrich Neubauer sicher. "Man hat die meisten Gäste gekannt. Heute haben wir ein breiter gefächertes Publikum." Das sei aber auch gut so. Der "Heiner", wie er von allen genannt wird, weiß: "Nur von den Einnahmen aus dem Dorf könnte man ja nicht existieren." Touristen und Übernachtungsgäste seien überlebenswichtig.
Seine Schwiegertochter Marion nickt. "Wir werden zwar nicht von einem fremden Chef diktiert, aber vom Geschäft." Man müsse sich auf veränderte Kundenbedürfnisse einstellen. Nicht zuletzt deshalb haben sie und Friedhelm sich vor einigen Jahren zu einer Renovierung und Erweiterung der Gasträume und Zimmer entschlossen, die sie auf lange Zeit finanziell belasten wird. "Trotzdem glauben wir, dass es der richtige Weg war, um zukunftsfähig zu sein."
Über Wohl und Wehe eines Gasthofs entscheiden aber auch die laufenden Kosten, etwa für Energie und Personal. "Egal, ob zwei Gäste da sind, 20 oder 200: Heizung, Licht, Koch- und Servicepersonal müssen wir Stunde für Stunde bezahlen." Große Gewinnmöglichkeiten gebe es nicht. " Und die eigenen Stunden darf man nicht rechnen", stellt Marion Neubauer klar.
Lieber ein sicherer Bürojob? Viele junge Menschen, die eine Gaststätte übernehmen könnten, schrecke dies alles ab. "Sie wollen solche Unwägbarkeiten nicht und machen dann lieber einen Bürojob, bei dem sie jeden Monat sicher ihr Geld kriegen", meint Heiner Neubauer. Dazu komme die Tatsache, dass die Bürokratie sich vervielfacht habe: "Wo früher ein Eintrag im Buch gereicht hat, mailt man heute x-mal hin und her und ändert dann immer noch was", weiß Marion. "Man muss immerzu online sein. Es geht nicht mehr anders."
Ihr Schwiegervater weiß einen weiteren Grund, warum der Wirtsberuf für die Jugend wenig attraktiv ist: "Wir haben eine Sechstagewoche und unser Geschäft geht immer dann richtig los, wenn andere Feierabend machen." Marion bestätigt, "dass man schon viel entbehrt". Was das Familienleben angeht, hätten sie und Friedhelm die wenige Zeit, die sie mit ihren beiden Söhnen hatten, "dafür umso intensiver genutzt".
Während der ältere Sohn mittlerweile BWL studiert, überlegt der jüngere, den Betrieb einmal weiterzuführen - in der sechsten Generation. Marion, Friedhelm und Heiner freut das natürlich. Andererseits wissen sie um die Tücken des Geschäfts. "Es ist ein ewiger Kampf", konstatiert der Seniorchef. Schwiegertochter Marion ergänzt: "Seit 25 Jahren hab' ich die ewige Beschwerde im Ohr: Es dauert zu lang, dauert zu lang..." Wie schön wäre es, meint sie, wenn "die Menschen bewusst und mit allen Sinnen ihr Essen genießen würden, statt schnell-schnell zum nächsten Highlight zu jagen."
Ob sie je bereut hat, wegen der Liebe zu Friedhelm Wirtin geworden zu sein? Marion schüttelt energisch den Kopf. "Wo sonst hat man jeden Tag die Möglichkeit, Leute glücklich zu machen?"
Das funktioniere heute, indem man die Menschen "nicht nur versorgt, sondern verwöhnt". Die Neubauers gestalten für ihre Gäste auf Wunsch sogar ganze Erlebnistage. Marion legt zudem viel Leidenschaft in eine besonders schöne Umgebung. "Jetzt, zu Weihnachten, haben wir zum Beispiel den Hof in einen Winterwald verwandelt, in dem es abends Glühwein und heiße Schokolade gibt", erzählt die 44-Jährige begeistert.
Wenn sie einen Wunsch frei hätte, wäre es der: "Die Leute sollen stolz auf 'ihre' Dorfwirtschaft sein und sich freuen, dass es uns noch gibt."