Ziel: Langfristige Planung
Trotz der schwierigen Lage: Die Investoren standen beim damaligen Insolvenzverwalter Schlange. 14 Finanzinvestoren und eine Handvoll strategischer Investoren waren es. „Uns war immer klar, dass wir jemanden haben wollten, der langfristig plant und denkt“, erinnert sich Mann. Dass die Wahl auf Josef Ramthun fiel, hing mit den Gesprächen zusammen. Und mit dessen Vorstellungen.
„Herr Ramthun war der einzige der vier verbliebenen Investoren, der mit der Gewerkschaft einen Haustarifvertrag aushandelte“, erinnert sich Gerhard Pfaff. Ein Haustarif, der für die verbliebenen Mitarbeiter erst einmal Einschränkungen bedeutete: weniger Entgelt, 40 statt 35-Stunden-Woche. Am Schlimmsten wog für die Beteiligten jedoch, dass ein normaler Betriebsübergang nicht möglich war. Durch die Neugründung der Firma, die fortan Frankenguss hieß, verloren die Mitarbeiter ihre langjährige Betriebszugehörigkeit. Und damit reduzierten sich ihre Werks-Rentenansprüche. „Aber das war die einzige Chance, einen Investor zu bekommen, der langfristig plante“, versichert Walther Mann. Gerhard Pfaff assistiert. „Keine Bank der Welt hätte eine Weiterführung der Firma unter den vorherigen Bedingungen finanziert.“
Auf der anderen Seite drängten die Kunden. Bis Ende Juni 2009 wollten sie eine Lösung haben – sonst wären die überlebenswichtigen Aufträge für den Neustart verloren gegangen. „Also sind wir den harten Weg mitgegangen“, erinnert sich Pfaff. Von vielen Mitarbeitern musste er sich deshalb Lohnbetrug und Verrat vorwerfen lassen. Die Gewerkschaft hätte nicht die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. „Die Stimmung innerhalb des Betriebes war aber immer eine ganz andere als außerhalb“, versichert Pfaff.
Zittern um Mitternacht
Josef Ramthun kann das nur bestätigen. Auch für ihn waren das äußerst spannende Tage. Am 30. Juni 2009 um Mitternacht sitzt er in seinem Büro und schaut nach draußen. Wochen der intensiven Beratungen liegen hinter ihm. Er hat die Gewerkschaftsvertreter, den Insolvenzverwalter und die Banken von seinem Konzept überzeugt.
Er hat das Privatvermögen seiner Familie in dieses Projekt gesteckt, alles auf die Karte „Frankenguss“ gesetzt, wie er sagt. Jetzt ist der entscheidende Moment gekommen. Die Schranke zum Betriebsgelände öffnet sich nach vier Tagen Stillstand wieder. „Und die Menschen sind tatsächlich gekommen“, sagt er und muss auch zehn Jahre später noch lächeln.
Im Vorfeld musste auch der Investor einiges aushalten. Als Hasardeur sei er bezeichnet worden, als Spekulant. Warum er sich auf dieses Risiko eingelassen hat? „Weil ich immer wusste, dass es im Kitzinger Gusswerk eine Mannschaft gibt, die weiß, wie es geht.“
Ramthun hat die Chancen der damaligen Zeit gesehen. Die Banken- und Wirtschaftskrise hat viele Unternehmen in die Knie gezwungen. „Wir waren nach der Insolvenz die Ersten in der Branche, die sich nicht mehr mit dem reinen Überleben, sondern mit der Zukunft beschäftigen konnten.“ Und das hat er getan: Der Vertrieb wurde gestärkt, ein Technologiezentrum aufgebaut. „Während sich andere noch saniert haben, konnten wir neue Aufträge an Land ziehen.“
Innerhalb von zehn Jahren ist der Umsatz von rund 85 Millionen im Jahr auf mehr als 130 Millionen Euro gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten ist um 44 Prozent gestiegen, die Ausbildungsquote liegt mittlerweile bei acht Prozent.
Gegenseitiges Wohlwollen
Mehr als 44 Millionen Euro hat Ramthun in den zehn Jahren in die Firma investiert. Er hat neue Formanlagen gekauft, neue Druckgussanlagen, 3D-Drucker und vieles mehr. Am Wichtigsten sind ihm allerdings die Investitionen in die Mitarbeiter.
Erst die Wertschätzung, dann die Wertschöpfung: Nach diesem Motto hat der 57-Jährige ins Personalmanagement investiert. Jede Führungskraft hat ein Programm durchlaufen. Fortbildungen wurden bezahlt, ein Gesundheitsmanagement installiert. „Jeder Mitarbeiter muss sich ernst genommen fühlen“, fordert Ramthun. Grundlage der Zusammenarbeit sind für ihn Werte wie Respekt, Vertrauen und gegenseitiges Wohlwollen.
Werte, die tatsächlich gelebt werden, wie Gerhard Pfaff versichert. Seit 43 Jahren ist er im Betrieb tätig. „Aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Vielleicht ist das der Grund, warum die Mitarbeiter auch weiterhin die 40-Stunde-Woche akzeptieren und lange Zeit weniger Lohn als in Zeiten der MTK verdienten. „Wir kamen aus einer Verzichtssituation“, erinnert Pfaff.
Zwischenzeitlich habe es Ergänzungstarifverträge gegeben. „Jetzt haben wir die gleichen Grundentgelte wie in der Fläche.“ Der Tarifvertrag ist auf zehn Jahre festgezurrt. Auch ein Zeichen, wie verlässlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Frankenguss miteinander arbeiten wollen.
Also alles gut für die Zukunft? In drei Jahren feiert das Gusswerk seinen 100. Geburtstag. Josef Ramthun ist guter Dinge, dass dessen Geschichte noch lange Zeit fortgeschrieben wird.
Die Frage sei jedoch, ob Industrieunternehmen in Deutschland und der EU überhaupt gewollt werden. „Wir müssen uns politisch positionieren“, fordert er und erhält Unterstützung vom Ex-Gewerkschafter Walther Mann: „Wir brauchen einen aktiveren Meinungsaustausch darüber, wie dieser Standort gestärkt werden kann.“
Wechselvolle Geschichte
Das Kitzinger Gusswerk wurde 1922 als Metall- und -Schrott AG gegründet. Lange Zeit gehörte es zum Sachs-Konzern, 1987 erwarb Mannesmann die Mehrheit an der Gießerei. Im Jahr 2001 ging sie dann in den Besitz der ZF Friedrichshafen über.
2004 erwarb die amerikanische Gruppe MTI Metal Technologies Inc. das Unternehmen, das im Jahr 2005 unter dem Namen Metal Technologies Kitzingen (MTK) umfirmierte.
Nach der Insolvenz im Jahr 2009 erwarb Josef Ramthun das Unternehmen und nannte es Frankenguss.