Johanna Fischer tauscht Karriere gegen Alpakas und findet ihr großes Glück
Eigentlich braucht jeder diesen Ort. Diesen einen Ort, an dem die Zeit still steht und der Alltagstrubel in Vergessenheit gerät. Johanna Fischer hat ihn gefunden. Oder besser gesagt: Sie hat ihn sich gemacht.
Alvin, Monki, Reiki und Philli – so heißen die vier flauschigen Tierchen, die das Leben von Johanna absolut auf den Kopf gestellt haben. Dass sie heute Besitzerin einer kleinen Alpaka-Farm ist, hätte sich die 34-Jährige vor knapp drei Jahren nicht träumen lassen. Damals war sie im achten Jahr als Diplom-Chemikerin tätig und hatte gerade eine Vertragsverlängerung auf dem Tisc liegen. Termindruck, Stress, eine 50-Stunden-Woche – all das war keine Seltenheit. „Ich bin die Karriereleiter schnell nach oben“, erzählt Johanna. „Doch irgendwas hat mir gefehlt.“
Die englische Lebensweisheit „Change it, love it or leave it“ kam ihr damals in den Sinn. Wenn dir etwas im Leben nicht gefällt, dann ändere etwas an den äußeren Umständen (change it). Geht das nicht, dann ändere deine innere Einstellung dazu (love it). Funktioniert auch das nicht, dann verlasse die Situation (leave it). Sonst bist du unglücklich. Johanna entschied sich für Letzteres – und hat es nicht bereut.
Von Null auf Hundert
Ein Freiwilliges Soziales Jahr im Wildpark Sommerhausen sollte der schon immer tierlieben Johanna den Weg in die Zukunft weisen. Was sie vorher im sozialen Bereich vermisst hatte, bekam sie hier doppelt und dreifach zurück. Gleich in der ersten Woche war ein Alpaka-Züchter vor Ort. Die Schulung für die Tierpark-Mitarbeiter verfolgte Johanna mit wachsender Begeisterung. Der erste Funke war entzündet – und sollte in den folgenden Monaten zu einem lodernden Feuer werden.
„Als das Jahr zu Ende war, wusste ich: Ich muss meinem Herzen folgen und mir Alpakas kaufen“, sagt die 34-Jährige. Ehemann und Schwiegereltern hatten nur kurz Gelegenheit, an Johannas Verstand zu zweifeln. Die Leidenschaft war überzeugend, die Faszination sogar ansteckend. Zudem war für niemanden der Glanz in Johannas Augen zu übersehen, mit dem sie fortan ihr Ziel anvisierte und Monat für Monat ein Stück mehr in die Tat umsetzte.
Viele unterstützende Hände
Am Ortsrand des Iphöfer Stadtteils Hellmitzheim, nur wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, konnte Johanna eine Obstwiese pachten und mit vielen fleißigen Helfern eine 1600 Quadratmeter große Koppel errichten. Neben zahlreichen tierischen Aus- und Weiterbildungen ging es in erster Linie um das Eingewöhnen der „Glücksbringer“, wie die Tiere oft genannt werden. Im Oktober 2018 zogen die vier Alpakas von Südtirol nach Unterfranken – und damit die Gemütlichkeit ins Leben der Familie Fischer. „Davon abgesehen, dass Alpakas einfach zum Verlieben süß sind, sind sie Experten der Entschleunigung“, verrät Johanna. „Wir Menschen können ganz viel von ihnen lernen.“
Eine Tatsache, die Johanna auch anderen zuteil werden lassen will. Bei geführten Spaziergängen und Wanderungen durch die Iphöfer Flur werden Alltagssorgen mal eben vergessen. Alvin, Monki, Reiki und Philli legen ein ansteckend gemütliches Tempo an den Tag. Es dauert nicht lang und die sanft wiegenden Schritte wirken entspannend auf Körper und Geist. „Perfekt zum Abschalten“, rät Johanna und freut sich auf viele Besucher, die mit ihr in kleiner Runde auf Tuchfühlung mit ihren Tieren gehen wollen.